49. Hofer Filmtage "Es fehlen neue Rollenbilder"

Christian Zübert: "Berufstätige Mütter hierzulande haben es immer noch schwerer als in anderen europäischen Ländern." Quelle: Unbekannt

Mit seinem Drama "Ein Atem" eröffnet der Regisseur Christian Zübert die Hofer Filmtage. Mit uns sprach der Grimme-Preisträger über Heinz Badewitz, Emanzipation und berufstätige Mütter.

 
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Herr Zübert, wann haben Sie erfahren, dass Ihr Film die Filmtage eröffnet?

Vor ein paar Monaten hat mich mein Produzent angerufen und mir die Nachricht mitgeteilt. Ich habe mich sehr gefreut. Schließlich sind die Hofer Filmtage eines der wichtigsten Filmfestivals in ganz Deutschland. Außerdem genießen sie einen hervorragenden Ruf in der Filmbranche. Man fühlt sich geehrt, hier aufführen zu dürfen.

Was glauben Sie, warum hat sich der Filmtage-Chef Heinz Badewitz für Ihren Film entschieden?

Da habe ich wirklich keine Ahnung. Ich habe Heinz Badewitz vor den Filmtagen nur einmal im Rahmen der Berlinale getroffen. Ich habe ihn als Mann mit gutem Geschmack und mit einem großen cineastischen Wissen erlebt. Ich glaube, er hat seinen eigenen Kopf, wo es auch keinen Sinn hat, reinzugucken.

In Ihrem Film "Ein Atem" geht es hauptsächlich um ein Ehepaar und ein Kindermädchen. Diese Geschichte hätte man überall in Deutschland ansiedeln können, aber Sie haben noch Griechenland einbezogen. Warum?

Das habe ich hauptsächlich deswegen gemacht, weil es mir wichtig war, diese zwei Frauen mit ihrer verschiedenen Ausgangssituation als Mutter darzustellen. Natürlich ist es auch eine Geschichte über Arm und Reich und wie es heute in Europa aussieht. Deswegen fand ich es spannender, das Kindermädchen aus Griechenland kommen zu lassen und nicht aus einem Land, das sowieso schon seit Jahrzehnten arm ist, wie Weißrussland oder Moldawien. Damit wäre das Kindermädchen schnell in eine Opferrolle gerutscht. Ich wollte aber zeigen, dass die meisten Menschen in Griechenland noch bis vor Kurzem genauso gelebt haben wie wir hier. Und jetzt trotz guter Ausbildung in ihrem Land keine Arbeitsstelle mehr finden.

Im Film lernt man zuerst die Griechin Elena kennen, die wegen der Finanzkrise ihre Heimat verlassen muss. Dann geht es um die Deutsche Tessa, die im Vergleich reine Luxusprobleme hat. Meinen Sie, Deutsche meckern zu oft?

So würde ich das nicht sehen. Die Griechin hat auf den ersten Blick natürlich weit existenziellere Probleme als Tessa, die als typische Prenzlauerberg-Mami rüberkommt. Im Perspektivenwechsel merkt man jedoch, dass ihre Probleme sie auch sehr belasten. Sie muss mit ihrer Rolle als Frau und Mutter kämpfen, und das macht sie fertig. Mit diesem Problem müssen sich sehr viele Frauen in Deutschland auseinander setzen.

Erklären Sie das bitte genauer.

In Deutschland wird die Emanzipation und Gleichberechtigung zwar ganz groß geschrieben, trotzdem haben es berufstätige Mütter hierzulande immer noch schwerer als in vielen anderen europäischen Ländern. Arbeitende Mütter bekommen in der Gesellschaft schnell das Etikett "Rabenmutter" aufgeklebt. Viele Menschen verstehen nicht, dass Mütter arbeiten wollen, um sich auch auf einer anderen Ebene bestätigt zu fühlen. Ihr Wunsch nach Anerkennung bedeutet aber nicht, dass sie ihre Kinder weniger lieben würden, als die Frauen, die jahrelang Zuhause bleiben.

Gibt es denn Ihrer Meinung nach eine Lösung?

Es fehlt an neuen Rollenbildern und an der Akzeptanz in der Gesellschaft. In skandinavischen Ländern zum Beispiel ist es ganz normal, dass Mütter sich beruflich verwirklichen. Ich hoffe sehr, dass wir in Deutschland irgendwann auch mal soweit sind.

Das Gespräch führte Alina Juravel

Steckbrief

Christian Zübert wurde am 27. August 1973 in Würzburg geboren und studierte an der dortigen Universität Germanistik. Sein Debüt als Regisseur wurde ein Überraschungserfolg: Die Komödie "Lammbock" sahen eine Million Menschen. Zübert führte auch Regie bei den Tragikomödien "Dreiviertelmond" und "Hin und weg". Für seine Leistung wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Darunter mit zwei Grimme-Preisen und dem Bayerischen Filmpreis.

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