Wunsiedel - Die bayerischen Landtagsabgeordneten laben sich im Landtag immer mal wieder an regionaltypischen Mahlzeiten. Hoppelpoppel und Schnepfendreck wird für die meisten allerdings neu sein. Die Wunsiedler Foodstylistin Beate Roth kredenzt die Speisen, bei denen es sich um Fingerfood aus der Zeit Jean Pauls handelt, am Mittwochabend im Foyer des Landtags. Ab 20 Uhr dreht sich hier alles um den bedeutendsten Sohn Wunsiedels.

"Wir werden den Abgeordneten das Programm des Jean-Paul-Jahres vorstellen. Dazu gibt es passend den Schnepfendreck und obendrein zwei Lieder, die ebenfalls Beate Roth singen wird", sagt Dr. Peter Seißer. Über ihre besondere Beziehung zum Verfasser des Schulmeisterleins Wutz oder des Siebenkäs schwärmen am Mittwoch im Landtag auch Luisenburg-Intendant Michael Lerchenberg und der ehemalige Ministerpräsident Günther Beckstein. Wie die Vorgenannten, gehört Seißer als Kurator dem Verein Jean Paul 2013 an, der bundesweit das Gedenken an den 250. Geburtstag organisiert. Der ehemalige Landrat begrüßt am Mittwochabend in der Landeshauptstadt die Gäste aus Politik und Medien und stellt dabei auch die Stadt Wunsiedel vor. "Die Landtagsabgeordneten sind wichtige Multiplikatoren, deshalb ist es eine hervorragende Gelegenheit, ihnen im stilvollen Ambiente Jean Paul näher zu bringen."

In ganz Deutschland erinnern im kommenden Jahr Literaturfreunde an den "vergessenen Klassiker". Obwohl Jean Paul einst ähnlich bedeutend war wie Goethe und Schiller, wird er wegen seiner etwas verschlungenen Sprache fast nur von Kennern gelesen. Im Lesekanon der Schulen fehlt Jean Paul ebenso wie in den meisten Buchhandelsregalen. Dies zu ändern ist eines der Anliegen des Jean-Paul-Vereins.

In Wunsiedel etwa, kommt 2013 niemand an Jean Paul vorbei. Die Geburtsstadt des großen Dichters bietet laut Seißer das größte und bunteste Jean-Paul-Programm bundesweit. "Es wird 30 Veranstaltungen geben, von der Eröffnung des Jean-Paul-Zimmers im evangelischen Gemeindehaus bis hin zur Aufführung eines Jean-Paul-Luisenburg-Stückes, das der Tirschenreuther Autor Werker Fritsch schreibt." Auch die Laienbühnen, die Musikschule oder die Schulen würden das Werk des Klassikers interpretieren. Dazu kommen Lesungen, unter anderem am bundesweiten Jean-Paul-Lesetag (29. Juni) und Konzerte.

Nicht verwirklichen konnte der Verein die Herausgabe einer Jean-Paul-Briefmarke. "Hier ist uns der 200. Geburtstag von Richard Wagner dazwischengekommen. Die Deutsche Post bringt eine Wagner-Marke auf den Markt und will mit Jean Paul nicht eines weiteren Künstlers aus Oberfranken gedenken", sagt Seißer. Dafür werde allerdings am 21. März im evangelischen Gemeindehaus ein Sonderpostamt eingerichtet, das Ersttagsstempel ausgebe. An diesem Tag, dem Geburtstag Jean Pauls, wird zur Geburtsstunde um genau 1.30 Uhr das Jean-Paul-Zimmer eingeweiht. Auch über diese Aktion berichtet Seißer den Landtagsabgeordneten.

Wenn der ehemalige Landrat über Jean Paul spricht, klingt ein Hauch Begeisterung mit. Es ist keine rein intellektuelle Liebe zum Werk des Wunsiedler Künstlers. "Nein, die Texte Jean Pauls haben mich seit meiner Jugend begleitet, ich beschäftige mich seit 55 Jahren damit." Klar, eine Ecke in Seißers Privatbibliothek ist Jean Paul gewidmet. Auch besitzt er mehrere Porträts von ihm.

Als wohl einer der wenigen Wunsiedler hat Seißer sämtliche Werke Jean Pauls gelesen. "Zugegeben, nicht immer eine einfache Lektüre, aber eine lohnende." Außer den literarischen Texten hat sich der ehemalige Landrat auch die zahlreichen editieren Briefe Jean Pauls einverleibt. Mit der Kenntnis der Gedankenwelt Jean Pauls und dem fundierten regionalgeschichtlichen Wissen ist Seißer der ideale Mitautor des Jean-Paul-Atlasses, der 2013 erscheint. "Ich bin für das Kapitel Jean Pauls Wunsiedel zuständig."

Zunächst wird Seißer aber in München für den Dichter und seine Geburtsstadt werben, die Jean Paul als klein, aber licht und gut bezeichnete. "Mit lichte Stadt meinte Jean Paul übrigens erleuchtete Stadt", erklärt Seißer.

Zugegeben, nicht immer eine einfache, aber eine lohnende Lektüre.

Dr. Peter Seißer über Jean Pauls Werk


Ein Nachfahre

Der frühere Wunsiedler Landrat Dr. Peter Seißer ist nicht nur ein Jean-Paul-Verehrer, er ist auch mit dem Dichter verwandt. "Ich habe Ahnenforschung betrieben und entdeckt, dass Jean Paul und ich einen gemeinsamen Vorfahren haben. Der lebte, von mir aus gerechnet, vor 16 Generationen und von Jean Paul aus betrachtet vor acht Generationen. Das ist schön zu wissen, aber sicher gibt es in Wunsiedel etliche Menschen, die ebenso mit Jean Paul verwandt sind."