Absagen-Welle in der Gastro Magere Adventszeit für Gastronomen

Die Hoffnung auf die Hochzeit im Advent mit etlichen betrieblichen und privaten Weihnachtsfeiern war groß. Doch jetzt machten die explodierenden Corona-Zahlen vielen Gastronomen einen Strich durch die Rechnung. Foto: dpa/Oliver Berg

Die Corona-Krise trifft das Gastgewerbe hart. Wegen der Pandemie werden Weihnachtsfeiern reihenweise abgesagt.

 
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Wunsiedel - Gewöhnlich verzeichnen Gastronomen in der Vorweihnachtszeit ein dickes Plus im Umsatz. Doch wo das gesellige Miteinander bei einem guten Essen sonst dicht an dicht genossen wird, stehen heuer wieder Abstandhalten, Händedesinfizieren und Impfnachweise im Mittelpunkt und lassen den Traum vom üppigen Weihnachtsgeschäft platzen.

Um die zehn Weihnachtsfeiern stiegen bei „Kohler’s Kulinarik“ im Marktredwitzer Ortsteil Haag in der Regel in den Jahren vor der Pandemie. Heuer fand in dem Restaurant genau eine statt – und zwar im November, bevor die strengeren Corona-Regeln griffen. Der Rest wurde abgesagt. „Das liegt vor allem an der generellen Skepsis wegen der explodierenden Corona-Zahlen“, erklärt Agnes Kohler. Vielen Gästen sei das Risiko, sich oder andere bei Festlichkeiten zu infizieren, schlichtweg zu groß.

Catering als Alternative

Wie so oft schon ist in Zeiten der Pandemie Kreativität gefragt. Einige Betriebe, die ihre Weihnachtsfeier nicht in einer Gastwirtschaft ausrichten wollen, lassen sich Alternativen einfallen. „Eine Praxis beispielsweise hat uns mit einem Fingerfood-Catering beauftragt und ihre Feier in kleinem Rahmen in der Mittagspause ausgerichtet.“

Dass mit der Winterzeit wieder ein so herber Einbruch kommt, war eine kleine Überraschung. Erst im Sommer hatten die Kohlers ihr Gewerbe personell aufgestockt. „Wir haben 450-Jobber angestellt, weil wir mehr Leute als üblich gebraucht haben, um den Betrieb zu stemmen. Sie alle haben bei uns gerade wieder keine Arbeit mehr.“

Struktur statt Hin und Her

Obwohl Agnes Kohler glaubt, dass die Regierung nicht viel gegen die prekäre Lage ausrichten kann, hoffe sie auf Unterstützung in irgendeiner Form. „Das Sprunghafte in der Corona-Politik erschwert die Arbeit enorm. Ich würde mir wünschen, dass man sich eher Gedanken macht und die Devise weggeht von dem Hin und Her zu mehr Struktur“, stellt sie klar.

Auch Karin Gläßl, die gemeinsam mit ihrem Mann Uwe das Wirtshaus „Zur Stieglmühle“ bei Waldershof betreibt, sieht das ständige Auf und Ab durch kurzfristige Änderungen kritisch. „Wie soll man da anständig kalkulieren können?“, fragt sie sich. Gäste, die sich erkundigen, ob ihr Wirtshaus an Weihnachten geöffnet sei, müsse Gläßl im Dunklen lassen: „Das wissen wir leider selbst noch nicht. Corona macht eine langfristige Planung unmöglich.“

Trotzdem bleibt die gelernte Bürokauffrau optimistisch: „So lange wir geöffnet bleiben dürfen, rudern wir. Und wir sind dankbar dafür, dass wir rudern dürfen und dass es uns nicht so hart getroffen hat wie die Reisebranche.“

Das „Rudern“ bedeutet auch, dass ihr Mann Uwe ein Stück weit wieder in seinen alten Beruf zurückkehrt. Der Metzgermeister wurstet, weshalb auch Wildschwein-Salami, Bratwürste und Polnische über die Wirtshaustheke wandern – eine Art erweitertes To-Go-Angebot, seitdem die 2 G-Regel wieder greift. „Und zusätzlich ein kleines zweites Standbein“, erklärt die Wirtin.

Keiner möchte Verantwortung tragen

Von den 90 Plätzen der „Stieglmühle“, die in pandemiefreien Zeiten jeden Tag ausgebucht waren, sind im Schnitt aktuell rund 15 besetzt. Lediglich eine Weihnachtsfeier steht an. „Viele Firmen canceln ihre Feste, weil sie nicht feiern dürfen. Die Verantwortung möchte in der heiklen Zeit niemand tragen.“

Weitere Gründe nennt Roland Gläßl vom Gut im Wunsiedler Ortsteil Göpfersgrün: „Unter manchen Gästegruppen sind Ungeimpfte, andere wollen die Booster-Impfung abwarten, bis sie sich wieder ins Lokal trauen.“ Zudem sei derzeit generell Vorsicht geboten.

Gutscheine können helfen

Das Resultat – eine Absagewelle: Etwa 90 Prozent aller Reservierungen von Familien, Vereinen und Firmen, die eine Weihnachtsfeier in dem Wirtshaus abhalten wollten, sind wegen Corona gestrichen worden. Wo in herkömmlichen Zeiten bis zu 35 Feiern wöchentlich stattfanden, geht es in diesem Jahr gediegen zu. Nur noch fünf Gruppen sind aktuell geplant. „Für uns ist die Adventszeit normalerweise die umsatzstärkste Zeit im Jahr“, sagt Gläßl. Mit dem To-Go-Geschäft ließe sich der corona-bedingte Ausfall nicht annähernd kompensieren. Eine andere Möglichkeit, die lokale Gastronomie zu unterstützen, seien Gutscheine. „Sie sind obendrein ein guter Ersatz bei einer ausfallenden Feier“, meint Gläßl. „Da müssen wir jetzt eben durch.“

Äußerst gut habe das To-Go-Geschäft während der ersten beiden Lockdowns bei „Baros Burgerkunzt“ in Marktredwitz funktioniert. Die eine Weihnachtsfeier, die für dieses Jahr angesetzt war, wurde storniert. „Bei uns macht sich das ständige Verschärfen der Regelungen primär im Tagesgeschäft bemerkbar“, sagen die Chefs, Romy und Sebastian Kunz. Sei der jüngsten Corona-Beschränkungen kämen weniger Gäste ins Baros. „Weil die Leute Angst haben, sich anzustecken oder nicht geimpft sind.“

Obwohl der Großteil der Restaurant-Besucher einsichtig sei, was das Umsetzen der neuen Maßnahmen angeht, habe es auch schon negatives Feedback gegeben. Zwei oder drei Leute hätten das Wirts-Ehepaar via Social Media verbal angegriffen, als sie ihre Follower über die Änderungen der Corona-Verordnung informierten. „Dabei halten wir uns lediglich an die Vorschriften. Uns sind die Hände gebunden“, betont Romy Kunz.

Wenn Gäste ihren Ausweis oder Impfnachweis vergessen, bleibt die Gastronomin hart. „Hin und wieder wird man dann schon einmal blöd angeschaut, aber wir müssen gewissenhaft sein.“ Hin und wieder komme es vor , dass Besucher mit der falschen Maske in den Laden kommen. „Da helfen wir gerne mit dem richtigen Modell aus“, sagt Kunz.

Mehr Planungssicherheit erwünscht

Was der Gastronomie-Branche helfen würde, wäre eine Plattform, die einen Überblick über die ständig variierenden Regeln gibt. „Teilweise sind die Vorschriften ja nicht einmal tagesaktuell“, kritisiert die Wirtin. So wäre zumindest ein bisschen mehr Planungssicherheit möglich.

Ihr Mann denkt mittlerweile an ein Vorgehen nach schwedischem Vorbild – ohne Ausgangssperren, Kontaktverbote und Lockdowns: „Vielleicht sollten wir die Maßnahmen fallen lassen“, sagt Sebastian Kunz. „Geimpfte könnten in einen normalen Alltag zurückkehren und Ungeimpfte, die eine Immunisierung verweigern, wären nach und nach genesen. Letztere müssten im Gegenzug aber ihren Anspruch auf eine intensivmedizinische Betreuung im Falle einer Corona-Erkrankung aufgeben.“ Foto: Peter Perzl

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