Mobilität und Energie Technik-Probleme und Kosten bremsen

Von Eckart Gienke
Das Ziel der Bundesregierung: Bis 2020 sollen eine Million Elektro-Fahrzeuge auf Deutschlands Straßen unterwegs sein. Ob das zu schaffen ist, bleibt fraglich. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt denkt nun über Privilegien für Elektro-Autos nach. Quelle: Unbekannt

Die Debatte um die Energiewende bezieht sich in der Regel auf die Stromerzeugung. Doch ein Drittel der gesamten Energie verbraucht der Verkehrssektor. Autos, Laster, Flugzeuge und Schiffe werden meist mit Ölprodukten angetrieben.

 
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Hamburg - "Weg vom Öl" heißt die Parole, auf die sich Politiker aller Parteien verständigen können, wenn es um die Zukunft der Energieversorgung geht. Öl ist klimaschädlich, geht demnächst zur Neige, wird in Gegenden mit fragwürdigen Regierungen oder wertvollen Naturräumen gefördert und zudem immer teurer - kein guter Stoff.

Das Problem: Öl bleibt noch auf Jahrzehnte unverzichtbar, weil es keine bessere Alternative gibt. Im Verkehrssektor sind auf mittlere Sicht keine konkurrenzfähigen Optionen zum herkömmlichen Verbrennungsmotor zu erkennen, die sich über ein Nischendasein hinaus entwickeln könnten.

Die Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, den Energieverbrauch im Verkehr bis 2020 um zehn Prozent und bis 2050 um vierzig Prozent im Vergleich zum Jahr 2005 zu senken. Zudem sollen bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf Deutschlands Straßen unterwegs sein. Die erneuerbaren Energien sollen dann im Kraftstoffsektor rund zwölf Prozent ausmachen. Der Weg dahin soll über Einsparungen, höhere Effizienz, alternative Kraftstoffe und Elektromobilität führen.

Doch so ganz glaubt die Regierung selbst nicht an die ehrgeizigen Ziele. "Bis mindestens 2020 werden keine gravierenden Änderungen der Energiebasis im Verkehr erwartet", heißt es in einem Papier des Bundesverkehrsministeriums. "Ölbasierte Kraftstoffe bleiben auch mittelfristig marktbeherrschend", prophezeit das Haus von Alexander Dobrindt, CSU.

Bei den nachwachsenden Biokraftstoffen stehen die Ampeln auf Gelb. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks, SPD, will dem Biosprit keine größere Rolle mehr zubilligen und seinen Anteil am Treibstoff-Mix in Europa bei fünf Prozent deckeln: "Es gibt ernste Hinweise darauf, dass Biokraftstoffe am Ende zu einer schlechteren Ökobilanz führen", verdeutlicht die Ministerin.

Längst hat Biosprit sein einst positives Image eingebüßt. Er steht im Verdacht, Nahrungsmittel für Arme zu verteuern und dazu beizutragen, weitere Flächen in Agrarsteppen zu verwandeln. Branchenverbände bestreiten das, aber auch die Autofahrer haben ihr Urteil gesprochen: Der Start des Biosprits E10 mit zehn Prozent Bioethanol vor zwei Jahren wurde zum Desaster. Der Marktanteil stagniert bei 15 Prozent, angepeilt waren neunzig Prozent.

"Wer Strategien entwickelt, ohne den Kunden einzubeziehen, wird von der Realität ziemlich schnell eingeholt und dann recht unsanft geweckt", bemerkt dazu Michael Schmidt, Europa-Chef des Energiemultis BP. Tatsächlich erweist sich der Autofahrer in Deutschland als konservativ - nicht nur bei der Einführung neuer Kraftstoffsorten.

Für alternative Antriebe kann er sich nur wenig begeistern. Im vorigen Jahr wurden knapp drei Millionen Pkw neu zugelassen. Davon fuhren 98,4 Prozent mit Benzin oder Diesel. Alternativantriebe - Erdgas, Flüssiggas, Elektro- und Hybridmotoren - kamen kaum zum Zug.

Die deutsche Gaswirtschaft bemüht sich seit Jahrzehnten, Erdgas als Antriebsenergie für Personenwagen in Deutschland zu etablieren. Sie hat ein Netz von über 900 Tankstellen aufgebaut. Und sie hat die Autobauer dazu bewegen können, neue Modelle anzubieten. Die sind etwas teurer als Benziner oder Dieselautos, dafür aber kostet der Sprit nur die Hälfte.

Lohn der Mühen: 7835 Neuzulassungen 2013, also fast nichts. Und davon entfielen die meisten noch auf private oder kommunale Unternehmen. Gasbetriebene Autos wären zudem keine echte Lösung des Problems. Ihre Kohlendioxid-Bilanz ist um 25 Prozent günstiger als bei Benzin und Diesel, aber auch Gas ist eben ein fossiler Energieträger mit all den bekannten Nachteilen.

Vor diesem Hintergrund erscheint es auch unwahrscheinlich, dass Elektroautos auf absehbare Zeit größere Marktchancen haben. Im vergangenen Jahr wurden kaum mehr als 6000 E-Autos zugelassen, fast nur von Firmen. "Das Elektroauto ist damit nicht wahrnehmbar", sagt Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer. Nach einer Aral-Studie und zahlreichen anderen Analysen erfüllt die Technologie noch nicht die Erwartungen der Käufer: Sie ist nicht leistungsfähig genug und immer noch zu teuer.

Eine Chance am Markt haben allenfalls Hybrid-Fahrzeuge, die sowohl elektrisch als auch von einem Verbrennungsmotor angetrieben werden. Sie kamen 2013 auf immerhin 26 300 Neuzulassungen. Insgesamt verfügen damit rund 100 000 der 44 Millionen in Deutschland zugelassenen Personenwagen über einen Elektroantrieb.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt will nun über Privilegien für Elektro-Autos nachdenken - etwa Sonderparkplätze und freie Fahrt auf Busspuren. Der Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA) hat noch eine andere Idee parat: Der Staat soll selbst E-Autos kaufen. "Wir könnten uns vorstellen, dass die öffentliche Hand mit ein paar Zehntausend Fahrzeugen zeigt, welche Möglichkeiten der Markt für diese Antriebsart bringt", sagt VDA-Präsident Matthias Wissmann. Bezahlen würde das der Steuerzahler.