Marktredwitz Stadt fürchtet Privatisierung beim Wasser

Von

Die Europäische Union will die Daseinsvorsorge der Kommunen liberalisieren. Auch die Marktredwitzer könnten die Folgen zu spüren bekommen.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Marktredwitz - In Berlin ist das Schreckensszenario des Bayerischen Städtetages schon Realität. Die Bundeshauptstadt hat 1999 einen Großteil ihrer Wasserversorgung privatisiert - mit drastischen Folgen. Der Wasserpreis ist nicht - wie angekündigt - gesunken, sondern um 15 Prozent gestiegen. Außerdem hat der Konzern, der den ehemals städtischen Betrieb übernommen hat, 1000 der 6000 Mitarbeiter entlassen.

Während Berlin seine Wasserversorgung wegen der chronisch klammen Kassenlage in private Hände veräußert hat, könnten andere Kommunen wegen einer neuen EU-Gesetzgebung bald dazu gezwungen sein, den Betrieb der städtischen Anlagen auszuschreiben. Damit würden die städtischen Unternehmen mit Privatkonzernen konkurrieren. Der günstigere Anbieter müsste dann den Zuschlag erhalten, und das kann durchaus der private sein. "Natürlich würde die Ausschreibepflicht auch Marktredwitz drohen", sagte der Vorsitzende des Bayerischen Städtetags, Dr. Ulrich Maly, bei einer Tagung des Verbandes in der Großen Kreisstadt. In Frankreich etwa, seien fast alle Wasserversorgungen in der Hand von Großkonzernen - auch die der Kleinstädte.

Eigentlich klingt der Grund für die Ängste der Kommunen wenig furchteinflößend: "EU-Richtlinie zu den Dienstleistungskonzessionen". Maly hingegen nennt die Pläne einen "Angriff auf die kommunale Daseinsvorsorge". Denn im Grunde gehe es der EU nur darum, den Wassermarkt zu liberalisieren und für Großkonzerne zu öffnen.

Die EU-Initiative ist laut Maly auch vor dem Hintergrund der Schuldenkrise zu sehen. Länder wie Griechenland oder Portugal würden aufgefordert, ihre Staatsbetriebe zu privatisieren. Hier solle ein EU-weiter Rahmen geschaffen werden.

Die Marktredwitzer Oberbürgermeisterin Dr. Birgit Seelbinder, die Mitglied im Präsidium des Städtetages ist, sieht die Liberalisierungsoffensive als eine Katastrophe für die Kommunen. "Wir haben in unsere Wasserversorgung investiert, die ist für die nächsten hundert Jahre gesichert. Ein besseres Wasser, als das wir in Marktredwitz und Waldershof trinken, gibt es in ganz Bayern nicht mehr. Wir müssen es weder reinigen, noch Chemikalien zusetzen. Für unsere Bürger wäre es schrecklich, wenn wir in der Region von unseren Qualitätsstandards für das Trinkwasser abweichen würden."

Die Gefahr, dass die Privaten die Qualität der Wasserversorgung nicht gewähren, ist nach Malys Ansicht durchaus realistisch. "Sehen Sie sich England an. Hier wurde die Wasserversorgung bereits in den 80er-Jahren privatisiert. Immer wieder gibt es dort in manchen Gegenden für ein, zwei Stunden kein Wasser." Auch in Berlin sei die Trinkwasserqualität nicht mehr so gut, wie sie vor der Privatisierung gewesen sei.

Dr. Birgit Seelbinder sieht in der EU-Initiative noch weitere Auswirkungen auf die Kommunen zukommen. So soll bei kommunalen Leistungen das Vorsteuerverfahren verändert werden. "Wenn wir zum Beispiel einem Verein eine Turnhalle vermieten, müssen wir künftig Mehrwertsteuer verlangen. Bisher war das nicht der Fall."

Die EU begründet den Vorstoß damit, dass auch Privatbetreiber die Mehrwertsteuer berechnen müssen, wenn sie Leistungen anbieten. Die Kommunen wären daher in der Konkurrenzsituation bevorzugt. "Aber", so Seelbinder, "welche Privatperson betreibt schon eine Turnhalle?" Sie, Seelbinder, befürchte, dass mit dieser Regelung auch die interkommunale Zusammenarbeit erschwert werde, wenn die Leistungen, die für eine andere Stadt erbracht werde, mehrwertsteuerpflichtig und damit teurer werde. "Und das ausgerechnet in einer Zeit, in der die Kommunen aufgrund der demographischen Entwicklung immer mehr zu gemeinsamen Projekten gezwungen sind."

Ob die EU-Richtlinie zu den Dienstleistungskonzessionen tatsächlich umgesetzt wird, ist nicht sicher, aber wahrscheinlich. Der Entwurf, den die EU-Kommission erarbeitet hat, muss vom EU-Parlament als Gesetz beschlossen werden. Der Bayerische Städtetag zumindest will daher verstärkt Lobbyarbeit betreiben und auf die EU-Parlamentarier einwirken. "Zumindest in Deutschland, Österreich und Teilen Italiens ist es parteiübergreifend Konsens, dass die neuen Regelungen überflüssig sind", sagt Maly. Auch die Parlamentarier der übrigen Nationen will der Städtetag überzeugen. "Wir verlangen nicht mehr, als Respekt vor unserer öffentlich-rechtlichen Struktur der Daseinsvorsorge." Die Städte und Gemeinden hätten ihre Wasserversorgung bislang hervorragend betrieben, dies solle auch so bleiben. "Schließlich handelt es sich beim Wasser nicht um ein x-beliebiges Gut, sondern um das Lebensmittel schlechthin", sagt Ulrich Maly.

Wir verlangen nicht mehr, als den Respekt vor unserer öffentlich-rechtlichen Struktur der Daseinsvorsorge.

Dr. Ulrich Maly, Vorsitzender des Bayerischen Städtetages


Stadtoberhäupter tagen in Marktredwitz

Mit Gastgeberin Dr. Birgit Seelbinder haben in Marktredwitz 19 Oberbürgermeister und Bürgermeister aus Oberfranken getagt. Wichtigster Punkt waren die Liberalisierungspläne der EU, die auch die Kommunen betreffen. Die Marktredwitzer Oberbürgermeisterin nutzte das Treffen auch dazu, den Gästen die Große Kreisstadt vorzustellen. "Es ist mir immer ein Anliegen, Marktredwitz und die Region in einem guten Licht zu zeigen." Sie, Seelbinder, sehe in der Gremienarbeit, etwa im Städtetag, immer auch einen Nutzen für Marktredwitz.


Autor

Bilder