Er ist ein kinematografisches Wagstück, und ein Meisterstück auch. Vordergründig scheint er eine Fallgeschichte der Amyotrophen Lateralsklerose zu dokumentieren. Aber Regisseur und Autor Thomas Stuber schaut weit über die unheilbar-grauenvolle Krankheit hinaus und tief in einen Kranken hinein.

Hinter dem zynisch harmlosen Kürzel ALS verbirgt sich ein Verfallsprozess, der keinen Teil des Körpers und keinen Bereich des Alltagslebens, allerdings die Sinne und das Bewusstsein ausspart.

Herbert ragt auf als ein Baum von Mann. Als Boxer jubelte man ihm, dem „Stolz von Leipzig“, einst zu. Jetzt lebt der Exknacki, alternde Türsteher und „Inkasso“-Schläger einsam. Ein Familienleben hat sich der Einzelgänger verscherzt. Marlene, eine alte Bekannte, liebt ihn halsstarrig, aber er weist sie zurück.

Als die Krankheit den Hünen befällt, raubt sie ihm seine Beweglichkeit und die Sprache und zwingt ihn den Rollstuhl. Aber seine Selbstachtung gibt „der Stolz von Leipzig“ nicht auf. Den letzten Sex, den letzten Suff gönnt er sich; und er versucht, die zerronnene Beziehung zu Tochter und Enkelin zu klären.

Jede Phase des physischen Ruins, jeden Winkel der zu Ende gehenden Seele forscht der grandiose Peter Kurth („Tatort“) mit schier übermenschlicher Unerbittlichkeit aus. Jeder noch so gebrochenen Geste, mit der er sich durchboxt bis zum bitteren Ende, verleiht er unwiderstehliche Kraft und menschliches Gewicht: „He, ich bin noch da!“ Nie fleht er um Mitleid – gleichwohl geht Kino dem Zuschauer selten so peinigend an die Nieren.

Der Premierenapplaus für den Film, erst recht für seinen Hauptakteur, will kein Ende nehmen: eine schauspielerische Tour de force, bei der Peter Kurth den Zuschauer so wenig schont wie sich selbst.

Spannung: *-- Anspruch: *** Humor:---

Regie: Thomas Stuber; Deutschland; Spielfilm; 111 Minuten.


Freitag, 13 Uhr, Regina; Sonntag, 12.45 Uhr, Central.