Interview „Die Welten in Einklang bringen“

Coburg – Manchmal gibt es Zufälle, die das Musikgeschäft in einem Land verändern. Als Adel Tawil 2002 in einem Berliner Tonstudio singen sollte, wurde Annette Humpe, die die Texte für die Produktion schrieb, auf den damals 23-Jährigen aufmerksam. Damit begann die Erfolgsgeschichte von Ich + Ich, die 2005 ihren ersten Höhepunkt mit dem gleichnamigen Album hatten. Im letzten Jahr gelang dann der absolute Durchbruch des Duos. Ihr Album „Vom selben Stern“ ging über 700 000 Mal über den Ladentisch und erhielt dreifach Platin. Über die bisherigen Erfolge, schrille Zufälle im Leben, Konzerte und das perfekte Lied sprach Red.chat mit Sänger Adel Tawil.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Adel, wie kommt Ihr mit dem Altersunterschied klar? Du wirst im August 30, Songwriterin Annette Humpe ist 20 Jahre älter. Gibt es da menschlich und musikalisch manchmal Probleme?

Nein, wir verstehen uns sehr gut, weil Annette ja trotzdem noch punkig geblieben ist. Sie ist wie eine große Schwester für mich. Es gab da nie Probleme. Im Gegenteil: Ich konnte und kann viel von ihr lernen. Sie gibt mir Einblicke in die damalige Musik und ist musikalisch sehr erfahren. Es ist toll, mit ihr zu arbeiten. Aber natürlich lernt sie auch von mir. Ich versuche, ihr aus meiner Hip-Hop-Vergangenheit was zu zeigen und die neuesten Erkenntnisse zu übermitteln. Es ist wie ein Puzzle. Wir sind ständig dabei, unsere Welten in Einklang zu bringen, um dann den Magic-Moment zu haben.

Geht der Trend dahin, dass ältere Künstler mit jüngeren Musik machen? Justin Timberlake und Madonna sind derzeit auch in aller Munde.

Ich weiß nicht, ob es ein Trend wird. Es zeigt aber, dass die Musik zusammenwächst. Früher waren die Künstler ja eher rebellisch, wollten auf keinen Fall Musik produzieren, die früher aktuell war. Heute stößt man an Grenzen und merkt, dass vieles, was damals als out empfunden wurde, doch nicht so schlecht war. HipHop ist ein gutes Beispiel. Erfolgreiche Rapper benutzen alte Samples für ihre Stücke. Heutzutage herrscht außerdem ein großer Respekt vor der älteren Musiker-Generation.

Eure Songs sind absolute Ohrwürmer. Worauf achtet ihr, wenn ihr am Mischpult sitzt oder die Texte schreibt?

Die Texte schreibt ja Annette und ich glaube, ihr Geheimnis ist, dass sie das Gefühl der Menschen sehr genau wiedergeben kann. Ich lese die Texte ja schon vorab und fühle mich immer angesprochen, auch wenn die Lieder musikalisch noch nicht ausgereift sind. Meine Aufgabe ist es dann, das Gefühl gesanglich rüberzubringen. Wichtig ist, dass ein Künstler nicht zu viel Fashion macht, sonst geht das Gefühl verloren. Wichtig ist ein guter Beat, auch ein guter Klang, aber wenn der Text nicht rüberkommt, bringt das alles nichts.

Euer erstes Album „Vom selben Stern“ landete erst nach 49 Wochen auf Platz Eins der Albumcharts. Ungewöhnlich, oder? Eigentlich schnellen die Platten schnell nach oben und fallen genauso schnell wieder.

Ich habe das noch nie erlebt und weiß gar nicht, ob es das schon mal gab. Wir hatten schon die dritte Single ausgekoppelt und trotzdem ging es weiter nach oben. Es fühlt sich fast an wie Weihnachten. Ich habe es auch nicht verstanden, mich aber riesig gefreut.

Was ist in näherer Zukunft geplant?

Jetzt sind wir erstmal auf Open-Air-Tour und im Herbst geht’s auf Hallentournee. Ziemlich viel Action in diesem Jahr. Und (lacht)...

...ja?

Coburg wird glaub ich richtig fett, weil am 15. August habe ich Geburtstag und ich hoffe, es gibt da ein paar Läden, wo man richtig Gas geben kann.

Du nimmst es schon vorweg: Worauf dürfen sich die Leute in Coburg freuen?

Auf meinen Geburtstag (lacht). Nein, ich hoffe, es werden keine fiesen Geburtstagsüberraschungen kommen, denn eigentlich mag ich Geburtstag nicht so – dieses im Mittelpunkt-Stehen. Aber ich denke, es wird richtig geil werden in Coburg. Jedes Konzert nimmt immer seinen eigenen Lauf, da kann man wenig vorhersagen.

Wann ist ein Konzert gut gelaufen?

Also wenn wir eine Zugabe geben sollen, bin ich schon zufrieden – wenn die Leute nicht mal das wollen, sollte man schon mal nachdenken. Bei Ich + Ich ist es ja auch anders als bei einem Rockkonzert. Die Leute liegen sich im Arm, es gibt welche, die weinen, die Umgebung und die Songs tragen dazu bei, dass die Besucher sentimental werden.

Nehmen wir an, Annette und du, ihr wärt euch nie begegnet. Was würdest du heute tun?

Dann würde ich weiterhin im Hintergrund produzieren und remixen. Ich besitze ja seit 2000 ein Musikstudio und wollte jungen Künstlern aus Berlin und Umgebung eine Chance geben. Ich habe das mit der Musik ja eigentlich schon abgehakt. Ich war drei Jahre Mitglied der Boyband The Boys, aber das hatte mit Musik nicht viel zu tun, sondern war eben so eine typische Boyband mit viel Rauch um nichts (lacht).

Manchmal ist das Leben verrückt, oder?

Klar. Eine Begegnung kann viel verändern. Und weißt du, was das Verrückteste ist?

Nein.

Ich wusste gar nicht, dass ich singen kann, weil ich früher nur gerappt habe. (lacht laut los). Ehrlich, seitdem ich so viel singe, hat sich meine Stimme sehr verbessert.

In eurem Video zum Lied „Vom selben Stern“ sind viele Promis zu sehen. Unter anderem Udo Lindenberg, der Fußballer Bobic oder Ulknudel Olli Dietrich. Warum habt ihr keine „normalen“ Menschen gecastet?

Um Kosten zu sparen, da das alles Freunde von uns sind (lacht). Nein, nein, wir wollten zeigen, alle sind vom selben Stern. Egal ob dick, dünn, weiß, schwarz ... Verstehste? Und wir wollten eben unsere Freunde und Umgebung einbeziehen. Bei Annettes Werdegang bleibt es nicht aus, dass so viel Prominenz auftaucht.

Zum Schluss noch drei persönliche Fragen. Wer sind deine musikalischen Vorbilder?

Musikalische Vorbilder sind es gar nicht viele. Rio Reiser ist für mich einer der größten Sänger und als Produzent finde ich Timbaland richtig klasse.

Wer oder was bringt dich zum Lachen?

Meine Haustiere. Ich habe einen Hund und zwei Katzen. Da ist immer was los und es ist sofort Action, wenn ich nach Hause komme.

Was wolltest du eigentlich vor der Karriere als Musiker machen?

Meine Eltern haben sich gewünscht, dass ich Anwalt werde, aber nach dem Abbruch des Abiturs hatte sich das erledigt. Ich glaube, ich wäre Tierarzt geworden. Oder Zoodirektor...

Das Gespräch führte Sören Göpel

www.ich-und-ich.de

Autor