Kunst und Kultur Der rastlose Entdecker der Vielfalt

Andrea Herdegen
Ilija Trojanow im Autorenporträt: "Abseits der eingefahrenen Wege entdeckt man vieles." Foto: Andrea Herdegen

Ein Poetenfest-Porträt stellt Ilija Trojanow vor. Der Schriftsteller bewegt sich gern abseits der eingefahrenen Wege.

 
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Erlangen - Ilija Trojanow ist ein rastloser Mensch: "Ich werde unruhig, wenn alles gleich bleibt." Nun muss er stillhalten. Auf einem Ledersessel auf der Bühne des Markgrafen-Theaters in Erlangen sitzt er, ganz in schwarz gekleidet. Gediegen. Nur wenn er die Beine übereinanderschlägt, blitzen seine pinkfarbenen Socken zwischen Hosensaum und Schuhen hervor. Wenn er antwortet, dann zeigt sein Mund oft ein selbstironisches Lächeln. Der grauhaarige Mann mit den dunklen Augen zählt zu den bekanntesten Autoren Deutschlands, nimmt sich aber selbst nicht so ernst. Beim Poetenfest ist dem Schriftsteller, Übersetzer und Verleger ein Porträt gewidmet.

Auch Trojanow ist ein Flüchtling. Mit seinen Eltern ist er als Sechsjähriger aus Bulgarien geflohen. "Ich wurde in eine ungewohnte Umgebung geworfen. In einem Jahr hat sich dreimal für mich alles verändert." Zuerst gibt Italien Zuflucht, dann geht es ins fränkische Zirndorf, von dort nach Kenia. Auf die Frage von Moderator Andreas Platthaus, wie das damals für ihn gewesen sei, sagt Trojanow: "Ich habe gedacht, das ist die Normalität. Meine Fixierung ist die Bewegung." Als Beginn seiner gelungenen Integration nennt er ein Matchbox-Auto, das ihm seine Eltern in Deutschland schenken. In seinem ersten Roman "Die Welt ist groß und Rettung lauert überall" von 1996 betrachtet Trojanow ironisch die Flucht.

In Kenia baut der Vater des Schriftstellers als Ingenieur einen Flughafen. Trojanow besucht eine Schule, in die Kinder aus mehr als dreißig Nationalitäten gehen. "Durch so etwas erfährt man als Kind unweigerlich Vielfalt", erinnert er sich. Äußerlichkeiten wie die Hautfarbe seiner Mitschüler waren ihm nie wichtig.

Später beginnt er in München ein Studium. Ein echter Kulturschock für Trojanow: "Alles war so bedrückend, so einengend." Mit 24 eröffnet er einen Verlag für afrikanische Literatur, reist mit seinem Sortiment im Rucksack durch Deutschland, klappert Buchläden ab. "Es war mühsam, ein schwieriges Geschäft." Zehn Jahre lang hält er durch. Heute gibt der 51-Jährige für einen Buchclub die Reihe "Weltlese" heraus. Trojanow ist einer, der sich gerne von den eingefahrenen Wegen wegbewegt.

Sein Herkunftsland ist für ihn nicht unwiderruflich verloren. Stets hat er Nachrichten über Bulgarien und die Nachbarländer verfolgt. Sein erster Besuch 1989 ist für ihn dann ein Schock. Was er sieht, passt nicht zu dem Land in seinem Kopf. In seinem Lebensroman "Macht und Widerstand" erzählt er von diesen Gefühlen, kehrt zurück in die sozialistische Hölle. Ilija Trojanow hat an diesem Buch, alle Recherchen mitgerechnet, fast zwanzig Jahre gearbeitet. Beeindruckend ist in Erlangen seine Lesung daraus.

Auf seiner Suche, Grenzen auszuloten, fallen ihm 2012 die Olympischen Spiele ein. "In meiner Rolle als Fernsehkonsument habe ich das Wesentliche nicht erlebt." Also probiert er in vier Jahren achtzig Disziplinen selbst aus - für sein neues Buch "Meine Olympiade". Sein Fazit: "Meine Lieblingsdisziplin bleibt das Schreiben."