Herr Schröder, ich war heute auf Ihrer Homepage und hab mich ein bisschen umgeguckt, das Neueste vom Neuesten angeguckt und hab festgestellt, dass Atze Schröder jetzt auf Che Guevara macht. Das hat mich ein bisschen verblüfft.

Ich versuche, mit meinem Programm immer dem Zeitgeist gerecht zu werden und so Zeitgeist zu schnuppern. Das war beim letzten Programm eindeutig Mutterschutz, angestoßen unter anderem durch Eva Herman. Und jetzt hab ich meinen Gedankenanstoß von Horst Köhler bekommen - der hat in seiner Antrittsrede so eine kleine Revolution gefordert. Und ich denke, dass alles so ein bisschen im Umbruch ist. Bei genauerem Hinsehen stellt man auch fest, dass alles so ein bisschen auseinander driftet.

Ja, und dass alles so ein bisschen auf die Revolution gerüstet ist, zumindest wenn man durch H&M läuft, findet man auch Che-Guevara-Taschen.

Ja, das Wort Revolution wird natürlich auch strapaziert. Haar-Revolution würde Udo Walz sagen, oder Moderevolution (lacht). Aber wenn man genauer hinguckt, gibt es jetzt auch im Bundestag eine Revolution, eine Revolution des guten Geschmacks. Vor allem mit von und zu Guttenberg und seinen gefühlten 25 000 Vornamen. Da sieht natürlich jetzt alles ganz anders aus. Und seitdem Westerwelle auch in der Regierung ist, weht jetzt auch ein Duft von Nivea durchs Gebäude und bei den Ministertouren sind jetzt wieder alle anwesend.

Warum kommt die Revolution dann erst jetzt? Ihre Fans warten ja schon seit Jahren auf die Revolution.

Ja, wussten wir und wir drehen ja nach und nach. Wenn man genauer hinguckt, driftet täglich alles auseinander in Dick und Doof. Die einen kriegen keinen geraden Satz auf die Reihe, Subjekt, Prädikat und Objekt, die anderen schreiben Bücher und kaufen Karten für eine Comedyveranstaltung (lacht). Wir werden uns vielleicht die Rüppli-Schule noch mal zurück wünschen. In Paris und Athen da haben die Autos und Container schon gebrannt, in Berlin wäre so was in naher Zukunft auch denkbar.

Revolution ist ja der neue Titel Ihres Programms, das klingt ja auch sehr links. Da kommen so ein bisschen Assoziationen zu brennenden Autos in den Banlieus... Aber eigentlich, wenn man sich so die Programmbeschreibung durchliest, geht ja es fast nur um Erz-Konservatismus. Wie passt das zusammen?

Ja, ich denk, das wird auch aufeinander treffen, dieser Konservatismus und der Wille zur Veränderung. Ich betrachte das als sehr lustig, dass ich an der Tankstelle stehe und von irgendwelchen Spackos von der Seite angemacht werde oder ich in Berlin im Taxi sitze und irgendwohin will und der Typ sagt nur "Ey wie komm ich, ey". Das ist jetzt im klassischen Sinne nicht ein vollständiger Satz, wobei Atze sich da auch selber sehr aufs Korn nimmt. Nur es geht ja bei mir im Comedy auch um Hinweise, darum, dass man sich speziell um die Jugend kümmern muss, sonst haben wir wirklich irgendwann eine echte Revolution. Wobei wir ja vor 20 Jahren eine friedliche Revolution hatten. Nicht in den gebrauchten Bundesländern, sondern in den neuen, und das hat man ja fast schon wieder vergessen. Die Mauer wächst aber nach...

Der große Tag nähert sich schon mit großen Schritten..

Ganz genau. Also es ist auch sehr lustig aufbereitet. Da haben wir auch den Kampf der Kulturen drin. Dass die entwurzelten Jugendlichen, die so zwischen den Kulturen leben, muslimisch aufgewachsen sind, aber sich hier in Deutschland letztendlich auch bei H&M wiederfinden müssen. Dann gehts eben auch drum, dass die Frauen mittlerweile so durchemanzipiert sind, dass sie fast die besseren Kerle sind. Auch das ist eine kleine Revolution. Und so gibt's eben viele Themen, wo man eine große Veränderung feststellt. Revolution bedeutet ja auch letztendlich Veränderung.

Solche Themen wie Bildungsnotstand oder eben Migrationsschwierigkeiten sind ja jetzt ernste Themen, darf man denen mit Humor begegnen?

Ja, ich glaube, man muss ihnen mit Humor begegnen. Weil, dann lacht man wenigstens schon mal darüber und im Prinzip fängt man dann auch schon zu denken an. Und es ist ja wirklich so: Mit einem Oberstudienrat diskutiert man auf einem anderen Niveau als mit irgendwelchen, ich sag jetzt mal Spacken, die an der Ecke stehen, um so mal die ganze Bandbreite festzustellen. Und da ist natürlich sehr viel Spannung und Komik drin. Und mittlerweile führe auch ich eine kleine Revolution. Ich geh im ersten Moment auf die Bühne und sag: "Oh, Oliver Pocher" und die Leute lachen.

Warum?

Da tut sich so ein ganzer Themenkomplex auf, wenn man genau hinschaut. Allein das ist schon eine kleine Revolution, wenn man so was früher gemacht hätte, dann wäre man wahrscheinlich ins Ausland verbannt worden. Vor einem Jahr war Sandy Meyer-Wölden die Verlobte von Boris Becker, heutzutage kriegt sie zusammen mit Oliver Pocher ein Kind. Wenn man sich das in seinem eigenen Umfeld mal vorstellt, steht einem doch der Mund offen, aber in dem Bereich akzeptieren wir das alles schon.

Das stimmt, Das ist alles ein großer Kontrast, wenn man so darüber nachdenkt.

Ja, da hat auch so eine kleine moralische Revolution statt gefunden: Alles ist in Ordnung, alles ist völlig in Ordnung (lacht).

Um sich inspirieren zu lassen, hat es wahrscheinlich gereicht, dass Sie einfach mal mit offenen Augen durch's Leben gegangen sind, nehme ich an?

Ja, wir schreiben eigentlich immer zu viert an einem Programm. Zwei Autoren und noch ein Freund von mir und ich. Und ich habe sogar den alten Zettel hier gerade vor mir liegen. Da ist mit Bleistift eine DIN A4-Seite beschrieben, wo ich die Autoren gefragt habe: "Welche Themen wollen wir denn angehen?", und - zack, zack, zack - hat keine Stunde gedauert, da standen die Themen auf dem Zettel.

Die Themenvielfalt in diesem Land scheint überwältigend zu sein.

Ja, also wirklich. Bevor ich auf die Bühne gehe, schaue ich nochmal in die relevanten Zeitungen, also von Süddeutsche bis BILD-Zeitung. Die ersten 20 Minuten beschreibe ich nur aus dem, was ich da gerade gelesen habe.

Eigentlich, wenn man darüber nachdenkt, das ist ja zum Lachen und Weinen gleichzeitig.

Das ist schon alles sehr komisch. Zum Beispiel war jetzt auf der CQ, Männermagazin, als Titelfoto Bastian Schweinsteiger, der einem jetzt nicht unbedingt sofort dazu einfällt. Und der hat eine sehr hübsche Freundin. Und im Innenteil sagt dann Sarah - wobei man sich doch fragt, wie kommt der an so einen Schuss - sie hat ihn in München gesehen und wusste gar nicht, dass er berühmt ist. Ja und das kann man einfach so stehen lassen, die Leute biegen sich da vor Lachen. Die hat ihn bestimmt gesehen und dachte sich "Mein Gott ist der schön".

Hach das ist ja romantisch ...

Ja, also Romantik kommt ja wie immer in meinem Programm auch nicht zu kurz. Zum Schluss des Programms geht's ja um solche Themen. Beim letzten Mal ging es um Geburt, dass die Nachbarin ein Kind kriegt. Diesmal geht es um das Thema "Soll ich's wirklich machen oder lass ich's lieber sein". Atze lässt sich eventuell - aber das darf ich ja nicht verraten - mit der Frau seines besten Freundes ein.

Die Nummer hat ja Potenzial.

Die Nummer probier ich grad auf der Bühne, das wird nicht all zu hart werden. Das ist auch ein sehr schönes Thema, wo ich merke, dass es mucksmäuschenstill im Saal ist und alle wissen wollen, wie die Sache ausgeht.

"Auf der Bühne probieren" ist so ein Stichwort... Ich habe gelesen, dass Sie jetzt unterwegs sind auf Preview-Shows. Was ist denn jetzt der Unterschied zwischen einer Preview-Show und einem normalen Auftritt?

Ich probier unheimlich viel aus. Auch wo man erstmal denkt: "Naja, ob das klappt?", man weiß es nicht. So sind viele schöne Sachen entstanden, die man so am grünen Tisch vielleicht nicht hätte schreiben können. Einfach mal so - peng - reingehauen und die Publikumsreaktion abgewartet. Und da kann man sich noch mehr Freiheit nehmen, im kleinen Rahmen, als wenn man jetzt die Show in der großen Halle auf die Bühne bringt, weil da muss alles schon sehr funktionieren. Das ist eigentlich immer auch die schönste Phase fürs Publikum, weil da noch viel schief geht und das mögen ja alle.

Ja klar, dann wird in dem Moment der Künstler zum Menschen.

Ganz genau. Da sind viele Zwischenrufe, die ich dann verarbeite.

Seelisch oder für das Programm?

Für das Programm. Seelisch bin da Gott sei Dank über die Jahre jetzt gefestigt (lacht).

Was ist Ihre Erfahrung? Funktioniert der Ruhrpott-Humor in Franken ganz gut?

Ja, doch! Die Frage stellt sich auch in den Kartenkassen immer wieder. Wie kommt es im Fränkischen an, wie kommt es im Schwäbischen an? Die Leute kaufen aber natürlich die Karten und das ist schon ein bewusster Akt, dass sie Atze sehen wollen. Aber das funktioniert sehr gut. Man stellt auch fest, je weiter man südlich kommt in Deutschland, dass die Tradition des gesprochenes Wortes auf der Bühne da doch zum Tragen kommt. Das ist das speziell im Süden noch mit Tradition behaftet und die Leute hören ganz genau zu.

Das ist für jemanden wie Sie ein schönes Umfeld. Sie haben natürlich den Vorteil, dass wenn sie ihr Programm auf diese Art durchgehen, dass dann Schnitzer auch gleich auffallen. Und das können Sie gleich korrigieren.

Ganz genau. Man lebt auch davon wenn das Publikum aufmerksam ist und sich konzentrieren kann. Da gehört natürlich eine gewisse Bereitschaft dazu, die Form auf der Bühne zu akzeptieren. Diese Bereitschaft ist im Süden auch wirklich gegeben.

Das ist ja ein Lob für unsere Leserschaft.

Ja, die Story kann auch tatsächlich jeder für sich ableiten. Das ist ja nicht aus der Luft gegriffen, wenn man sich so die Story ansieht. Es gab doch im Fränkischen, im Bayrischen immer die Tradition, dass einer auf die Bühne geht und rumhampelt und erzählt.

Ja, ich glaub, das ist schon seit 800 Jahren so.

Ja und insofern stell ich, denk' ich, auch so eine Tradition dar.

Wann geht dann für Sie die "richtige" Tour los?

Ja, 'ne Nummer größer werden wir jetzt im Oktober. Und ab November wird's dann nochmal von den Hallen her eine Nummer größer. Wann bin ich denn eigentlich da? Muss ich mal nachkucken.

In Bamberg? Am 12.12.

12.12. - ach ja. Da wird man dann das Programm schon in Funktion erleben.

Wie viel Zeit haben Sie sich vorgenommen, die Leute zu bespaßen und zum Nachdenken zu bewegen?

Zwei Stunden geht's zur Sache. Eine kleine Pause machen wir noch mittendrin, damit wir ein bisschen durchatmen können und nachpudern. Es wird aber ein sehr dichtes Programm werden.

Die Leute müssen sich also dann in Bamberg am 12. Dezember zwar kein Sitzkissen mitbringen, um ihr Gesäß zu schonen, aber vielleicht was Gutes für den Bauch, um sich den halten zu können?

Im günstigsten Fall ja. Beim letzten Mal war's so und ich hoffe, dass mich von daher noch alle in guter Erinnerung haben. Ich hab versprochen, wiederzukommen und dass es jetzt so kurzfristig klappt ist noch besser.

Das klingt so, als hätten Sie Bamberg auch in guter Erinnerung?

Hab ich absolut, ich bin da ganz schön schwer versackt. Bamberg feiert sehr gerne.

Das ist wohl wahr und es hat auch kulinarisch und in Sachen Getränke alles zu bieten.

Ja, aber wirklich. Das ist jetzt kein Geschleime. Okay, wenn es auf's Essen ankommt, ist es überall schön, aber Bamberg ist kulinarisch wirklich eine Reise wert.

Eine allerletzte Frage hab ich noch, und zwar: Ab wann kann man denn diese schicken Atze-Schröder-Che-Guevara-Stern-T-Shirts im Fanshop kaufen?

Ich hab gestern gesehen, dass sie schon fertig sind. Hab dann selber auf der Bühne eins angezogen, kommt wirklich toll an.

Das Gespräch führte Tami.