Das muss so sein: Anders, ohne ein gesundes Maß an Eitelkeit, könnten Kritiker ihren Job nicht ordentlich machen. Wie jede Form der Anmaßung entspringt auch das Selbstwertgefühl des Rezensenten der Furcht, zu versagen, sich zu irren oder zu blamieren. Und zugegeben: Nicht alle Kritiker sind gleich bedeutsam. Wer in einer kleinen Stadt wie Hof Rezensionen in einer verhältnismäßig kleinen Zeitung wie der Frankenpost veröffentlicht, der weiß, dass er fast nur in seiner peripheren Region beachtet, womöglich geachtet wird.

Im erhaben tönenden Konzert der Großkritik hat er weder Sitz noch Stimme. Das mag ihn wurmen; dann muss er üben, solche Nachrangigkeit mit seinem Ehrgeiz und seiner Überempfindlichkeit in Einklang zu bringen. Zudem wird ihm bei Gelegenheit aus höherer Warte signalisiert, mit welchem Rahmen er sich gefälligst zu bescheiden hat, auf dass, sozusagen, die niederen Bäume seines randständigen Journalisten-Egos nicht in den Himmel wachsen.

Zum Beispiel suchte der Verfasser dieser Zeilen – ein Kritiker von begrenztem, gleichwohl seit drei Jahrzehnten bewährtem Einfluss – während der Hofer Filmtage 2013 ein Festival-Kino extra rechtzeitig auf. Keinesfalls will er den Beitrag verpassen, der gleich gezeigt wird. Gewissenhaft breitet er seine Jacke über die Rückenlehne eines Sitzplatzes und legt sein Notizbuch aufs Polster. Unzweideutig heißt das: „Reserviert.“ Wohlgemut verlässt er den Saal sodann wieder, um sich noch rasch mit Käsesemmeln zu versorgen. Als er zurückkehrt – das Kino ist inzwischen so gut wie voll – entdeckt er, dass sich auf seinem Sessel ein älterer Herr mit grauweißem Haar ausgebreitet hat; des Lokalschreibers Utensilien liegen ordentlich irgendwo auf dem Boden. Auf die Frage, wie das zugehe, teilt der Platzräuber mit, es sei sonst nichts mehr frei gewesen. Darauf stellt sich der lokale Journalist höflich als lokaler Journalist vor, verweist auf seine Zugehörigkeit zur akkreditierten Presse und gibt zu bedenken, dass seine berufliche Anwesenheit von gewisser Wichtigkeit sei. Darauf der Silberrücken gönnerhaft: „Ich komme von einer noch wichtigeren Presse. Ich komme aus München.“ Das verschlägt dem Provinzschreiberling die Sprache; er trollt sich; und erfährt später, dass es sich bei dem „noch wichtigeren“ Kollegen um Rainer Gansera handelt, der für die Süddeutsche Zeitung berichtet.

Ja dann ... Für alle Kleinkritiker gilt mithin: Nähert sich eine Koryphäe aus einem der Münchner, Berliner, Hamburger Spitzenfeuilletons, dann räumt die Plätze! Rollt den roten Teppich aus! Streut Blumen und Palmwedel! Lasst ihn hier rein: Er ist ein Star!