Ihr Buch trägt den Untertitel "Barack Obama und die gefährliche Sehnsucht nach politischer Erlösung". Halten Sie Obama für gefährlich?

Nein, überhaupt nicht. Ich bin selbst Anhänger von Obama. In meinem Buch gehe ich aber der Frage nach, was der Grund ist, dass die Amerikaner sich im Wahlkampf für ihn über ein gesundes Maß hinaus begeistert haben. Mein Buch handelt nicht so sehr von Obama, sondern von der Sehnsucht, die er in den Menschen geweckt hat. Da gab es Auswüchse, die einer Demokratie nicht gut zu Gesicht stehen.

Warum halten Sie den Wahlkampf für gefährlich?

Mit Obama hat der Messias-Glaube in der amerikanischen Politik Einzug gehalten, und das ist nicht gut. Er hat mit einer Raffinesse und Modernität populistische Mittel eingesetzt, wie man es bis dahin nicht kannte. Ich fürchte, dass er damit den Weg geebnet hat für Leute, die nicht so hehre Ziele haben wie er. Obama ist eigentlich ein sehr kühler Kopf, ein Intellektueller, und er kann die Art, wie er Wahlkampf geführt hat, selbst nicht für gut heißen. Er hat es aber getan, um sein großes Ziel zu erreichen, Präsident zu werden.

Worin sehen Sie den Grund für die Euphorie?

Die amerikanische Gesellschaft ist sehr zerrissen und daraus ist der starke Wunsch entstanden, dass das Land wieder vereint werde. Diese Zerrissenheit ist aber kulturell bedingt und sie lässt sich deshalb nicht von einem einzelnen Politiker lösen, sondern nur von Bürger zu Bürger. Seit Obama im Amt ist, hat sich ja auch gezeigt, dass die Spannungen weiter bestehen. Wenn man sich in Internet-Blogs umsieht, fällt der starke Hass auf, der sich gegen den Präsidenten entlädt. Die Tea Partys, auf denen sich Rechte sammeln, könnten zur Brutstätte für rechtsradikalen Terrorismus werden.

Sie beschreiben in Ihrem Buch sehr anschaulich Obamas Wandel als Redner. In seinen Anfangszeiten sprach er zum Einschlafen langweilig, im Wahlkampf fielen Leute vor Begeisterung in Ohnmacht. Was ist da passiert?

Er hat gemerkt, dass er eine Projektionsfläche für die Sehnsüchte der Menschen sein kann, und zwar für Schwarze wie für Weiße. Als er Mitglied im State Senat in Illinois war - eine Art Landtagsabgeordneter - hat er begriffen, dass die Leute über Gefühle erreicht werden wollen. Und er hatte das Glück, dass David Axelrod, einer der besten Politikberater Amerikas, sein Talent erkannt und ihn unter seine Fittiche genommen hat.

Sie schreiben weiter, Obama sei der erste Präsident der Globalisierung. Wie meinen Sie das?

Amerika ist dabei, sich zu einem multi-ethnischen Land zu entwickeln. Man rechnet damit, dass im Jahr 2020 erstmals mehr andersfarbige Babys geboren werden als weiße. Das erzeugt in vielen Weißen Unruhe. Obama hat diese Ängste aufgenommen und das Gefühl vermittelt, er könne das Land in eine multi-ethnische Zukunft führen, vor der man keine Angst haben müsse. Man darf nicht vergessen, dass zurzeit auf dem Planeten ein gewaltiger Umbruch stattfindet, denn nach 500 Jahren geht die weiße Vorherrschaft zu Ende.

Kann er denn tatsächlich Lösungen anbieten?

Er kann das Land in dieses neue Bewusstsein führen. Amerika war lange sehr erfolgreich und viele Menschen dort glauben, erfolgreich zu sein sei ein Geburtsrecht. Ich denke, Obama hat das unausgesprochene Regierungsziel, das Land in die neue Epoche zu führen, in der es nicht mehr automatisch die Nummer eins ist, sondern sich anstrengen muss.

Was kann er außer der Gesundheitsreform noch angehen?

Er muss das Bildungssystem modernisieren. Amerika hat zwar die besten Universitäten weltweit, aber der Mittelbau ist katastrophal. Wer in die Unterschicht geboren wird, hat wenig Chancen, in die Mittelschicht aufzusteigen, und das hängt mit der Bildung zusammen. Die Schulen in armen Gegenden sind sehr schlecht.

Wird es ihm gelingen, seine Vorhaben umzusetzen?

Die Zeitströmung ist auf seiner Seite. Vieles, was er anstößt, ist notwendig und wird früher oder später ohnehin kommen.

Ist Obama politisch links?

Aus amerikanischer Sicht ganz sicher. Amerika ist viel konservativer als Deutschland. Bei uns wären die Demokraten ein Teil der CDU. Obama macht auch Dinge, die die Rechten gut finden. So lässt er in Afghanistan sehr viel energischer kämpfen als sein Vorgänger Bush.

Hat er noch genügend Rückhalt im Volk?

Sein Rückhalt ist bei seinen eigenen Anhängern durch die Gesundheitsreform gestiegen. Seine Gegner hassen ihn allerdings jetzt umso mehr. Diese Reform ist tatsächlich ein Paradigmenwechsel. Der "amerikanische Glaube" geht davon aus, dass wir Menschen Einzelkämpfer sind, Individualisten und sich aus eigenem Können und aus eigener Anstrengung durchsetzen. Dass Krankenversicherung jetzt Teil der Grundversorgung ist, wird das Land stark verändern.

Die Fragen stellte Elfriede Schneider.

BUCH-TIPP

Das Buch „Der schwarze Messias“ ist im renommierten Gütersloher Verlagshaus erschienen und kostet 17,95 Euro. Der Autor, der mit seiner Familie in Lichtenberg im Kreis Hof und in Berlin lebt, liest am 23. April um 15.30 Uhr im Restaurant „Harmonie“ in Lichtenberg aus seinem Buch. Rudolf von Waldenfels ist ein Nachfahre der früheren Lichtenberger Burgherren.