Kunst und Kultur Das Festival als seine eigene Marke

Von Stephan Stöckel und
Beim Bart des Zeus: Die Jungs von "Planet Of Zeus" aus Griechenland verstehen es zu rocken. Links Stelios Provis, rechts Babis Papanikolaou. Foto: Stephan Stöckel Quelle: Unbekannt

Superlative her! Perfekte Organisation. Hervorragendes Wetter. Beste Stimmung. Das Festival "Rock im Wald" hat einen Volltreffer verbucht.

 
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Neuensee - Das Konzept der Leute von "Rock im Wald" trifft einfach passgenau in eine Marktlücke. Eigentlich sogar in zwei: Es gibt da draußen eine ganze Menge Menschen, die sich von harter Rockmusik angezogen fühlen - die sich aber nicht unbedingt als Metaller, Punks oder Hardcore-Freaks verstehen, sondern am liebsten von allen Welten etwas mitnehmen. Und es leben unter uns Mitbürger, denen Massenwahn suspekt ist und die nicht Zehntausende neben sich brauchen, um sich wohl zu fühlen.

Das Festival "Rock im Wald" in Neuensee, erfüllt beide Wünsche gleichermaßen. Und so standen zwei Tage lang der perfekt vorbereitete Sportplatz und angrenzende Flächen ganz im Zeichen des Rock 'n' Roll und erfüllten das gesamte Örtchen und dessen tolerante Bewohner mit lautem, glasklaren Sound. 2500 Fans aus nah und fern feierten friedlich und was das Zeug hielt, ihre Helden ab. Ausverkauft war das deutschlandweit beachtete Event, das längst seine eigene Marke geworden ist, bereits seit Wochen.

"Cannahan" aus Bamberg zeigte gleich zum Auftakt am Freitag, für welche Bandbreite "Rock im Wald" mittlerweile steht. Den Jungspunden ist es ziemlich egal, ob man sie Hardrock oder Grunge, Blues oder Stonerrock zuordnet. Hauptsache es knallt ordentlich. Und das tat's. Danach folgten am Freitag sechs Bands, die allesamt aus Schweden stammten. Zufall oder nicht - es zeigt, dass unser nördlicher Nachbar ein Abo auf international konkurrenzfähigen harten Rock besitzt, der gern mal dreckig klingt, mal sirupschwer und auch schon mal beklemmend - auf jeden Fall aber treibend und jeden packend. Das begann mit "Honeymoon Disease", die sich mit kernigen Hooklines, femininen Gesang und Seventies-Riffs sofort in die Herzen des Publikums spielten. Dies wurde fortgesetzt mit den okkulten "Year of the Goat" , deren schaurig-schöne Songs mit von einem Mellotron unterstützten Gitarrenbreitwänden getragen werden. Und das fand einen ersten Höhepunkt in den Thin-Lizzy-Verehrern "Dead Lord", die nicht nur mit starken Songs, sondern auch mit feinster Show punkten konnten. Die Crowd war zu diesem Zeitpunkt längst auf Betriebstemperartur. Wer dachte, besser kann's eigentlich nicht mehr werden, hatte sich getäuscht. Die Band "Bombus", sozusagen die punkigere Version von Motörhead, trumpfte anschließend mit einem kernigen Live-Set auf, dass keine Wünsche offen ließ - außer denen nach weiteren Zugaben vielleicht. Und "Imperial State Electric", die bunte Truppe um Kult-Figur Nicke Andersson ("Entombed", "The Hellacopters" und andere) wissen selbstverständlich, wie man mit rock'n'rolligen-Mitteln das Publikum hypnotisiert. Doch auch da wurde zum Freitag-Abschluss noch einer draufgesetzt. "Graveyard" aus Göteborg, haben nicht nur einen perfekt wiedererkennbaren Sound gefunden, der sich aus Garage Rock ebenso speist wie aus Classic Rock, sondern haben mit Joakim Nilsson einen Sänger, der frappierend an Robert Plant erinnert. Und die Jungs schreiben Songs, denen die Bezeichnung "Hits" absolut zusteht. Fürs Publikum gab's kein Halten mehr.

Die Reduktion auf das Riff, auf Musik ohne Gesang, auf den kompakten Rhythmus und das klassische Muster, also auf das Grundsätzliche - für all das steht anfangs der zweite Tag von "Rock im Wald" mit Trios und Duos wie "Dead And Stoned" aus Kulmbach, "Mother Engine" aus Plauen und "White Miles" aus Österreich und "Mantar" aus Bremen. Die Zuhörer wissen dass instrumentale Können heftig kopfnickend wertzuschätzen.

Hanno, ein hagerer Mann mit heiserem Organ, grollt, keift, spuckt und zürnt sich die Seele aus dem Leib. Erinc, das Energiebündel hinter der Schießbude, erzeugt Rhythmen, die wie ein Schlag in die Magengegend wirken. Massive Sounds aus schroffen und schrillen Riffs erfüllen die Luft. "Mantar" sind die heftigste Band an beiden Festivaltagen. Diese Musik ist sicher nicht jedermanns Ding, jedoch nach dem Geschmack vieler im Stadion. Und sie wird zum Antrieb für alle, die sich im Mosh-Pit austoben wollen. Katharsis pur.

Griechenland ist Samstagnachmittag mal nicht Quell der Depression, sondern von Freude und Labsal. "Planet of Zeus" avancieren mit wuchtig-eingängigem Boogie-Rock zum ersten großen Stimmungshöhepunkt. Das famose norwegische Quartett "Spidergawd", das zur Hälfte aus der "Motorpsycho"-Rhythmusabteilung besteht, gönnt sich einen Saxophonisten als zusätzliche Schubkraft, "Uncle Acid & The Deadbeats" aus dem englischen Cambridge lassen einen atmosphärisch dichten Düsterrocksound mit markanter Kopfstimme vom Stapel, ehe dann Katharsis Nummer zwei folgt: Angeführt von Rampensau Erlend Hejlvik, der sich eine Surf-Runde auf dem Publikum gönnt, entfacht die norwegische Gruppe "Kvelertak" einen ganz eigenen aggressiven nichtsdestotrotz melodischen Sound, der irgendwo zwischen Punk 'n' Roll und Black Metal angesiedelt ist. Die Musiker aus dem hohen Norden sorgen für den gelungenen Schlussakkord eines ebenso gelungenen zweiten Festivaltages. Das Publikum tobt.

"Wir haben aus der Vergangenheit gelernt und Kritikpunkte abgestellt", formuliert Christian Sünkel von "Rock im Wald" sein Fazit auf die ihm typische, bescheidene Art. Doch so viel, was es noch zu verbessern gäbe, fällt ihm dann selbst nicht mehr ein. Wie es weitergeht mit "Rock im Wald" kann er so kurz nach Abschluss des Festivals noch nicht sagen - nur dass es sicherlich eine Neuauflage geben wird. Und auf die darf man nach den zwei tollen Tagen jetzt noch gespannter sein.

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