Beim Thema Physik denken manche Menschen mit Schrecken an ihre Schulzeit zurück, und Kernforschung ist auch nicht wirklich etwas für angeregte Plauderstunden.
Tumorbekämpfung, Daten-Verschlüsselung, energiesparende Stromleitungen: Was hat das mit komplizierter Teilchenphysik zu tun? Das Kernforschungszentrum Cern bei Genf ist überall mit im Spiel.
Beim Thema Physik denken manche Menschen mit Schrecken an ihre Schulzeit zurück, und Kernforschung ist auch nicht wirklich etwas für angeregte Plauderstunden.
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Dabei ist die Arbeit von Teilchenphysikern sehr spannend. Und von ihren bahnbrechenden Erfindungen am Cern – der Europäischen Organisation für Kernforschung – in Genf profitiert jeder im Alltag: beim Internetsurfen, beim Arztbesuch und vielem mehr.
Die Organisation will dem Ursprung des Universums auf die Spur kommen. Am 29. September feiert sie 70. Geburtstag. An diesem Tag im Jahr 1954 ging für Physiker in aller Welt mit der Inbetriebnahme des ersten Teilchenbeschleunigers am Cern ein Traum in Erfüllung. Der Staatsvertrag für das Europäische Kernforschungszentrum trat in Kraft.
Was hat die Kernforschung am Cern für die Menschheit nicht schon alles gebracht. Das sind einige hier entstandene Erfindungen:
Der dänische Ingenieur Bent Stumpe entwickelte am Cern Vorläufer zweier weiterer heute gängiger Anwendungen, und das schon in den 1970er Jahren: Er präsentierte den ersten transparenten Touchscreen, auf dem – wie heute bei jedem Smartphone oder Tablet – die Berührung des Bildschirms reicht, um Dinge zu bewegen. Mit Bowlingbällen baute er einen Trackingball, mit dem ein Cursor auf dem Bildschirm bewegt werden kann – ein Vorläufer der Computer-Maus.
Am Cern wird erforscht, was in den ersten Sekunden nach dem Big Bang, der Geburtsstunde des Universums, geschah. Ob es noch kleinere Teilchen als Quarks gibt und was es mit der Antimaterie auf sich hat. Um den Zustand unmittelbar nach dem Urknall zu simulieren, hat das Cern den Teilchenbeschleuniger LHC gebaut.
Rund vier Jahrzehnte ist es her, da tauchte erstmals die Idee des Large Hadron Collider auf. Die damaligen Beschleuniger stießen an ihre Grenzen. 1985 begannen Schweizer Ingenieure mit dem Bau des Tunnels, den sie drei Jahre später fertigstellten. Danach ging der Large Electron Positron Collider (LEP) an den Start, der 2000 abgeschaltet wurde.
Diese Technologie macht sich auch die Medizin zunutze. Bei einem PET-Scan werden wie in Cern-Detektoren Photonen gemessen, die Zellen oder Gewebe sichtbar machen, die viel Energie verbrauchen, darunter entzündetes oder Tumorgewebe.
Er unterscheidet sich von anderen bildgebenden Verfahren wie der Magnetresonanztomographie (MRT), die Gewebe, Organe und Knochen abbilden. Beim PET-Scan (PET steht für Positronen-Emissions-Tomografie) wird sehr wenig und praktisch unschädliches Kontrastmittel eingesetzt.
Neben Diagnosen sind auch Behandlungen aus Cern-Erfindungen hervorgegangen: Am Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrum (HIT) werden Tumore bei Krebskranken seit 2009 zum Beispiel mit Schwerionen und Protonen bestrahlt, die tief im Körper liegende Tumore zerstören können und dabei umliegendes gesundes Gewebe schonen sollen. Das ist bei Tumoren an heiklen Stellen wie der Schädelbasis oder dem Sehnerv besonders wichtig.
Den Teilchenbeschleuniger LHC in Gang zu setzen, braucht viel Energie. Um möglichst wenig beim Transport zu verlieren, hat das Cern Supraleiter aus Metalllegierungen mitentwickelt, die bei Temperaturen von minus 270 Grad keinen Widerstand haben. Die Ingenieure arbeiten daran, dies möglichst auch ohne so tiefe Kühlung hinzubekommen.
Für den Flugzeughersteller Airbus ist das interessant. Airbus arbeitet an einem Brennstoffzellen-Antrieb, der aus flüssigem Wasserstoff und Sauerstoff Energie generiert. Mit Supraleitern könnte die Energie verlustfrei zu den Triebwerken gebracht werden. In Zukunft könnten Supraleiter, die nicht so tiefe Kühlung brauchen, auch bei der Nutzung von Brennstoffzellen im Alltag dienen, erklärt Cern-Physiker Sascha Schmeling.
Um die riesige LHC-Maschine präzise zu steuern und die vielen Daten zu verarbeiten, sind sehr spezielle Programme nötig. Cern-Entwicklungen macht sich zum Beispiel die deutsche Börse zunutze, um beim elektronischen Handel prüfen zu können, in welcher Nanosekunde wer welche Transaktion vorgenommen hat. Das Projekt trägt den Namen „White Rabbit“ (Weißes Kaninchen).
Zwischen Cern und Bundesdruckerei in Berlin besteht ein Austausch zu Möglichkeiten, um die Sicherheit von sensiblen Daten mit Methoden des Cern zu verbessern.
Quantentechnologie ist ein anderes Feld, mit dem das Cern sich beschäftigt, etwa zum Bau supersensibler Sensoren. Das Fraunhofer-Institut schreibt: „Quantentechnologien ermöglichen völlig neue, noch nie dagewesene Anwendungen in der Messtechnik, Bildgebung, Kommunikationssicherheit und bei hochkomplexen Berechnungen.“
Um diese und andere Anwendungen transparent und mit anderen zu entwickeln, hat das Cern die Führung in einer Zusammenarbeit namens Quantentechnologie-Initiative übernommen.
Mit Cern-Technologie können Gemälde analysiert werden, ohne die Werke zu beschädigen. So können mithilfe spektroskopischer Röntgenbilder tiefer liegende Farbschichten oder die Zusammensetzung der Farben erkannt werden, was Rückschlüsse auf Epochen und einzelne Maler erlaubt.
So konnte das tschechische Unternehmen InsightART 2020 ein Gemälde aus einer Privatsammlung dem Renaissance-Maler Raffael zuordnen.