Historie Festival-Reporter der ersten Stunde

Von Ralf Sziegoleit

Die 49. Hofer Filmtage: Bislang waren zwei Personen immer dabei - Festivalchef Heinz Badewitz und ein Journalist der Frankenpost.

 
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Hof - Tatsächlich, ich war als Journalist immer dabei, auch schon beim ersten Mal, als das, was im Jahr darauf 2. Internationale Hofer Filmtage heißen sollte, bescheiden als "Kleinstes Filmfestival der Welt" anfing. Zwei Stunden dauerte am 28. Mai 1967 die neun Kurzfilme umfassende sonntägliche Matinee vor etwa 150 Zuschauern im Kino "Regina"; Heinz Badewitz, damals wie heute Chef des Festivals, präsentierte eine eigene Regiearbeit unter dem Titel "Die Leiden des jungen Trauerböck". Von den drei handgemalten Plakaten zur kleinen Veranstaltung schenkte er mir eins, das ich, leider, bald schon bei einem Umzug entsorgte. Aber wer hätte geahnt, dass das Souvenir als Dokument einmal wertvoll sein könnte?

Hof, 15 Jahre später von Wim Wenders als "Home of Films" geadelt, galt in den Sechzigerjahren nicht als Film-, sondern als Fußballstadt. Nur wenige Stunden nach dem Festival-Start pfiff der Schiedsrichter auf der Grünen Au ein Spiel um den Aufstieg zur Bundesliga an, das Bayern Hof mit 5:2 gegen Borussia Neunkirchen gewann. Auch dort war ich dienstlich anwesend: es galt, über die Stimmung im VIP-Bereich zu berichten. Und als im Jahr darauf der Schriftsteller Claus Henneberg die Filmleute zum Umtrunk auf sein Grundstück einlud, brachte dort jemand einen Fußball ins Spiel. Das hatte Folgen: Seit 1969 ist der Kick zwischen dem FC Hofer Filmtage und einer "Filmwelt"-Auswahl offizieller Bestandteil des Festivals.

Die Filmtage machten manche Veränderungen durch. Sie zogen von der Wörthstraße in die Altstadt und vom Mai in den Oktober um. Sie wurden länger, wurden auf zwei, drei, vier, fünf und schließlich sechs Tage ausgedehnt, ebenso auf immer mehr Spielstätten - heute sind es acht -, und sie endeten bald nicht mehr am Sonntagnachmittag, sondern erst abends. Aber eines blieb: Heinz Badewitz hatte alles im Griff. In den frühen Jahren ließ er's sich nicht nehmen, mich - und damit über die Frankenpost auch die Öffentlichkeit - bei einem Hausbesuch übers Programm zu informieren. Im Gedächtnis blieb mir, dass ihn einmal, das muss 1976 gewesen sein, meine kleine Tochter mit Spielzeugen nervte, sie hatte kurz zuvor Geburtstag gehabt. Von da an erhielt ich die Auskünfte zum Festival per Telefon.

Jene zehnten Filmtage von 1976 waren die ersten, die in mehr als nur einem Kino stattfanden. Das Central-Theater war umgebaut worden. Drei Säle machten Alternativprogramme und Filmwiederholungen möglich. Badewitz nutzte dies für zwei Retrospektiven - eine auf sein immer beliebter und bedeutender werdendes Festival, die andere auf das Frühwerk des aufstrebenden Regisseurs Brian De Palma, der aus den USA angereist war. Es war, schrieb ich in dieser Zeitung, ein Jubiläum, das in der Tat zum Jubeln Anlass bot.

Ja, Filmtage sind Festtage - für Filmfans in jedem Fall. Aber anstrengend sind sie auch. Zumal sich in den Achtziger- und Neunzigerjahren an die Film-Tage auch schon mal Film-Nächte anschlossen. Ich erinnere mich an eine von Jim Jarmusch inszenierte Dokumentation über den Rockmusiker Neil Young ("Night of the Horse"), die um 1.30 Uhr anlief, und an eine Welturaufführung aus der Reihe "Nightmare on Elm Street", die das Publikum weit über die Geisterstunde hinaus das Gruseln lehrte. Mein Heimweg danach führte durch enge Gassen, der Nebel war dicht. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete: "Horror in Hof".

Journalisten, die von auswärts anreisen, haben es gut. Sie schreiben, wenn alles vorbei ist. Als Journalist der Zeitung vor Ort hat man täglich und immer zu tun. Man darf - und muss - nicht nur Filme sehen, man muss auch aktuell zu Papier bringen, was man von ihnen hält. Das tut man, wenn andere schlafen. Zwischendurch sorgt man dafür, dass auf der Zeitungsseite übers Festival alles stimmt, und kümmert sich ums Bildmaterial. Überdies kann es passieren, dass man den Text eines Mitarbeiters ins Redaktionssystem tippt und dass dieser Text, warum auch immer, spurlos verschwindet - also noch mal von vorn.

Soll heißen: Im Rückblick erscheinen mir 48-mal Hofer Filmtage keinesfalls als reines Vergnügen. Als das Festival 40 Jahre alt wurde, erhielt ich einen Anruf von einem Rundfunksender in Berlin. Man bat um ein Interview: "Da haben Sie", hieß es, "doch bestimmt viel Tolles erlebt." Ich antwortete, dass ich gearbeitet habe. Keine Partys, keine Abende oder gar nicht Nächte mit Begegnungen und Gesprächen. Aber viel Bratwurst, Zigaretten (so lange ich noch rauchte) und einiges an Bier. Seit acht Jahren bin ich Rentner und nur noch als freier Mitarbeiter für die Zeitung aktiv. Leichter und entspannter geht nun alles. Und natürlich freu' ich mich aufs 49. Festival, das am 20. dieses Monats beginnt. Noch mehr auf das fünfzigste. Gern bin ich auch da neben Heinz Badewitz der Einzige, der sagen kann: Ich war immer dabei.