Hof/Berlin/München - Der Schock ist überwunden, die Trauer weicht der liebevollen Erinnerung: Auch wenn sich wohl jeder am 25. Oktober zur Eröffnung der 50. internationalen Hofer Filmtage Heinz Badewitz auf die Bühne wünschte, gewohnt lässig, mit immergleicher Topffrisur und Hornbrille, bei der in all den Jahren bestenfalls die Farbe wechselte - der Wunsch wird unerfüllt bleiben. So etwas gibt es bestenfalls im Kino.

Genau dafür - fürs Kino - lebte der gebürtige Hofer, der schon 1963 nach München zog, um Kameramann zu werden - und Festivalleiter wurde. Heinz Badewitz ist im März im Alter von 74 Jahren während des Besuchs des Filmfests in Graz verstorben. Unmöglich also, dass er seine Filmtage, die er 1967 als "kleinstes deutsches Filmfestival" aus der Taufe hob und in 49 Jahren zu einem der renommiertesten Filmfeste in Deutschland machte, selbst eröffnen könnte.

Wer das für ihn übernimmt, steht noch nicht fest. Früh nach seinem Tod aber war schon klar, dass das Jubiläums-Festival im Herbst stattfinden soll. Manches dazu hatte er schon mit seinen engsten Mitarbeitern in den beiden Teams in München und Hof besprochen.

Doch wer sollte Heinz' Part übernehmen, die Filmauswahl treffen? Es konnte nicht nur einer sein. Es sind drei geworden, die in der Branche fest verwurzelt sind. Inge Badewitz, Heinz' Ehefrau, hatte zuerst Alfred Holighaus angesprochen, dessen Wege sich mit jenen von Heinz seit Jahrzehnten immer wieder kreuzten. Holighaus war Journalist, Autor und Produzent von Dokumentarfilmen, gründete bei der Berlinale auf Initiative von Dieter Kosslick die Sektion "Perspektive Deutsches Kino". Mittlerweile ist er Präsident der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft. Er sagte zu, als Kurator für die Programmauswahl tätig werden zu wollen - aber nicht allein: Holighaus holte Linda Söffker, seine Nachfolgerin der Berlinale-Sektion, und Thorsten Schaumann ins Boot. Sie stiegen gern ein - auch aus alter Verbundenheit zu Heinz Badewitz.

Alfred Holighaus war vor 35 Jahren zum ersten Mal in Hof. Und seitdem immer wieder - erst als Journalist, dann als Verleiher und später als Programm-Macher. "Von Hof wird man infiziert." Für Senator, erinnert er sich, hat er 1995 seinen ersten Film in Hof eingekauft: "Nach Fünf im Urwald" von Hans-Christian Schmid. Holighaus besuchte damals neben der Vorstellung am Freitag vor Fachpublikum eigens noch jene am Sonntagnachmittag vor Hofer Publikum. Danach sei er sich sicher gewesen: "Der Film läuft." Für Produzenten und Verleiher "war Hof eben immer auch ein Seismograf".

Holighaus und Badewitz - es sollte eine enge Beziehung werden, beruflich und privat. In den vergangenen 35 Jahren habe er es nur einmal nicht nach Hof geschafft, da sei er im Krankenhaus gelegen, sagt Holighaus. Doch Heinz Badewitz habe ihn mit Anrufen auf dem Laufenden gehalten. "Wir hatten ein sehr freundschaftliches Verhältnis. Wir haben uns gemocht, respektiert und über vieles ausgetauscht", sagt Holighaus. Vor allem über Filme - bei der Berlinale arbeiteten sie eng zusammen. "Ich habe von Heinz gelernt, dass es sich lohnt, den deutschen Film richtig gern zu haben."

Und nun wählt Holighaus als einer von drei Kuratoren die Filme aus, die Ende Oktober bei den Jubiläums-Filmtagen laufen werden. Vor allem nachts und frühmorgens ist er am Schauen. "Wir machen das ja alle neben unserem Hauptberuf." Wie viele er schon gesehen hat, kann er nicht sagen. Nur: "Viele. Gute, auch weniger gute." Und ja, ein bisschen orientiere er sich bei seiner Wahl auch daran, "was Heinz gefallen würde".

Linda Söffker, der weibliche Teil des Kuratoren-Trios, sieht die Filme ebenfalls "ein bisschen durch die Brille von Heinz", wie sie sagt. 2002 seien sie sich bei der Berlinale erstmals begegnet, erinnert sie sich. Dabei hatte sie Heinz Badewitz für dessen Berlinale-Reihe German Cinema schon zwei Jahre zugearbeitet. In der Folgezeit - Badewitz' Reihe wurde eng an die neu gegründete Sektion "Perspektive Deutsches Kino" angedockt - wurden die Kontakte intensiver und häufiger. Wenn sie, die Berlinerin, nun in München war, sei sie oft bei den Badewitz eingeladen gewesen, seit 2006 habe sie den Herbst dann für Hof reserviert. "Da musste man einfach hin, um den deutschen Film gesehen zu haben", urteilt sie.

Und nicht nur in Berlin und Hof sei man sich über den Weg gelaufen, auch bei anderen Festivals - und immer habe man viel diskutiert. In Graz, erzählt sie, sei es schon mal vorgekommen, dass sie im Kino saß, während Heinz mit ihrem Freund eine kleine Tour durch ein paar Weingüter unternahm. "Wir konnten uns gut leiden", sagt Linda Söffker. "Heinz hat ja gern und viel mit jungen Leuten gearbeitet." Ein Umstand vielleicht, der Badewitz nicht altern ließ. Und der ihn auch noch im 75. Lebensjahr so unbekümmert in die Zukunft blicken ließ, dass er keinen Gedanken daran verschwendete, wie die Filmtage mal ohne ihn weitergehen sollten. "Darüber nachzudenken, das war nicht sein Ding", meint Söffker. "Ich hatte nie das Gefühl, ich müsste ihn mal danach fragen", sagt auch Alfred Holighaus.

Gefragt hat er nun Thorsten Schaumann, ob er nicht für die 50. Filmtage die internationalen Filme kuratieren wolle. Auch Schaumann, der Dritte im Bunde, kannte Heinz Badewitz lange. Seit 1997. Sie trafen sich erstmals in Cannes. Er als Praktikant von Bavaria Film International, Badewitz als derjenige, der eine Reihe deutscher Filme für das französische Festival kuratierte. Er erinnere sich gut an die herzliche Begrüßung, sagt Schaumann: "Heinz stellte mich gleich allen vor."

1998 war Schaumann dann zum ersten Mal in Hof. "Heinz und Hof, das hat mich mächtig beeindruckt." Leider habe ihn in den folgenden Jahren sein Weg nur noch selten nach Hof geführt. Aber Heinz Badewitz traf er dennoch immer wieder: In Cannes, Karlsbad und Paris, in Berlin und München. Man habe sich immer gut unterhalten. "In der Fremde tauscht man sich oft intensiver aus als in der Heimatstadt."

Fußball war dabei seltener ein Thema. "Da bin ich nicht der Richtige für", bekennt Schaumann. Anders als Alfred Holighaus, ein bekennenden Schalke-Fan. Der weiß, dass das traditionelle Fußballspiel am Samstagvormittag selbstverständlich wieder stattfinden wird. "Das Spiel ist nicht nur eine besondere Hofer Attraktion, sondern hat auch einen hohen identifikationsstiftenden Charakter." Holighaus verrät: Die Trikots der Teams fürs Jubiläumsspiel sind bereits "designed".

Ich habe von Heinz gelernt, dass es sich lohnt, den deutschen Film gern zu haben.

Alfred Holighaus über seine

Freundschaft zu Heinz Badewitz

Heinz hat gern und viel mit jungen Leuten gearbeitet.

Linda Söffker über ihre Begegnungen
mit Heinz Badewitz

Heinz und Hof, das hat mich mächtig beeindruckt.

Thorsten Schaumann über
seinen ersten Besuch in Hof

Thorsten Schaumann

Thorsten Schaumann, Jahrgang 1968, ist in Neuwied bei Koblenz geboren, er lebt heute in München. Zum Film kam der DiplomÖkonom über den Umweg New York. Hier machte er zwei Praktika bei einer Filmproduktion und einem Independent-Verleih. Zurück in Deutschland ging er 1997 zu Bavaria Film International, ist dort für den Ein- und Verkauf deutscher Filme tätig. Unter anderem verkauft er "Lola rennt" von Tom Tykwer oder den oscarprämierten Film "Jenseits der Stille" von Caroline Link. Im Jahr 2008 wechselt Thorsten Schaumann zu Sky Deutschland . Hier übernimmt er neue Aufgaben in der Programmakquisition des Pay-TV-Senders. Er ist für den Einkauf von Spielfilmen und Serien für die Abruf-Plattform sowie den Sky-Arts- Kanal zuständig.

Alfred Holighaus

Alfred Holighaus, 1959 im hessischen Dillenburg geboren, ist Autor und Filmkaufmann. Er lebt heute in Berlin. Seit 12. März 2015 ist er hauptamtlicher Präsident der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft. Parallel zu einem gelegentlichen Studium der Theologie arbeitete er als Journalist beim Berliner Stadtmagazin TIP , dessen Redaktion er von 1986 bis 1995 leitete. 1995 wechselte Holighaus in die Filmwirtschaft. Bis 2000 war er in bei Senator Film Produktion tätig, arbeitete dann als freier Autor und Produzent von Dokumentarfilmen. 2001 wechselte er zur Berlinale und leitete hier - bis zum Jahr 2010 - die neue Sektion "Perspektive Deutsches Kino". Von Januar 2010 bis Juli 2015 arbeitete er als Geschäftsführer für die Deutsche Filmakademie.

Linda Söffker

Linda Söffker, 1969 in Eberswalde in Brandenburg geboren, studierte Theater- und Kulturwissenschaften in Berlin. Ihre Leidenschaft für den deutschen Film entdeckte sie bei einem Praktikum im Zeughauskino. Nach dem Studium war sie in dem nichtkommerziellen Kino, das Teil des Deutschen Historischen Museums Berlin ist, zwei Jahre als Programmassistentin tätig. 1999 wechselte sie in die Programmorganisation der Berlinale. Dort organisierte sie auch die "German Cinema"-Reihe für Heinz Badewitz und wurde so zu einer Art Anlaufstelle für den deutschen Film. Mit Alfred Holighaus, dem Sektionsleiter der "Perspektive Deutsches Kino", arbeitete sie seit 2001 zusammen, seit 2002 offiziell als Programmkoordinatorin der Sektion. Seit 2011 ist sie Leiterin der Sektion.