Münchberg Ausreißerin folgt ihrem Herdentrieb

Kuh und Kälbchen als Lockvögel: Weil Gerhard Raithel seine Tiere dazugestellt hatte, beruhigte sich das ausgerissene schwarze Galloway-Rind (Bildmitte) und ließ sich schließlich ohne Probleme einfangen. Foto: Siegfried Gottesmann

Nach drei Tagen fängt Landwirt Gerhard Raithel das ausgebüxte Galloway-Rind von Meierhof. Dafür setzt er auf den Instinkt des trächtigen Tieres.

 
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Meierhof/Laubersreuth - "Achtung: Tiere auf der Fahrbahn!": Wer mit einem Navi unterwegs ist, wird sich Anfang April über diese Meldung gewundert haben. Sie warnte Autofahrer auf der Staatsstraße zwischen Münchberg und Helmbrechts. Der Grund dafür waren - wie berichtet - zwei schwergewichtige Galloway-Rinder, die aus einem Stall in Meierhof entwischt waren. Eines musste die Polizei in der Nacht zum 5. April erschießen, doch für das andere Rind gibt es jetzt ein Happy End.

Und das verdankt die Kuh, die übrigens auch noch trächtig ist und zum ersten Mal Nachwuchs bekommt, vor allem dem Laubersreuther Landwirt Gerhard Raithel. Als er die Meldung von dem erschossenen Tier hörte, nahm er sich vor, alles zu tun, damit dieses Schicksal dem anderen Ausreißer erspart bleibt. "Wir haben schließlich selbst Rinder und können da mitfühlen", erklärt der Biobauer. Es kam ihm die Tatsache zu Hilfe, dass verschiedene Leute das Tier immer wieder in einem Waldstück gesehen haben, in dem Orkan Kyrill gewütet hatte. Dort hielt es sich im dichten Buschwerk auf.

Raithel mobilisierte daraufhin etliche Helfer und errichtete mit ihnen zusammen einen elektrischen Weidezaun. So sperrten sie ein Waldstück mit einer Fläche von bis zu fünf Hektar ab. Damit konnte die Kuh zwar nicht mehr raus aus dem Gelände, aber sie war noch zu wild, um sich einfangen zu lassen. Deshalb holte der Landwirt eine seiner Kühe mit ihren Kälbern, damit sich das ausgebüxte Tier beruhigt. "Es war durch die Flucht ziemlich aufgebracht, aber schon als der Zaun stand, ist es sichtlich ruhiger geworden, weil es die Weidehaltung gewohnt ist", erzählt Raithel. Da Rinder Herdentiere sind, habe er auf den Instinkt gesetzt und sein eigenes Vieh dazugestellt. "Normal bleiben Rinder immer zusammen, mich hat es gewundert, dass sich die beiden Ausreißer getrennt hatten."

Raithels Rechnung ging auf: Sein Muttertier mit den Jungen hat das gestresste Galloway-Rind schließlich wieder ganz zur Ruhe gebracht. Zwei Tage verbrachten die Kühe dafür als kleine Herde in dem eingezäunten Areal. Danach ließ sich die Ausreißerin ohne Probleme auf den Hänger führen und abtransportieren. Zurzeit steht sie noch im Stall des Biobetriebs, bis sie wieder zurück zu ihrem Besitzer nach Meierhof kommt. In Gesellschaft von Raithels Fleckvieh fühlt sie sich nach Angaben des Landwirts richtig wohl, auch wenn die Stallgenossen keine Galloways sind. "Rind ist Rind", meint Raithel und freut sich über den guten Ausgang der Flucht.

Auch Dieter Geiger von der Polizeiinspektion Münchberg spricht von einem glücklichen Ende. "Nicht auszudenken, was alles hätte passieren können, wenn das Tier mit seinen geschätzten 600 Kilogramm in ein Auto gerannt wäre." Genau aus diesem Grund haben Polizeibeamte am 4. April gegen 22.30 Uhr eines der ausgebrochenen Rinder erschossen. Es war auf der Staatsstraße zwischen Münchberg und Helmbrechts unterwegs. "Gemeinsam mit dem Halter haben die Beamten versucht, es einzufangen, aber es hat sich einfach nicht beruhigen lassen", berichtet der Hauptkommissar.

Wegen Gefahr in Verzug mussten die Polizisten zur Schusswaffe greifen, erklärt er, denn über ein Betäubungsgewehr verfüge die Polizei nicht. "So etwas braucht Vorlauf, man hätte erst jemanden mit diesem Gewehr organisieren müssen, doch die Zeit hatten wir nicht, wir mussten sofort handeln, bevor Menschen zu Schaden kommen, schließlich ist auch die Autobahn nicht weit."

Der Dienstgruppenleiter bedauert den Tod des Tieres, der aber aus Sicht der Polizei nicht zu vermeiden gewesen sei. "Im ländlichen Raum kommt es eben immer mal vor, dass Tiere ausbrechen." Geiger erinnert sich noch an einen Fall in Mussen, bei dem das Rind ein halbes Jahr lang frei unterwegs war und sich immer wieder im Wald versteckt hatte.

Auch bei der aktuellen Flucht blieb den Beamten nichts anderes übrig, als zu warten, bis das Rind der schottischen Rasse gesichtet wird. Mehrmals sei man vergeblich ausgerückt, weil das Tier beim Eintreffen der Polizei schon wieder verschwunden war. Der Jagdpächter habe ebenfalls die Augen offen gehalten. Außerdem gab es die Verkehrsmeldung als Warnung für alle Autofahrer auf der Staatsstraße. "Man kann in so einem Fall nur wachsam sein und umsichtig fahren - genau wie bei Strecken mit Wildwechsel", erklärt Geiger.

Doch zu einem weiteren Eingreifen der Polizei kam es nicht. Die schwarze Kuh hielt sich meist im Wald auf, weshalb Gerhard Raithel sie mit seinem Weidezaun einfangen konnte. "Uns ist nicht bekannt, dass sie irgendwelchen Schaden angerichtet hat", bilanziert Dieter Geiger und erklärt, dass dafür dann der Besitzer des Tieres hätte haften müsste. Dass es so weit nicht gekommen ist und das Rind wohlauf ist, freut nicht nur den Polizeibeamten, sondern auch ganz besonders seinen cleveren Retter Gerhard Raithel.

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