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Länderspiegel Trauer und Hilflosigkeit im Angesicht der Tragödie

Susanne Sodan

Der Unglücksbus kam aus Löbau in Sachsen. In ihm saßen vornehmlich ältere Menschen aus Brandenburg und Sachsen. Der Busunternehmer ist erschüttert, kann sich die Ursache für die verheerenden Flammen nicht erklären.

 
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Löbau - Das Telefon in Hartmut Reimanns Hand klingelt wieder mal. Er geht zurück ins Haus. Am Telefon sitzen, auf einen Anruf warten, auf Informationen hoffen, das macht er schon den ganzen Tag. Es ist still rund um das weiße Wohnhaus im Löbauer Ortsteil Georgewitz. Direkt nebenan liegt ein großer Parkplatz. Ein paar Busse stehen dort. Zehn Busse hat das Löbauer Reiseunternehmen Reimann, ein Oberlausitzer Familienbetrieb, der vor allem Tagesfahrten anbietet.

Einer dieser zehn Busse steht in diesen Moment, am Montagnachmittag, reichlich 300 Kilometer entfernt auf der A 9 bei Münchberg, vollkommen ausgebrannt. "Es ist alles noch so durcheinander", sagt Hartmut Reimann, als er wieder aus dem Haus kommt. Er wirkt gefasst, aber hilflos. "Es werden noch sechs Menschen vermisst", sagt er.

Zu diesem Zeitpunkt haben die Rettungskräfte bereits elf Leichen aus dem verbrannten Bus geborgen, sechs weitere sind noch nicht identifiziert. Am frühen Montagmorgen, gegen 7 Uhr, ist der Reisebus, der auf dem Weg von der Oberlausitz an den Gardasee war, schwer verunglückt. Er ist in einen vor ihm fahrenden Sattelschlepper gefahren und hat unmittelbar Feuer gefangen. Die Ursachen sind unklar, darüber kann auch Reimann nur spekulieren. "Ich weiß es auch nicht, der Tank ist bei dem Bus jedenfalls vorne", sagt er. Insgesamt saßen im Bus 48 Menschen, 46 Reisegäste und die beiden Fahrer, bestätigt Reimann. Das weiß er genau, er hat der Polizei die Listen gegeben. Der Bus sei gegen 0.30 Uhr in Löbau losgefahren, erzählt er. Noch ohne Fahrgäste. Die ersten nahm der Bus in Weißwasser auf, dann ging es weiter ins brandenburgische Senftenberg. Die letzten Fahrgäste stiegen in Dresden zu, dann ging die Reise gen Süden, über die A 9. Reimann ist selber nicht der Veranstalter der Fahrt an den Gardasee, das war ein anderes Unternehmen, erklärt er. Reimann war in diesem Fall Dienstleister, stellte Bus und Fahrer.

Der Mann, der am Steuer saß, fährt bereits seit 16 Jahren für Hartmut Reimann, ein erfahrener Busfahrer, sagt er. "Er ist sogar ausgezeichnet worden für unfallfreies Fahren. Das letzte Sicherheitstraining war erst im November." Was mit dem Mann ist - Reimann weiß es nicht. "Ich hoffe, er ist unter den Sechsen." Unter denen, die zu dem Zeitpunkt noch als vermisst gelten. Reimann sagt es nicht, aber es schwingt mit. Der zweite Fahrer ist sein Schwiegersohn, er liegt im Krankenhaus. Er war es auch, der Reimann am Morgen über den Unfall informierte. "Er hat sich wohl ein Handy von einem Lkw-Fahrer geborgt, der hinter unserem Bus fuhr", erzählt Reimann.

"Es ist alles noch so durcheinander", sagt Reimann. Die Polizei habe zwar ein paar Mal angerufen. Aber Infos kommen nur in Tröpfchen. "Ich habe einfach keine Informationen", sagt er immer wieder. Wenig später wird die Furcht aber zur Gewissheit: Der Fahrer ist unter den Toten. Er hatte bei dem Brand keine Chance mehr, sich zu retten.

Die 30 Menschen, die sich aus dem Bus retten konnten, sind in umliegende Krankenhäuser gebracht worden. Rettungshubschrauber flogen sie Opfer in Kliniken. "Sie haben teils schwere Verletzungen erlitten", sagt Polizeisprecherin Anne Höfer. Die Polizei hat die A 9 abgeriegelt. Lange Staus auch auf den Umgehungsstraßen folgen.

Unter den Fahrgästen befanden sich neben den Senioren aus Sachsen auch Brandenburger. In Senftenberg seien am Morgen vier Brandenburger und vier Sachsen zugestiegen, teilte das Innenministerium des Landes am Montag in Potsdam mit. Sie überlebten alle den Unfall, berichtete mittlerweile das Ministerium. Laut dem Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer war der Bus drei Jahre alt und zuletzt im April vom Tüv ohne Beanstandung überprüft worden.

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer versprach eine schnelle Aufklärung und nannte den Brand "ein Inferno". Der CSU-Chef machte sich am Montagabend vor Ort ein Bild. Die Helfer, die die Leichen bergen mussten, würden dieses Erlebnis ihr Leben lang nicht vergessen können, sagte Seehofer. Mit Blick auf Autofahrer, die im Stau keine Rettungsgasse gebildet hatten, befand Seehofer: "Die mangelnde Disziplin der Leute ist ärgerlich." Er habe selbst erlebt, dass hier neue Regeln nötig seien. Der CSU-Chef appellierte an die Autofahrer, Vernunft walten zu lassen, auch sie selbst könnten betroffen sein.

Die Autorin ist Redakteurin der Sächsischen Zeitung

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