London - Erstmals geht der renommierte internationale Man-Booker-Literaturpreis nach Polen. Die polnische Autorin Olga Tokarczuk und die US-amerikanische Übersetzerin Jennifer Croft teilen sich die Auszeichnung für den Roman «Flights», wie die Jury am Dienstagabend in London mitteilte. Auf Deutsch ist das Buch unter dem Titel «Unrast» (Verlag Schöffling & Co) erschienen.

Das skurrile Werk spannt einen Bogen vom 17. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Es handelt von dem holländischen Anatomen Philip Verheyen, der sein amputiertes Bein sezierte, vom Herzen des Komponisten Frédéric Chopin, das nach einer Obduktion von Paris nach Warschau geschickt wurde, und von Reisen im 21. Jahrhundert.

Die Jury lobte den «wundervollen Esprit, die Fantasie und die literarische Ausdruckskraft», aber auch die Ironie der Autorin. Die englische Ausgabe erschien bei Fitzcarraldo Editions.

Die Auszeichnung zählt zu den wichtigsten Literaturpreisen Großbritanniens. Sie prämiert ausländische Werke, die ins Englische übersetzt wurden. Das Preisgeld von 50 000 Pfund (etwa 57 000 Euro) geht jeweils zur Hälfte an Autor und Übersetzer.

Tokarczuk gehört zu den bekanntesten Schriftstellerinnen Polens. Die 56-Jährige wurde bereits mehrfach für ihre Werke geehrt, zum Beispiel mit dem Usedomer Literaturpreis und der polnischen Nike-Auszeichnung. Bereits mehrere ihrer Bücher wurden ins Deutsche übersetzt, darunter «Ur und andere Zeiten». Nachdem Tokarczuk ihrem Heimatland Intoleranz gegen Flüchtlinge und Antisemitismus vorwarf, wurde sie angefeindet.

Im vergangenen Jahr waren der israelische Autor David Grossman und die US-amerikanische Übersetzerin Jessica Cohen für das Buch «A Horse Walks Into A Bar» geehrt worden. Grossman erzählt darin die Geschichte eines Comedian, der bei seiner letzten Vorstellung in einer israelischen Kleinstadt eine tragische Geschichte aus seiner Jugend preisgibt. Das Buch ist unter dem Titel «Kommt ein Pferd in die Bar» (Hanser) auch auf Deutsch erschienen.