Anfang 2020 hatten die USA mit den Taliban ein Abkommen unterzeichnet, das einen schrittweisen Abzug aller internationaler Streitkräfte vorsieht. Im Gegenzug verpflichtete sich die militante Gruppe zu Friedensgesprächen mit Afghanistans Regierung. Kritiker werfen den Taliban vor, andere Verpflichtungen im Abkommen zu verletzten. Die Nato-Staaten wollen daher ihren Einsatz in Afghanistan nun bis auf Weiteres fortführen.
Der blutigste Monat in 2020 war der UN-Mission zufolge der Oktober - also die Zeit nur wenige Wochen nach Beginn der afghanischen Friedensgespräche in der katarischen Hauptstadt Doha. Die Gespräche zwischen Unterhändlern der Republik und den militant-islamistischen Taliban kommen nur schleppend voran. Experten gehen davon aus, dass die Islamisten ihre militärische Stärke nutzen, um Druck am Verhandlungstisch auszuüben. Eine von der Regierung geforderte Waffenruhe lehnen die Taliban weiter ab.
Den Rückgang der Zahl der zivilen Opfer im vergangenen Jahr erklärt die UN-Mission unter anderem mit weniger großen Anschlägen. Seit ihrem Abkommen mit den USA Anfang 2020 hatten die Taliban in den Ballungszentren weitestgehend auf große Bombenanschläge verzichtet. Kritiker stellen eine Änderung ihrer Strategie fest und werfen den Taliban vor, ihre Gegner mit gezielten Tötungen zu ermorden. Überall macht sich im Land Hoffnungslosigkeit breit, die Angst vor einem neuen Bürgerkrieg nimmt zu. Viele junge Leute denken ans Auswandern.
Auch Unama beklagt gezielte Tötungen von Journalisten und Menschenrechtlern, deren Drahtzieher und Täter oft im Verborgenen bleiben. Für 62 Prozent der zivilen Opfer sind dem Bericht zufolge regierungsfeindliche Gruppen verantwortlich, die afghanische Armee für 22 Prozent. Internationale Streitkräfte hätten nur ein Prozent der getöteten oder verwundeten Zivilisten verursacht. Der Rest sei Opfer von Kreuzfeuer oder unbekannten Tätern geworden. Die extremistischen Taliban, die Unama zufolge 2020 für 45 Prozent der zivilen Opfer verantwortlich waren, bezeichneten den Bericht als "fehlerhaft". Er beruhe auf "Propaganda", so ihr Vorwurf.
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