Sie wollte "schreiben so gespannt wie ein Flitzbogen", ihr Ziel war eine "schlanke, straffe Prosa". Aber bei der Arbeit an ihrem großen Roman über das Amerika der Nachkriegszeit verlor die Schriftstellerin Wendy Wenning die Kontrolle: Das Manuskript umfasste 1000 Seiten. Also musste der Rotstift her. Erst verschwanden die Adjektive, dann die Relativsätze, dann noch manch anderes - der Großroman verschlankte zur Novelle, zur Kurzgeschichte. Und schließlich, nach einer harten, langen Nacht, war das Ziel erreicht: "Sie lehnte sich zurück, drückte auf den Druckerknopf, lauschte dem Surren des Geräts und betrachtete dann ihr Meisterwerk. Ein perfekt weißes Blatt Papier."

Wendy Wenning gehört zu den zehn Autorinnen und 40 männlichen Kollegen, an die jetzt "Das biographische Lexikon vom literarischen Scheitern" erinnert. Ein Stanhope Barnes ist dabei, der das einzige Exemplar seines Werks in einem Zug liegen ließ; ein Felix Dodge, der jahrelang unendlich viel Stoff für seinen Roman sammelte und leider starb, als er mit dem Schreiben anfangen wollte; ein Aurelio Quattrocchi, der so langsam arbeitete, dass er ein Jahr lang über ein Wort nachgrübelte, das er im Jahr darauf wieder strich; eine Ellen Sparrow, die in einem Heim auf Toilettenpapier schrieb, so klein, dass nicht einmal sie selbst den Text entziffern konnte; und ein Hans Kafka, der in der Nachbarschaft des großen Franz K. in Prag lebte - alle Verleger lehnten seine Arbeiten mit der Begründung ab, das Pseudonym sei einfach zu plump.

50 tragische Schicksale breitet das "Lexikon" aus. Aber mitleidlos darf's der Leser zur Kenntnis nehmen. Denn alle diese Schriftstellerleben sind reine Erfindung. Ihre Geburt fand auf der Website des Literaten C.D. Rose im britischen Manchester statt, und weil alles so schön und humorig-ironisch geriet, wurden die Beiträge in einem Buch versammelt. Andrew Gallix, Chefredakteur eines Literaturmagazins, verfasste ein Nachwort dazu, und Rainer Nitsche, Chef des Transit Verlags (Berlin/Förbau), hat das Ganze elegant ins Deutsche übersetzt. Nun ist's ein reines Vergnügen, an dem auch Samuel Beckett gewiss seine Freude hätte. Der "Warten auf Godot"-Autor liefert sozusagen das Stichwort zum Buch: "Immer gescheitert. Noch mal scheitern. Besser scheitern." Ralf Sziegoleit

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C.D. Rose: Das biographische Lexikon vom literarischen Scheitern. Transit Verlag, 168 Seiten, gebunden, 19,80 Euro.