Wunsiedel - "Arschloch!" Das erste Wort, das der namenlose Held vor der Klasse sagt, irritiert. Einige Schüler kichern. Dann legt der Mann, den Leif Scheele verkörpert, so richtig los: Er ruft Schimpfwörter, die ordinär, vulgär und grob sind - eine Vielfalt der sprachlichen Schmähungen. Der Typ mit den rotblonden Haaren und dem hellen Anzug redet sich in einen regelrechten Beleidigungsrausch.

Dann stoppt er, gibt sich als Mobbingopfer zu erkennen, das seit 25 Jahren von allen Seiten solch unflätige Dinge an den Kopf geworfen bekommt. "Das war nur eine Auswahl der Highlights, mit denen ich diffamiert worden bin." Am schlimmsten aber sind für ihn die Ausflüchte der anderen gewesen, als er sich verletzt und gedemütigt zurückgezogen hat: Es sei doch nicht persönlich gemeint, es sei doch nur Spaß gewesen. "Mobbing ist selten offen, es verbirgt sich hinter scheinbar harmlosen Dingen." Das Opfer leide zunehmend unter den Demütigungen. "Mobbing zerstört fast jeden!", ruft er aus und schreibt es als Merksatz an die Tafel.

Die Uraufführung des Klassenzimmerstücks "#MonkeyBusiness", das der neue Theaterpädagoge der Luisenburg-Festspiele, Stefan Ey, geschrieben hat, erlebte am Dienstag die Klasse 8b des Wunsiedler Gymnasiums. Mit ätzendem Humor und laut Autor "gar nicht pädagogisch" nimmt sich das Stück eines Themas an, dessen Bedeutung durch die digitale Kommunikation in den vergangenen Jahren stark zugenommen hat: des Mobbings.

Ey schafft, was er sich vorgenommen hat: Nach dem Schlussapplaus diskutieren die Schüler mit ihm und Schauspieler Leif Scheele lebhaft. Ganz sicher wirkt das Stück auch nach dem Verlassen des Klassenzimmers noch nach.

Scheele stellt beeindruckend einen Mann dar, der so tut, als könnten ihm Kränkungen und Verletzungen inzwischen nichts mehr ausmachen, weil er schon so viele erfahren hat. Doch seine scheinbare Abgeklärtheit und der Sarkasmus, den er an den Tag legt, sollen bloß von den zahlreichen Narben auf seiner Seele ablenken.

Mit einem kleinen Experiment will er zeigen, wo Mobbing bereits beginnt. Er lässt die Jugendlichen das schlimmste Schimpfwort aufschreiben, das sie kennen. "Soll ich sie vorlesen?", fragt er. Und wartet gar nicht auf eine Antwort, denn darum geht es ihm nicht: "Es geht darum, dass jeder von euch überhaupt etwas aufgeschrieben hat. Dass jeder von euch schon mal Täter war."

Die Jugendlichen schauen sich entsetzt an, denn daran hatten sie überhaupt nicht gedacht. Doch das Stück zeigt auch Auswege aus dem scheinbar naturgegebenen Mobbingterror auf: "Die schweigende Masse müsste aufstehen und etwas dagegen unternehmen. Wir sind doch keine Affen mehr."

Die Schüler applaudieren für Autor und Regisseur Stefan Ey und Schauspieler Leif Scheele. Rechtzeitig zum Schlussapplaus hat es auch Intendant Michael Lerchenberg von einem Stau auf der Autobahn in das Theater im Klassenzimmer geschafft.

Ey fragt die Jugendlichen, wo die Grenze ist, ab wann sie glauben: Das ist Mobbing. Ein Junge antwortet: Sobald jemand beleidigt oder verletzt werde. "Aber man kann auch Spaß mit Schimpfwörtern machen." Der Theaterpädagoge entgegnet: "Glaubst du, nur weil einer lacht, ist er nicht getroffen?"

Ein Schüler lobt die schauspielerische Leistung von Scheele. Der freut sich. "Ich mag es sehr gerne, direkt mein Publikum zu sehen. Theater ist für mich ein Energieaustausch." Das hat an diesem Tag im Klassenzimmer der 8b am Luisenburg-Gymnasium super funktioniert.

Der Autor begibt sich auf das Terrain der Jugendlichen

Leif Scheele kommt vom Theater Lüneburg extra für das Klassenzimmerstück nach Wunsiedel. Er arbeitet schon einige Jahre mit dem neuen Luisenburg-Theaterpädagogen Stefan Ey zusammen. "Wenn alles neu ist, dann ist es schön, jemand Vertrautes hier zu haben", sagt Ey. Er lobt Scheele als erfahrenen Schauspieler, der auch in seiner Rolle entsprechend reagieren könne, wenn aus dem Publikum jemand mit "piksigen Reaktionen" komme. Für Ey ist "#MonkeyBusiness" die 28. Uraufführung, deshalb war er vor dem Spiel relativ entspannt. Ein Stück zum Thema "Mobbing" zu schreiben, war für ihn eine Herausforderung. Ganze drei Monate hat er dafür recherchiert. Er mag es, beim Klassenzimmerstück auf das Terrain der Jugendlichen zu gehen und dabei deren Regeln zu beachten.