Schon im vergangenen Jahr hat Cube dem Team Wanty außer Highend-Straßenrädern eine Zeitfahrmaschine zur Verfügung gestellt. Dabei habe es sich allerdings um ein baulich modifiziertes Triathlon-Rad gehandelt. Im Triathlon hat Cube viele Jahre Erfahrung mit Top-Athleten gesammelt. Derzeit rüsten die Waldershofer unter anderem Andi Böcherer aus, der vor zwei Jahren beim Ironman auf Hawaii den fünften Rang belegte und auch dieses Jahr zu den Top-Favoriten zählt.
"Im Triathlon gibt es keine baulichen Beschränkungen", sagt Konstrukteur Schenkl. Daher hatte Cube den Anspruch, das derzeit windschnittigste Zeitfahrrad zu entwickelt. Im Tour-Zirkus hingegen gelten die "Gesetze" der UCI. Und wie streng die sind, haben die Waldershofer vergangenes Jahr erlebt. Bevor ein Rad zur Tour zugelassen wird, müssen die Ausrüster es von den UCI-Ingenieuren unter die Lupe nehmen und zertifizieren lassen. "Erst wenn der Weltradsport-Verband grünes Licht gibt, erhält das Rad die UCI-Plakette, die am Rahmen und an der Gabel angebracht werden muss", sagt Schenkl. Das allein ist noch immer kein Freifahrtschein für die Tour, wie Cube-Product-Manager Harald Lucas vergangenes Jahr sah. "Vor jedem Start ist eine Kommission der UCI vor Ort und testet mit einem 3-D-Scanner noch einmal, ob das Rad tatsächlich den strengen Richtlinien entspricht. "Mittlerweile setzt die UCI sogar Thermografie-Kameras ein. Damit wollen die Ingenieure eventuell versteckt eingebauten Elektromotoren auf die Spur kommen. Klingt absurd, doch "E-Doping" ist ein Thema, seit eine belgische Cyclocross-Profifahrerin mit einem Hilfsmotor erwischt worden ist.
Bernd Schenkl betritt mit der Tour-de-France-Zeitfahrmaschine völlig neues Terrain. Erstmals verbauen die Waldershofer eine Scheibenbremse. "Wir haben uns dazu entschieden, da der notwendige Bauraum, der für eine perfekt funktionierende Felgenbremse benötigt wird, innerhalb der UCI-Regularien nicht gegeben ist. Um eine maximale Bremsleistung samt geringstmöglichem Windwiderstand sicherzustellen, haben wir den Steuerrohr- und Gabelbereich extrem verschlankt", erklärt Schenkl. Die Aerodynamik ist bei einem Zeitfahrrad, mit dem Durchschnittsgeschwindigkeiten von mehr als 50 Stundenkilometern gefahren werden, das A und O. Das Rad hat ein Gewicht von rund neun Kilogramm. Ab einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 15 Stundenkilometern sei das Gewicht zweitrangig. Daher kommen immer mehr Ausrüster davon ab, die Räder immer noch einige Gramm leichter zu bauen.
Zurück zur Scheibenbremse: Diese ist jetzt auch im Profi-Radzirkus erlaubt und wird nach Ansicht der Cube-Experten mittelfristig Standard. Vor allem an Laufrädern aus Carbon sei sie von Vorteil, weil hier die Felgenbremsen weniger gut greifen.
Etwa ein halbes Jahr hat die Konstruktion des Rades für Team Wanty in Anspruch genommen. "Das ist relativ kurz, liegt aber daran, dass unsere Erfahrungen aus dem Triathlon-Sport mit eingeflossen sind." Dass enorm viel reine Physik in dem Rad steckt, sieht der Laie nicht. Wie Schenkl sagt, sind alle Krümmungen, jeder Scheitelpunkt und jede Strebe berechnet worden. Immer wieder seien am Computer die verschiedensten Windströme, die auf das Rad und den Athleten wirken, simuliert worden. Letztlich ging es darum, die Windschnittigkeit auszureizen und auch die Steifigkeit zu berücksichtigen, die von den Wanty-Athleten gefordert wurde. Zum Schluss hat Cube die Prototypen in einer Windkanalanlage am Bodensee getestet. Schenkl ist von dem Rad überzeugt. "Ich glaube, wir geben dem Team Wanty das derzeit bestmögliche Rad an die Hand."