Kulmbach - Die "WortSchatzTruhe - Vergangenheit küsst Gegenwart" - das neueste Werk des Literaturvereins - ist ab sofort erhältlich. Unterschiedlichste Texte von fünf Autoren und diverse Briefe aus einem Zeitraum von über 130 Jahren enthält der 120 Seiten starke Sammelband. "Wir wollen damit alte Texte bewahren und der Öffentlichkeit zugänglich machen", erklärt Andrea Senf, die als Projektleiterin für die Zusammenstellung des Buches verantwortlich ist.

Ein Zeitungsartikel im Jahr 2010 über den aus Krögelstein stammenden Johann Krasser brachte Andrea Senf auf die Idee, ein Buch über alte Geschichten herauszugeben. Über Jahrzehnte hinweg schrieb der 88-Jährige heitere, aber auch ernste Geschichten aus Oberfranken, aber vorwiegend aus Krögelstein auf, um sie der Nachwelt zu erhalten. Mehrere Ordner kamen im Laufe der Zeit zusammen.

"Ich habe mir gedacht, es wäre doch eine tolle Sache, diese literarischen Schätze, die bestimmt in vielen Haushalten versteckt sind, aufzustöbern und ein Archiv aufzubauen, das zeigt, was die Menschen in unserer Gegend aufgeschrieben haben und erhalten wollen. Schon damals hatte ich auch den Gedanken, einen Teil der Texte vielleicht in Form eines Buches der Öffentlichkeit zugänglich zu machen", erzählt die Kulmbacherin. Mittlerweile verfügt das Archiv über eine reichhaltige Sammlung an Gedichten und Geschichten, Dialektdichtung, Briefe, Tagebücher, Poesiealben und vieles mehr. "Wir haben bisher viele schöne Texte und sogar welche vererbt bekommen", freut sich Andrea Senf.

Es war vor allem die Begegnung mit Johann Krasser, der damals im Bürgerspital lebte und mittlerweile verstorben ist, die Andrea Senf ermutigte, ihre Idee zu verwirklichen. "Ich habe ihn damals zusammen mit Michael Asad besucht. Johann Krasser konnte nicht mehr reden und wir haben über seine Sozialpädagogin Silvia Bauernfeind den Kontakt zu ihm hergestellt. Sie hat uns erzählt, dass er jemanden sucht, der seine Ordner übernimmt. Ich habe ihm nach dem Lesen mehrerer Texte versprochen, dass ich mich darum kümmere. Die Dankbarkeit, die aus den Augen von Krasser sprach, werde ich nie vergessen. Er hat mir die Ordner spontan mitgegeben und ich habe ihn danach immer unterrichtet, wie es mit seinen Texten weitergeht. Mehrmals hat er sogar Stammtischabende des Literaturvereins im Badhaus besucht und er ist dem Verein beigetreten", berichtet Andrea Senf.

Über einen Aufruf und Mundpropaganda haben sich in der Folge immer mehr Leute an Andrea Senf gewandt, die alte Texte hatten. "Viele Gespräche begannen mit dem gleichen Satz: ,Ich weiß nicht, ob das interessant für Sie ist.' Die Leute brauchen sich keine Gedanken machen, dass wir ihre Texte vielleicht für minderwertig halten. Es geht uns darum, die Texte als Zeitzeugnisse zu erhalten", betont die Projektleiterin.

Zahlreiche der eingesandten Manuskripte waren handschriftlich in der altdeutschen Schrift verfasst worden. Senf wandte sich deshalb an Klaus Köstner, Mitglied im Literaturverein, der diese Schrift nicht nur lesen kann, sondern sie als Lehrer an der Volksschule in Wilhelmsthal seinen Schülern sogar noch beibrachte. "Manche Sachen waren einfach zu entziffern, andere dagegen ziemlich schwer. Bei manchen Texten musste ich aus Passagen, die zu lesen waren, eine Liste mit Buchstabenverbindungen anlegen, um auch den Rest des Textes zu entziffern", verrät Köstner, den seine Frau Friederike bei der Arbeit unterstützte. "Das war ein ganz schöner Zeitaufwand. Da blieb der Fernseher für ein paar Abende aus", meint Andrea Senf schmunzelnd. Klaus Köstner "übersetzte" die Texte am Computer in die lateinische Schrift.

"Das hat auch ungemein Spaß gemacht und war sehr interessant, in die Denkweise der Leute vor hundert oder mehr Jahren Einblick zu bekommen. Das war eine ganz andere Zeit mit ganz anderen moralischen Einstellungen, in der die Menschen ihre Kinder mit Briefen einfach auf den rechten Weg bringen wollten", gibt Klaus Köstner preis.

"In vielen Texten spiegelt sich die Achtung vor der Natur, den Geschöpfen und den Menschen wider. Auch die klassischen Geschlechterrollen von Mann und Frau findet man in vielen Texten. Die Kinder haben damals ihre Eltern noch mit Sie angeredet. Heute kann man es kaum noch nachvollziehen, wenn beispielsweise ein Vater seinem Sohn einen Brief in Gedichtform schrieb", ergänzt Andrea Senf. Die bisher ältesten Dokumente, die aus dem Jahr 1880 stammen, fand eine Verwandte von Andrea Senf auf ihrem Dachboden. Es handelt sich dabei um Gedichte, die mit Friedrich Huther unterschrieben waren. "Erich Olbrich fand im Stadtarchiv heraus: Es handelt sich dabei vermutlich um den Mann, nach dem die Huthergasse benannt ist", freut sich Senf.

Ihr Dank gilt Wolfram und Katerina Stutz für das Korrektur lesen und das Setzen der Texte und deren Sohn David für die Covergestaltung des Buches. Wolfram Stutz hat zudem ein Vorwort verfasst. Andrea Senf ist froh, dass diese intensive Arbeit nach drei Jahren mit dem Buch abgeschlossen werden konnte.

Sie hofft, dass das Buch bei den Kulmbachern gut ankommt, denn sie würde gerne einen weiteren Band folgen lassen. Texte hierfür hat sie bisher noch genügend. Wenn so viele Bücher verkauft sind, dass die Kosten gedeckt sind, soll der restliche Erlös der Sanierung des Pühn-Grabes auf dem alten Friedhof zur Verfügung gestellt werden.

Es geht uns darum, die Texte als Zeitzeugnisse zu erhalten.

Projektleiterin Andrea Senf


Es war sehr interessant, in die Denkweise der Leute vor hundert und mehr Jahren Einblick zu bekommen.

"Übersetzer" Klaus Köstner


Weitere Texte gesucht

Der Literaturverein erwägt, ein weiteres Buch mit alten Texten und Briefen zu veröffentlichen, sofern der Verkauf des jetzt vorgestellten Bandes gut läuft.

Wer alte Texte, ob als Originale oder als Kopien, dem Literaturverein zur Verfügung stellen möchte, kann sich mit Andrea Senf in Verbindung setzen per E-Mail unter andrea.senf@gmx.de oder unter Telefon 0176/ 932 797 14 .

Die Texte sollten mit Franken, vorzugsweise Oberfranken, zu tun haben. Die Besitzer müssen dabei lediglich die Rechte an den Literaturverein abtreten, die Texte kostenlos veröffentlichen zu dürfen.


Der Verkauf

Der Band "WortSchatzTruhe - Vergangenheit küsst Gegenwart" ist im Verlag "Leben in der Sprache" von Wolfram Stutz erschienen und ist für acht Euro in der Unteren Apotheke erhältlich.