Es war noch nicht einmal mit einer Bitte nach mehr Taschengeld verbunden. Oder einer Beichte. Ich weiß: Angesichts ihres doch nun schon recht fortgeschrittenen Alters von elf Jahren ist so ein bisschen Haushaltshilfe eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Aber wenn es um Frondienste für die Familie geht, stoße ich bei meiner Ältesten regelmäßig auf taube Ohren. Das überraschende Engagement meiner Tochter ließ also bei mir kurz die Hoffnung aufblitzen, ich wäre erziehungstechnisch nun endlich einmal einen Schritt weiter gekommen. Sie hielt etwa zwei Stunden. Bis ich unser Schneidteufelchen aus der Schublade fischen wollte. (Für alle, die nicht wissen, was das ist: Mit einem Schneidteufelchen meine ich ein kurzes, aber sehr scharfes Messer, das, wie der Name schon sagt, wie der Teufel schneidet und eigentlich nicht in die Spülmaschine sollte, bei uns aber trotzdem immer darin landet. Es firmiert auch unter dem Namen Kneipchen, Küchenpitter oder, besonders hübsch: Hummelchen.) Ich griff ins Leere. Ich sah in der nächsten, übernächsten und überübernächsten Schublade nach. Auch da: nichts, niente, nada, nothing. Meine Tochter schaute in die Küche vorbei. "Was suchst du denn?" Ich versuchte mich in einem Lächeln: "Das Schneidteufelchen. Wo hast du es denn hingetan?" Meine Tochter überlegte kurz. Dann zuckte sie mit den Achseln: "Was is’n das?" Ohne auf Antwort zu warten, verließ sie die Bühne. Am Abend fand ich es. Es lag im Fach, das eigentlich Folien, Butterbrotpapier und Frischhalteclips beherbergt. Während ich das Küchenutensil in die Schublade für Messer zurücklegte, kam der Kindsvater heim. In der Hand hielt er einen hübschen Blumenstrauß. "Für dich, Schatz", strahlte er mich an. Ich schaute ihn durchdringend an. "Und? Wo ist der Haken?" Ich kann Sie beruhigen: Wir sind noch zusammen. Zum Glück folgt nicht jeder Überraschung immer gleich ein dickes Ende.