Eigener Inhalt Zum Schweiße bereit

Wolfgang Plank
 Quelle: Unbekannt

Nach Ostern gibt es kaum noch gute Ausreden. Dafür genug Ziele, auf die man zulaufen kann.

 
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In Berlin haben sie es vor drei Wochen getan. Zu Zigtausenden. Danach waren – ein paar weniger – in Leipzig, Hilpoltstein oder Ilmenau am Start. Schauplatz an diesem Samstag: Suhl-Mäbendorf. Auch hier: Laufschuhe an und los. Stürmend die einen, trabend die anderen. Zwischen Start und Ziel: 21 Kilometer. Am Stück. Meistens ohne Pause. Halbmarathon. Allen Respekt.

Und wir? Haben noch nicht einmal mit dem Training begonnen. Weil es früh ja immer so bald ist – und abends meist schon so spät. Im Schatten zu kühl, in der Sonne zu warm. Richtig Zeit hat man eigentlich auch nie. Irgendwas ist schließlich immer. Von all den kleineren und größeren Wehwehchen gar nicht zu reden.

Dabei wäre es so ein schönes Gefühl, auch mal in der Menge zu stehen. Ein bisschen aufgeregt. Die Hand an der Armbanduhr mit Stopp-Funktion. Wartend, dass endlich der Schuss fällt. Weil es dann keine Ausrede mehr gibt. Zumindest keine ehrenvolle. Finden jedenfalls die meisten. Loslaufen heißt für sie: durchlaufen. Egal, wie hart die Waden sind – und wie weich die Knie. "Did not start" kann immer mal vorkommen, "did not finish" zeigt, dass man aufgegeben hat. Ergebnislisten können grausam sein.

Wer ordentlich trainiert hat, muss sich ums Ankommen wenig scheren. Ein Halbmarathon ist hart, manchmal auch sehr hart. Aber anders als die volle Distanz auch noch schaffbar, wenn man nicht jede freie Minute in Laufschuhen unterwegs ist. Wenn nur die gnadenlos tickende Zeit nicht wäre. Mit weniger als zwei Stunden gilt man unter Hobbyläufern als satisfaktionsfähig. Das ist immerhin etwa halb so schnell wie der Weltrekord bei den Männern. Den hält seit 2010 Zersenay Tadese aus Eritrea mit 58:23. Minuten! Also von wegen bummeln. Fünf Minuten und 42 Sekunden darf man sich für die magische Marke am Ende Zeit nehmen. Auf jedem verdammten Kilometer.

Dabei ist alleine schon Durchhalten ein Sieg über die eigenen Grenzen. Im Ziel wird mit einem Mal alles aufgewogen: die Schinderei, der Schweiß, die Schmerzen. Doch für diesen Moment muss man Opfer bringen: lange und noch längere Läufe. Regelmäßig, bei jedem Wetter – und eben auch mal, wenn die Wade zwickt. Wenn andere noch in den Federn liegen oder längst beim Feierabend-Bierchen sitzen. Der wahre Kampf ist nicht der gegen die Uhr beim Wettkampf. Es ist der gegen all die Ausreden in den Wochen und Monaten zuvor.

Denn geschenkt kriegt man auf Pheidippides’ Spuren noch immer nichts. Das war jener Grieche, der mit der Nachricht vom Sieg über die Perser von Marathon nach Athen gesaust war. Damals, 490 vor Christus. Über die volle Distanz von geschätzt 42 Kilometern. Dass den Namen der Schlacht jedes Kind kennt, den des Boten aber kaum jemand, sollte trotz aller Euphorie ein wenig Mahnung sein. Immerhin brach der Ärmste hinterher tot zusammen . . .

Also besser langsam herantasten. Selbst an die halbe Distanz. Bei Läufern unter 35 Jahren ist das Risiko für Pheidippides’ Schicksal eher gering – gefährdet sind die älteren. Manager in der Midlife-Crisis, Spontan-Rückkehrer nach drei Jahrzehnten sportlicher Auszeit, Kontrahenten einer Stammtischwette. Solche, die glauben, trotz Stress, schlechter Ernährung und lausiger Vorbereitung an sportliche Leistungen aus Jugendtagen anknüpfen zu können. Quasi von Null auf Einundzwanzig. Geht leider fast immer schief.

Alle anderen können schon mal den Kalender holen. München oder Bamberg nächstes Wochenende kommen vielleicht ein bisschen früh. Aber auf den Herbst zu könnte mit 21 Kilometern schon was gehen. Oder besser: laufen.


Foto: AdobeStock