Hof Es zählt die Freude am Sport

Thomas Schuberth-Roth
Die Special Olympics Bayern veranstalteten im Jahr 2014 am Hofer Untreusee schon einmal einen Kanu-Schnupperkurs für Menschen mit Behinderung (unser Archivfoto). Quelle: Unbekannt

Wenn Stephanie Gebhardt durch Hof geht, sieht sie sich oft lachend auf einem der riesigen Plakate, die überall in der Stadt hängen. Die Athletin ist eines der vier Gesichter, die für die Special Olympics stehen und werben.

 
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Hof - Seit März trainiert sie für die Special Olympics. Ein Mal pro Woche. Im Bowlingcenter nahe dem Hofer Untreusee. Stephanie Gebhardt hat kaum ein Training versäumt. Die 24-jährige Hoferin will im Wettbewerb schließlich eine gute Rolle spielen. So wie in ihrer Paradedisziplin, dem Kanufahren.

Ausgerechnet dafür aber haben sich zu wenige Teilnehmer gemeldet, sodass die junge Athletin umdisponieren, die Sportart wechseln musste. Nun also Bowling. Denn wieder mitmachen wollte sie in jedem Fall, wenn die Special Olympics Bayern in ihrer Heimatstadt stattfinden. Das olympische Motto "Dabei sein ist alles" gilt mehr denn je bei diesen Wettbewerben, wo sich Sportler mit geistiger oder mehrfacher Behinderung messen. Stephanie drückt es so aus: "Ich will schon gewinnen. Aber wenn ich verliere, ist es auch nicht schlimm." Das Wichtigste sei ihr, in der Gemeinschaft zu sein und Spaß zu haben.

Vor 24 Jahren kam Stephanie mit einem Down-Syndrom zur Welt. Ihre geistige Behinderung sollte sie in ihrem sportlichen Tatendrang nicht bremsen. Seit 2006 ist sie Stammgast bei den bundesweiten Special Olympics, die im Zwei-Jahres-Rhythmus stattfinden. Stephanie war in Berlin, Karlsruhe, München, Bremen und Düsseldorf. Immer an ihrer Seite: Mutter Ines.

Angefangen hat alles im Jahr 2002. Da begleitete sie ihre ein Jahr jüngere Schwester Melanie zu einem Kanu-Schnupperkurs des Hofer Faltbootclubs. Melanie paddelte im Kajak, und Stephanie stand am Ufer und sah zu. Günther Meyer, der Trainer, entdeckte rasch das große Talent in Melanie. Sie blieb dem Sport treu und entwickelte sich zu einer der besten deutschen Kanutinnen, nahm an Europa- und Weltmeisterschaften teil. 2016 wird sie sogar Weltmeisterin im deutschen Kajak-Vierer. Zu gern wäre sie auch zu den Olympischen Spielen nach Rio gereist, aber dafür konnte sie sich nicht qualifizieren. Noch nicht, aber sie hat nun Tokio 2020 fest im Visier.

Es sind zwei sportliche Schwestern im Haus Gebhardt und jede holt - nach ihren Möglichkeiten - das Beste aus sich heraus. Auch Stephanie wechselte nach wenigen Monaten vom sicheren Ufer ins schwankende Kajak. Das Training gehört in der Förderschule am Therapeutisch-Pädagogischen Zentrum in Hof zum täglichen Pensum - zumal vor großen Wettbewerben. "Sie ist da in den Kanusport richtig reingewachsen", sagt ihre Mutter. Und Stephanie gefällt es auf dem Wasser. "Drei Mal die Woche fahre ich sie heute zum See. Wenn es mal nicht klappt, dann fehlt ihr was", sagt Mutter Ines Gebhardt.

Seit drei Jahren ist Stephanie nicht mehr in der Förderschule. Sie arbeitet in den Hochfränkischen Werkstätten. Ihr Tag ist länger geworden. Schon vor sieben Uhr morgens kommt der Bus, der sie zu ihrer Arbeitsstätte am Hofer Südring bringt. Um 16.30 Uhr kommt sie wieder nach Hause. Nur eine halbe Stunde später geht es los zum Training. Es ist nicht so sehr der Wunsch, sich verbessern zu wollen, der sie treibt: Nicht höher, schneller, weiter ist Stephanies erste Motivation, es ist die Freude, gemeinsam mit anderen Sport zu treiben. Ines Gebhardt: "Das ist das Schöne bei den Wettbewerben der Behinderten. Sie freuen sich, auch wenn sie neben dem Siegertreppchen stehen."

Dabei stand Stephanie beim Sammeln von Medaillen ihrer Schwester Melanie kaum nach. Im Gegenteil: Stephanie kennt das Gefühl oben zu stehen. Und das nicht nur bei nationalen Behinderten-Wettbewerben. Den Höhepunkt ihres Sportlerlebens markieren die Special-Olympics-Welt-Sommerspiele 2011 in Athen. 7500 Athleten kämpften hier um Medaillen. Und Stephanie gewinnt jeweils eine silberne über 200 Meter und 500 Meter Kajak. "Das war ein tolles Erlebnis", betont ihre Mutter.

Doch das ist Vergangenheit. Stephanie lebt in der Gegenwart. Und da geht es jetzt ums Bowling. Ihre Leistung hier kann weder sie selbst noch ihre Mutter richtig einschätzen. Am morgigen Donnerstag steht erst einmal die Qualifikation für die Endrunde auf dem Programm. 47 Bowlingspieler sind gemeldet. Wo sich Stephanie am Ende einordnet, ist offen. Sie sieht das aber völlig entspannt. "Ich werde nicht traurig sein, wenn es nicht mit einer Medaille klappt", sagt sie.

Dass ihre Mutter morgen und am Samstag ausnahmsweise nicht als Zuschauerin an ihrer Seite mitfiebert, macht Stefanie nichts aus. Ines Gebhardt ist als eine von zahlreichen Helfern bei den Special Olympics eingeteilt. Und auch ihre Schwester Melanie kann nicht dabei sein; zeitgleich zu den Special Olympics in Hof startet sie im bulgarischen Plovdiv bei den Kanu-Europameisterschaften. Stephanie wird sich auch ohne die beiden in ihrer Gruppe zurechtfinden. Und Spaß haben. Egal, was am Ende herausspringt.

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