Hof Leben wie auf einer Isolierstation

Beate Franz
Leben wie auf einer Isolierstation Quelle: Unbekannt

Nach einer bösartigen Tumorerkrankung muss Lars F. auf Keimfreiheit achten. Mit seinem schmalen Budget ist das eine fast unlösbare Aufgabe.

 
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Hof - 2016 war für Lars F. das schlimmste Jahr seines Lebens . "Ich dachte, ich muss sterben", sagt der hagere Mann über die Therapie, die jetzt bereits einige Monate zurückliegt. Er ist von den Qualen der extremen Prozedur noch deutlich gezeichnet, der Körper ist abgemagert, das Gesicht schmal und kantig.

In gewissem Sinn war 2016 für Lars F. aber auch ein gutes Jahr: Denn die Behandlung mit hochdosierter Chemotherapie und nachfolgender Stammzelltransplantation hat offenbar angeschlagen: Der inoperable bösartige Tumor ist geschrumpft. "Wir hoffen, dass er komplett zurückgeht", sagt seine Lebensgefährtin Petra Z. (alle Namen geändert), die sich hingebungsvoll um den Patienten bemüht. Lars F., Anfang 40, aus dem Raum Hof, leidet am seltenen Hodgkin-Lymphom. Nach Angaben der Deutschen Krebsgesellschaft können die meisten Patienten jedoch geheilt werden.

Dafür braucht es aber im Fall von Lars F. noch mindestens ein halbes Jahr Geduld. Sein neues Knochenmark bildet sich erst allmählich wieder, und damit auch die Abwehrzellen in seinem Immunsystem. Schon Erkältungsviren könnten für den Patienten schlimme Auswirkungen haben. Das heißt für ihn: Fahren zum Arzt mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist noch monatelang tabu, ebenso Kinobesuche oder ein schlichter Einkauf im Supermarkt. Er darf keinen Kontakt zu Tieren haben und zu Kindern. Sein Patenkind hat ihn schon fast ein Jahr lang nicht mehr gesehen. Lars F. lebt zu Hause in der Wohnung wie auf einer Isolierstation. "Inzwischen meide selbst ich größere Menschenmengen", sagt Petra Z., "um ihn nur ja nicht zu gefährden."

Auch die Ernährung des Patienten gestaltet sich schwierig: "Er darf nur frische Sachen essen", erklärt sie. Dennoch müsse das Gemüse, das sie kaufe, verpackt sein, ebenso das Fleisch oder die Wurst, weil dann die Keimgefahr geringer sei. "Man geht davon aus, dass verpackte Lebensmittel von weniger Menschen anfasst wurden." Wenn ein solches Wurstpäckchen beispielsweise einmal geöffnet sei, dürfe er auf Anraten der Ärzte in der Uni-Klinik Jena schon am zweiten Tag nichts mehr davon essen - zu groß sei die Gefahr, dass sich dann bereits Keime gebildet haben.

So viel Lebensmittel-Luxus können die beiden aus ihrem schmalen Budget aber gar nicht finanzieren. Lars F. erhält eine Erwerbsunfähigkeitsrente, die vom Jobcenter auf Hartz IV-Niveau aufgestockt wird - und Petra Z., Ende 30, kann ihren erlernten Beruf nach mehreren Bandscheibenvorfällen nicht mehr ausüben. Sie ist arbeitslos. Nach Abzug aller Verpflichtungen bleiben den beiden 330 Euro monatlich. "Das muss für die Lebensmittel reichen, und für die Spritkosten." Das Auto habe ihr Papa gesponsert, damit sie Lars mindestens einmal in der Woche zum Arzt fahren könne, erzählt Petra Z. Sie sei darüber sehr froh, sie wisse, dass er als Rentner auch nicht viel habe.

Nach dem Klinikaufenthalt in Jena wog Lars F. nur noch 48 Kilo. Und das bei einer Größe von mehr als 1,80 Meter. Mittlerweile ist der Patient aber auf einem guten Weg, er hat bereits acht Kilo zugelegt. "Sein Arzt sagt, am besten soll er täglich fünf Mahlzeiten zu sich nehmen", erklärt Petra Z. "Aber so viel kann ich gar nicht einkaufen, weil das Geld dafür nicht reicht." Für sich selbst hole sie sich mittlerweile Lebensmittel bei der Tafel, "aber vieles, was ich dort bekomme, darf Lars momentan gar nicht essen".

Mit Sorge schauen die beiden auf die Anträge von der Krankenkasse auf Befreiung zur Zuzahlung im nächsten Jahr. Die Befreiung ist für beide enorm wichtig, denn allein Krankenhaustagegeld, Fahrtkosten zur Klinik oder Zuzahlungen für Medikamente summieren sich schnell auf Beträge, die die beiden nicht mehr zahlen könnten. Um die Befreiungen zu erhalten, müssten sie insgesamt rund 150 Euro im Voraus bezahlen. Geld, das sie nicht haben.

Auch die Stromnachzahlung werde im kommenden Jahr wohl deutlich höher ausfallen als bisher, sorgt sich Petra Z.. Seit der Stammzelltransplantation braucht Lars F. höhere Raumtemperaturen, weil er sehr leicht friert. Auch warme Kleidung und Winterschuhe hätten die beiden nötig. "Mir ist das alles sehr peinlich", sagt Petra Z. und senkt den Kopf. "Ich schäme mich, dass wir nicht alleine zurechtkommen."

Doch dann fällt der fürsorglichen Lebensgefährtin noch was ein: "Der alte Laptop von Lars ist kaputt. Vielleicht hat jemand einen übrig, der noch funktioniert." Denn wenn Lars in der Klinik sei, sei das die einzige Art von Ablenkung, die er im Krankenzimmer habe. Er höre gerne Musik. Fernsehen und Telefon in der Klinik kosteten Gebühren, aber das Internet sei kostenlos nutzbar. Und wenn sie ihn mal wieder nicht besuchen kann, weil das Geld zu knapp ist, ist so ein Laptop eine gute Möglichkeit, um in Verbindung zu bleiben - über Facebook zum Beispiel.

Spendenkonto

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