Mehr als ein Jahr nach der Implosion des Tiefsee-Tauchboots „Titan“ im Nordatlantik verlangt die Familie eines der fünf Todesopfer 50 Millionen Dollar (rund 46 Millionen Euro) Schadenersatz.
„Angst und seelische Qualen“ sollen die Insassen des verunglückten Tauchbootes "Titan" bei ihrer Expedition zur „Titanic“ im Angesicht des Todes erlebt haben. Die Klageseite erhebt noch weitere schwere Vorwürfe gegen das Unternehmen, das die "Titan" betrieben hatte.
Mehr als ein Jahr nach der Implosion des Tiefsee-Tauchboots „Titan“ im Nordatlantik verlangt die Familie eines der fünf Todesopfer 50 Millionen Dollar (rund 46 Millionen Euro) Schadenersatz.
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Der Betreiber habe grob fahrlässig gehandelt, heißt es in der Klage, die nach Angaben der beauftragten Anwälte im Namen der Angehörigen des damals gestorbenen französischen Wissenschaftlers Paul-Henri Nargeolet bei einem Gericht in Seattle im US-Bundesstaat Washington eingereicht wurde.
Nargeolet (77) war als „Monsieur Titanic“ bekannt und galt als einer der führenden Experten für das Wrack des britischen Luxusliners.
Die fünf Insassen des Tauchbootes waren am 18. Juni 2023 auf einer Expedition zu der 1912 gesunkenen „Titanic“ unterwegs, als das Unglück geschah. Bei einer Implosion bricht ein Objekt schlagartig zusammen, wenn der Außendruck größer ist als der Innendruck.
Weiter heißt es in dem am Donnerstag (8. August) vorgelegten Dokument, es seien zudem Mängel und Unzulänglichkeiten des Tauchbootes nicht offengelegt beziehungsweise absichtlich verschwiegen worden.
US-Medien zufolge heißt es in der Klage gegen den US-Betreiber Oceangate, dass die Besatzung irgendwann erkannt haben müsse, dass alle Insassen sterben würden und dass diese daher „Angst und seelische Qualen“ erlebt haben müssten. „Der gesunde Menschenverstand sagt, dass die Besatzungsmitglieder, bevor sie starben, sehr wohl wussten, dass sie sterben würden.“
An Bord der „Titan“ waren neben Nargeolet der britische Abenteurer Hamish Harding (58), der britisch-pakistanische Unternehmensberater Shahzada Dawood (48) und dessen 19-jähriger Sohn Suleman sowie der Chef der Betreiberfirma Oceangate, Stockton Rush (61).
Experten seien sich einig, dass ein akustisches Signal die Crew davor gewarnt habe, dass die Hülle des rund sieben Meter langen Tauchbootes unter dem extremen Druck zu brechen drohte, heißt es in der Klageschrift. Der Pilot soll daher versucht haben, Gewicht abzulassen und den Tauchgang abzubrechen.
Der Betreiber habe sich bislang nicht zu der Klage äußern wollen, heißt es weiter. „Wir hoffen, dass wir mit dieser Klage Antworten für die Familie bekommen können, wie genau das passiert ist, wer alles daran beteiligt war und wie die Beteiligten so etwas zulassen konnten“, erklärte Tony Buzbee, einer der an der Klage beteiligten Anwälte.
Tage nach dem Verschwinden des Tauchbootes südlich von Neufundland hatte ein Tauchroboter knapp 500 Meter vom Bug des „Titanic“-Wracks entfernt die Trümmer der „Titan“ entdeckt. Laut Fachleuten gab der Rumpf des Boots dem enormen Wasserdruck nach und implodierte.
Die „Titanic“ liegt in rund 3800 Metern Tiefe auf dem Meeresgrund. Der Luxusdampfer war am 15. April 1912 nach der Kollision mit einem Eisberg untergegangen, 1514 Menschen starben damals.
Bei einer Implosion bricht ein Objekt schlagartig zusammen, wenn der Außendruck größer ist als der Innendruck. Sie steht im umgekehrten Kräfteverhältnis zu einer Explosion. Schon der kleinste strukturelle Defekt kann in großer Tiefe eine solche Katastrophe auslösen.
Die Insassen des Tauchboots hatten anderen Experten zufolge von der eigentlichen Implosion selbst nichts mehr mitbekommen. Der Druck auf das Tauchboot sei in so großer Tiefe massiv gewesen. Die Implosion sei im Bruchteil einer Millisekunde passiert, erklärte die ehemalige Marineoffizierin Aileen Marty, eine Professorin für Katastrophenmedizin. Das menschliche Gehirn könne die Lage so schnell gar nicht erfassen, so Aileen Marty. „Das ganze Ding ist kollabiert, bevor die Menschen darin überhaupt bemerken konnten, dass es ein Problem gab.“
Oceangate hatte die Tiefsee-Expeditionen zur „Titanic“ für etwa 250 000 Dollar (229 000 Euro) pro Person im Angebot und schon rund ein halbes Dutzend Mal gemacht. Das Unternehmen war aber von Beginn an – wie erst später öffentlich bekannt wurde – mit Sicherheitsbedenken zahlreicher Fachleute konfrontiert worden.
Die „Titan“ war von keiner Behörde oder Einrichtung für bemannte Tiefseetauchgänge überprüft, zertifiziert oder offiziell zugelassen worden. Standards seien umgangen und Warnungen missachtet worden, hieß es in früheren Berichten.
Oceangate hat nach eigenen Angaben inzwischen alle Erforschungen und kommerziellen Geschäftstätigkeiten eingestellt. Untersuchungen des Vorfalls laufen unter anderem bei der US-Küstenwache und der Transportsicherheitsbehörde Kanadas.
Wie groß ist der Druck unter Wasser?
Der Druck, der in der Tiefsee auf jeden Zentimeter Oberfläche lastet, ist gewaltig. Er besteht aus den Millionen von Litern Wasser, die auf den Boden der Tiefsee drücken. Diesen Druck nennt man Unterwasserdruck oder hypostatischer Druck. Da Salzwasser eine leicht höhere Dichte als Süßwasser besitzt, ist die Druckzunahme im Salzwasser etwas höher.
Wie wird der Wasserdruck gemessen?
Wasser hat eine deutlich höhere Dichte als Luft. Deshalb steigt der Umgebungsdruck unter Wasser mit der Tiefe stark an. Als Faustregel gilt: Der Wasserdruck pro 10 Meter Wassertiefe nimmt um ein bar zu. In 10 Metern Wassertiefe herrscht ein Unterwasserdruck von 1 bar.
Was ist Bar?
Das Bar (von altgriechisch „barýs“, schwer‘) ist in der Physik, Chemie und in den Ingenieurwissenschaften die physikalische Einheit, mit der man den Druck angibt. Als Faustregel gilt: 1 bar ist etwa der Luftdruck auf der Erdoberfläche oder der hydrostatische Druck einer Wassersäule von 10 Meter Höhe.
In welchem Verhältnis steigt der Druck mit größerer Tiefe an?
In 1000 Metern Wassertiefe herrscht dann bereits ein Druck von 100 bar – umgerechnet also 100 pro kg/cm2. An den tiefsten Orten der Weltmeere, im Marianengraben in über 10 000 Metern Tiefe, lastet somit 1 Tonne Gewicht kg/cm2 auf den Lebewesen. Anders gesagt: Pro zehn Meter Tiefe steigt der Druck um rund 1 bar. 3800 Meter unterm Meeresspiegel - die Tiefe, in der das Wrack der Titanic liegt – herrscht der 200-fache Druck wie über Wasser.