Marktleuthen Schwere Entscheidung für Marktleuthen

Peter Pirner

Rechtsanwalt Wolfgang Bauer informiert über eine Klage gegen die Festlegung des HGÜ-Korridors. Möglich wäre auch ein späteres Vorgehen gegen die Planfeststellung.

 
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Marktleuthen - Der Name ist sperrig, die Entscheidung nichtsdestotrotz wichtig und emotionsgeladen. Im Marktleuthener Stadtrat ging es nämlich um die "Rechtlichen Handlungsmöglichkeiten gegen die Bundesfachplanungsentscheidung der Bundesnetzagentur vom 18. Dezember 2019". In dieser Entscheidung hat die Bundesnetzagentur festgelegt, welchen Verlauf die Höchstspannungsleitung Wolmirstadt - Isar (HGÜ, auch Südost-Link) zwischen Hof und Schwandorf haben soll. Diese Diskussion wollten ein gutes Dutzend Bürger hören. Aber nicht nur sie begrüßte Bürgermeisterin Sabrina Kaestner. Referent war Rechtsanwalt Wolfgang Baumann aus Würzburg, der die Stadt in dieser Angelegenheit rechtlich berät.

Der HGÜ-Korridor ist ein 500 bis 1000 Meter breiter Streifen, in dem nach einer genaueren Planung die HGÜ-Trasse verlaufen soll. Festgelegt ist, die Gleichstromtrasse als Erdkabel auszuführen. Der Korridor führt im Nordosten durch das Marktleuthener Gemeindegebiet und verläuft weiter durch Marktredwitzer Gebiet. Sowohl der Landkreis Wunsiedel als auch die Stadt Marktredwitz haben bereits Klage gegen die Festlegung des HGÜ-Korridors erhoben. Es gibt eine Reihe von Argumenten, die gegen den Korridor sprechen. Sie reichen von einer möglichen Erwärmung des Bodens im Umfeld der Trasse und den daraus folgenden negativen Auswirkungen auf die Landwirtschaft über den aufwendigen Bau der Strecke durch bisherige Natur- und Wasserschutzgebiete bis hin zur Beeinträchtigung von Eigentumsrechten von Bürgern und Unternehmen. Letztlich geht es um die Frage, ob die HGÜ-Trasse für die Stromversorgung in Deutschland überhaupt notwendig ist. Ein Gutachten von Prof. Dr. Lorenz Jarass aus Wiesbaden verneint dies.

Die Bundesfachplanungsentscheidung hat aber noch weitere Auswirkungen: Sie greift massiv in die Planungsmöglichkeiten der Kommune und der Anlieger ein. Denn die Entscheidung gilt für zehn Jahre mit einer möglichen Verlängerung um weitere fünf Jahre. Und für diesen Zeitraum können Veränderungssperren erlassen werden. Das würde bedeuten, dass es auf den Grundstücken im festgelegten Korridor keine Veränderungen geben darf. Ein Landwirt dürfte also keine Scheune an seinen Hof anbauen, die Gemeinde kein Baugebiet ausweisen und keine Trinkwassergewinnungsanlage bauen.

Deshalb hatte sich der Stadtrat Marktleuthen im Juli bereits grundsätzlich für eine Klage entschieden. Noch nicht entschieden ist, ob diese Klage gegen die spätere Planfeststellung oder bereits jetzt gegen die Festlegung des HGÜ-Korridors erhoben werden soll. Wie Rechtsanwalt Baumann erläuterte, gilt das "Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz". Es definiert, dass die Entscheidung für einen Korridor "keine unmittelbare Außenwirkung" hat. Damit sei eine Klagemöglichkeit per Gesetz zu diesem Zeitpunkt ausgeschlossen. Eine rechtliche Überprüfung werde erst im weiteren Verlauf bei der Planfeststellung zugelassen. Die gibt es erst zum Abschluss der mehrjährigen Planung. Allerdings habe eine Klage dann möglicherweise keine großen Erfolgsaussichten mehr, sagte Baumann.

Der Rechtsanwalt stellte vielmehr in Frage, dass der Rechtsschutzausschluss verfassungsrechtlich in Ordnung sei. Der Fachanwalt für Verwaltungsrecht wies darauf hin, dass der effektive Rechtsschutz als Teil der Eigentumsgarantie im Grundgesetz zu beachten sei. Dazu gebe es ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2013, das als "Garzweiler-Urteil" bekannt sei. Übertragen auf die HGÜ-Trasse bedeute dies, dass Rechtsschutz schon gegen die Feststellung des Korridors zulässig sein müsse. Außerdem müsse nach Ansicht Baumanns die Aarhus-Konvention der EU-Grundrechte-Charta berücksichtigt werden. Nach Artikel 9 der Aarhus-Konvention muss sichergestellt sein, dass die Öffentlichkeit das Handeln der Behörden bei einem Verstoß gegen umweltbezogene Bestimmungen des nationalen Rechts angreifen darf. Diese Regelung schaffe eine Klagemöglichkeit für Umweltverbände.

Eine Klage fällt laut Baumann direkt in die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig, untergeordnete Gerichte werden nicht tangiert. Auch zu den Erfolgsaussichten einer Klage äußerte sich der Rechtsanwalt. Nach einer Meinung sind sie durchaus groß. Allerdings müsse das Gericht eine Klage zu diesem Zeitpunkt erst einmal zulassen. Grundsätzlich sei der Aufwand für die Klage hoch, allerdings könne man auf die Schriftsätze für die Klagen des Landkreises Wunsiedel und der Stadt Marktredwitz zurückgreifen. Nichtsdestrotrotz kämen hohe Kosten auf die Stadt Marktleuthen zu.

Der Marktleuthener Stadtrat muss eine Klage bis zum 18. Dezember beim Bundesverwaltungsgericht einreichen. Möglicherweise wird allerdings vorher über den Eilantrag entschieden, den die Stadt Marktredwitz zusammen mit dem Landkreis Wunsiedel und zwei Umweltverbänden auf Stopp des Planfeststellungsverfahrens und Unterlassen von Veränderungssperren gestellt hat. Dann könnten die Erfolgsaussichten einer Klage besser beurteilt werden. Baumann machte allerdings darauf aufmerksam, dass die Vorbereitung der Klage auch bei einem späteren Vorgehen gegen die Planfeststellung genutzt werden könnte.

Am Ende seines Vortrages hatten etliche Stadträte vertiefende Fragen. Birgit Kaestner von der Wahlgemeinschaft Marktleuthen wollte wissen, wie viele Kommunen insgesamt Klage erheben. Wie Baumann antwortete, sind dies im betreffenden Abschnitt außer dem Landkreis Wunsiedel und der Stadt Marktredwitz nur die Gemeinde Niederaichbach im Landkreis Landshut. Allerdings reiche es aus, das gesamte Verfahren zu stoppen, wenn auch nur eine Klage Erfolg hat. Andreas Ritter jr. von der JU-Bayern-Fraktion ließ sich die Erfolgsaussichten genauer erklären. Florian Leupold von der SPD wies auf etliche Anlieger hin, die geplante Vorhaben im HGÜ-Korridor nicht umsetzen könnten. Die weitere Diskussion der Stadträte fand dann hinter verschlossenen Türen in nichtöffentlicher Sitzung statt.

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