Marktredwitz Versteckt unter Leichen

Von Günter Rasp
Vom Holocaust berichtete Zeitzeuge Josef Jakubowicz den Schülern des Otto-Hahn-Gymnasiums in Marktredwitz. Foto: Rasp

Zeitzeuge Josef Jakubowicz berichtet Marktredwitzer Gymnasiasten vom Völkermord der Nazis in den Konzentrationslagern. Der 88-Jährige wurde 1940 deportiert und musste Zwangsarbeit leisten.

 
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Marktredwitz - Der Terror der Nationalsozialisten ist für die meisten Schüler nur ein Kapitel im Geschichtsbuch. Welche Gräuel sich damals ereigneten, haben die elften Klassen des Otto-Hahn-Gymnasium aus erster Hand erfahren. Zeitzeuge Josef Jakubowicz erzählte ihnen von seinem Leidensweg in deutschen Lagern.

Jakubowicz ist einer der wenigen, die dem Holocaust entkommen sind. Gemeinsam mit Birgit Mair, Buchautorin, Referentin und Moderatorin der Zeitzeugengespräche, stand er den Schülerinnen und Schülern Rede und Antwort.

Birgit Mair begann mit der Vorstellung Josef Jakubowiczs, der 1925 in einer jüdischen Familie als jüngstes von vier Kindern in Auschwitz geboren wurde und dort aufwuchs. Mit sechs Jahren kam er in die Volksschule und wechselte mit zehn Jahren auf das Gymnasium. Nach dem deutschen Überfall und der Besetzung Polens, durfte Josef nicht mehr zur Schule gehen. Das Wohnhaus und die Fabrik seiner Eltern wurden abgerissen. "Alle Kinder meiner 34 Mitglieder zählenden Familie sind umgekommen", erzählte Jakubowicz. Auch seine drei Schwestern wurden ermordet.

Jakubowicz selbst musste für die deutschen Besatzer Zwangsarbeit leisten. Nur aufgrund eines glücklichen Umstands sei er nicht in ein Vernichtungslager deportiert worden. Von 1940 bis 1945 war der junge Mann zur Zwangsarbeit für deutsche Industriebetriebe im Straßenbau und in Fabriken eingesetzt. Die Nächte habe er häufig in offenen Waggons bei minus 30 Grad verbracht. Es sei reines Glück, dass er das überlebt habe. Einmal habe er flüchten wollen. Dazu habe er mit einem präparierten Löffel die Bretter des Wagens durchgesägt, wurde aber wieder gefangen.

Jakubowicz überlebte die Zwangsarbeitslager für Juden in Annaberg, Breslau-Neukirch sowie die Konzentrationslager Groß-Rosen, Flossenbürg, Mittelbau-Dora und Bergen- Belsen. Dort wurde er am 15. April 1945 von Soldaten der britischen Armee befreit. Kurz vor dem Einmarsch der Engländer habe er sich mit dem Gesicht nach unten unter die Toten am Straßenrand gelegt und sei so gefunden worden. Seit dem Kriegsende lebt er in Nürnberg. Erst 1998 begann Josef Jakubowicz über seine Erlebnisse zu erzählen.

In einer erschütternden Dokumentation sprach der Zeitzeuge über die Gräuel, die ihm und seinen Landsleuten zugefügt wurden. Bilder von Massengräbern, von bis auf das Skelett abgemagerten Leichen und geschundenen und ermordeten Menschen sorgten für betretene Gesichter bei den Elftklässlern. Selbst geringe Verstöße gegen die Lagerordnung konnten fürchterliche Konsequenzen nach sich ziehen, berichtete Jakubowicz. Schon für eine nicht richtig aufgesetzte Mütze erhielten die Gefangenen 20 Stockhiebe auf das Gesäß - oder wurden gleich getötet. Die Wachmannschaften waren Herr über Leben und Tod, die für ihre Taten keine Strafe erwarten konnten.

Am Schluss seiner Ausführungen appellierte der 88-Jährige an die anwesenden Schüler, dass sich Derartiges nie mehr wiederholen dürfe. Nur wer dabei war und das Glück hatte, mit dem Leben davonzukommen, der könne beurteilen, wie schlimm es war.

Und noch etwas gab Jakubowicz den Schülerinnen und Schülern mit auf den Weg: Die heutigen rechtsradikalen Parteien dürfe man auf keinen Fall bagatellisieren.

Derartiges darf sich nie wiederholen.

Josef Jakubowicz


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