Fichtelgebirge Wirbel um Beginn der zweiten Fremdsprache

Ab der fünften Klasse Englisch - schon in der sechsten kommt Französisch oder Latein dazu: Diese Regelung aus dem G 8 will das bayerische Kultusministerium auch im neuen G 9 beibehalten. Etliche Eltern plädieren für ein Jahr mehr Luft dazwischen, wie früher im neunstufigen Gymnasium. Foto: pr

Latein oder Französisch sollen im neuen G 9 weiter in der sechsten Klasse starten. Eltern aus dem Kreis Wunsiedel protestieren in einer Petition dagegen, Schulleiter bleiben neutral.

 
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Marktredwitz/Wunsiedel - An der Rückkehr zum G 9 zweifelt in Bayern kaum einer mehr, seit Ministerpräsident Horst Seehofer sich Mitte März für neun Klassen bis zum Abitur samt Überhol-Möglichkeit ausgesprochen hat. Doch kaum sind erste Eckpfeiler des Konzepts bekannt, hagelt es Kritik. Denn Planungen des Kultusministeriums zufolge sollen Gymnasiasten auch im künftigen G 9 bereits in der sechsten Klasse die zweite Fremdsprache dazubekommen - genau wie im bisherigen G 8.

Eltern laufen in Internet-Foren Sturm gegen dieses Vorhaben, Elterngruppen aus dem Landkreis Wunsiedel rufen auf Whatsapp dazu auf, eine offene Petition für die Einführung der zweiten Fremdsprache in der siebten Klasse - wie früher im neunstufigen Gymnasium - zu unterschreiben. Holger Nachtigall, Initiator dieser Petition, ist Lehrer, Schulpsychologe und Vater von vier schulpflichtigen Kindern.

"Kein großes Problem" sieht der Leiter des Marktredwitzer Otto-Hahn-Gymnasiums, Stefan Niedermeier. "Momentan halten sich die Befürworter und die Gegner die Waage." Viele Kinder kämen in der sechsten Klasse mit der zweiten Fremdsprache gut zurecht, sagt Niedermeier. "Aber der eine braucht länger, der andere nicht - es gibt es zwei Welten." Man könne es leider nicht für jeden passend machen. Daher rät der Schulleiter, die endgültige Entscheidung des Kultusministeriums entspannt abzuwarten.

Wichtiger sei, dass sich der bayerische Landtag endlich zum Thema G 8/G 9 festlege, findet der OHG-Leiter: "Ich warte und warte - doch es gibt immer noch keinen validen Parlamentsbeschluss. Das ärgert mich."

Positiv an der geplanten Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium findet Niedermeier, dass es kaum mehr lange Nachmittage geben soll. Dies entlaste vor allem Schüler vom Land, die auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen seien. Denn im G 8 kämen manche Mädchen und Jungen teilweise erst abends nach Hause. "Künftig sind die Kinder wieder öfter zwischen 13 und 14 Uhr daheim."

Anders als der Schulleiter nennen Petitions-Befürworter die zweite Fremdsprache in der sechsten Klasse einen "großen Fehler des G 8" und fordern die Rückkehr zur siebten Klasse - wie früher im G 9: "Schulpsychologen und Beratungslehrer, die sich um Schüler mit Lernschwierigkeiten kümmern, wissen, dass die Haupt-Problemfelder in der Unterstufe des G 8 die beiden Fremdsprachen darstellen."

Katrin Meindl, Mutter eines Sohnes, der im Marktredwitzer Otto-Hahn-Gymnasium die siebte Klasse besucht, und einer Viertklässlerin, bestätigt diese Argumentation. "Im Gymnasium geht es in der fünften Klasse mit Englisch voll los", sagt die Leutendorferin. Nach einem einzigen Schuljahr seien weder Lernabläufe noch Grammatikkenntnisse gefestigt genug, um in der sechsten Klasse eine weitere Fremdsprache zu bewältigen. Etliche Sechstklässler täten sich damit sehr schwer. "Kinder wollen nicht nur pauken, die wollen auch mal Freunde treffen oder Fußball spielen", sagt die Mutter.

Fremdsprachen- sowie Beratungslehrer, Schüler und Eltern beobachteten, dass Kinder nach der fünften Klasse in der ersten Fremdsprache noch nicht gefestigt seien, heißt es auch in der Petition: Komme in der sechsten Klasse gleich eine weitere Fremdsprache dazu, gerieten Schüler mehrheitlich in der ersten Fremdsprache ins Wanken - hätten aber noch kein Lernverhalten entwickelt, das stabil genug sei, die zweite Fremdsprache konsequent zu erlernen und eine stabile Basis zu bilden, argumentiert Holger Nachtigall.

"Keine Präferenz" für einen früheren oder späteren Beginn der zweiten Fremdsprache äußert hingegen Joachim Zembsch, Leiter des Luisenburg-Gymnasiums in Wunsiedel: "Es gibt gute Gründe für das eine wie für das andere." Falsch sei jedoch, dass der Start der zweiten Fremdsprache erst mit Einführung des G 8 im Schuljahr 2004/2005 in die sechste Klasse verlagert worden sei - dies sei teilweise schon vorher im neunstufigen Gymnasium passiert.

Aktuell müssen sich Gymnasiasten schon Mitte der fünften Klasse für Latein oder Französisch entscheiden. Wer in Marktredwitz französisch wähle, sei also wenige Monate nach seinem Start auf der weiterführenden Schule bereits auf den naturwissenschaftlich-technischen Zweig festgelegt - bevor er im geringsten einschätzen könne, ob ihm die Fächer Physik- und Chemie lägen, kritisiert Katrin Meindl.

"Für einen Zehnjährigen ist eine solche Entscheidung ebenso groß wie für einen Elfjährigen", hält Schulleiter Niedermeier dagegen. Kinder könnten durchaus einschätzen, wo ihre Begabungen liegen: Es sei Sache der Eltern und der Schule, dann unterstützend zu beraten.

Die Wahlmöglichkeiten hingen davon ab, welche Zweige ein Gymnasium anbiete, sagt Schulleiter Joachim Zembsch. In Wunsiedel könne sich ein Kind, das Französisch nehme, in der siebten Klasse noch zwischen dem wirtschaftswissenschaftlichen und dem naturwissenschaftlichen Zweig entscheiden.

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