Ein ausrangiertes Batteriepaket der Internationalen Raumstation ISS fliegt seit drei Jahren um die Erde. Am Freitagabend tritt es in die Atmosphäre ein. Einige Trümmer könnten die Planetenoberfläche erreichen. Doch Deutschland und Baden-Württemberg drohen keine Gefahr, beruhigen Raumfahrt-Experten.
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Ganz so schlimm wird es dn doch nicht kommen. Schließlich geht es "nur" um von der Internationalen Raumstation ISS ausrangierte Batterien, das auf die Erde zurast. Es handelt sich um eine externe Palette mit ausgedienten Nickel-Wasserstoff-Batterien, die vom Canadarm2-Roboterarm der ISS freigegeben wurde.
Die zuständigen Raumfahrt-Experten bleiben bei ihrer Einschätzung und sehen in den herabfallenden Trümmerteilen "aller Voraussicht" nach keine Gefahr für Deutschland. Es sei "unwahrscheinlich", dass Teile über der Bundesrepublik niedergehen, sagt ein Sprecher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) am Freitagmorgen (8. März).
Bei dem Objekt handelt es sich den Angaben zufolge um eine Plattform mit Batteriepaketen, die in etwa so groß wie ein SUV ist und 2,6 Tonnen wiegt. Die Plattform wurde bereits am 21. März 2021 bewusst von der ISS abgetrennt, um Jahre später in die Atmosphäre einzutreten.
In einem Tweet der Internetplattform X (früher Twitter) vom 13. März 2021 ist das Batteriepaket deutlich zu erkennen:
Nach aktuellen DLR-Angaben könnte das Objekt Berechnungen zufolge über den nördlichen Regionen Nordamerikas in die Atmosphäre eintreten. Es wurde mit einem 20-Stunden-Zeitfenster rund um den späten Freitagabend deutscher Zeit gerechnet, wie auf der Karte des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz ud Katastrophenhilfe (BKK) vom 8. März zu sehen ist.
Das Bundesamt hatte am Donnerstagnachmittag (7. März) über mehrere Warn-Apps eine amtliche Gefahreninformation verbreitet, derzufolge die Wahrscheinlichkeit, dass Trümmer auf Deutschland stürzen, "sehr gering" sei. „Sollte sich das Risiko erhöhen, erhalten Sie eine neue Information“, heißt es dort. Möglich seien aber „Leuchterscheinungen oder die Wahrnehmung eines Überschallknalls“.
„Erste Analysen des deutschen Weltraumlagezentrums haben ergeben, dass Teile der Batteriepakete den Wiedereintritt überstehen und die Erdoberfläche erreichen können“, hatte das Zentrum für Luft- und Raumfahrt ebenfalls am Donnerstag mitgeteilt. Vor dem Wiedereintritt überfliege das Objekt mehrmals Deutschland.Eine Gefährdung hierzulande werde „derzeit jedoch als statistisch unwahrscheinlich angesehen“.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) schreibt auf seiner Homepage ebenfalls, eine Gefährdung für Deutschland sei „sehr unwahrscheinlich“. Es teilt weiter mit: „Sollten sich wider Erwarten Hinweise auf eine Betroffenheit Deutschlands abzeichnen, so werden die bestehenden Krisenreaktionsmechanismen von Bund und Ländern genutzt, um auf eine mögliche Gefährdung entsprechend zu reagieren. Diese ist nach aktuellem Stand allerdings mehr als unwahrscheinlich. Dennoch wird das Objekt eng überwacht.“
Der Weltraumschrott könnte laut Budesamt unter Umständen auch auf Teile Baden-Württembergs niedergehen. Experten bleiben aber bei ihrer Einschätzung und sehen in den herabfallenden ISS-Trümmerteilen "aller Voraussicht nach keine Gefahr für Deutschland". Es sei "unwahrscheinlich", dass Teile über Deutschland niedergehen, bestätigte ein Sprecher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) am Freitagmorgen erneut.
Auch Europas früherer Raumfahrtchef Jan Wörner hält die Gefahr für gering. „Batterien brennen sehr gerne. Ich gehe davon aus, dass das Paket nahezu komplett in der Atmosphäre verglüht“, erklärt Wörner. „Vielleicht sieht man das Zerlegen ja als schöne Sternschnuppe.“ Selbst, wenn Teilchen durchkämen, sei ein Treffer auf bewohntem Gebiet unwahrscheinlich. „Unter der großen Fläche, die das Paket überfliegt, ist sehr viel Wasser.“
Der Fall liege anders als etwa der Absturz des deutschen Röntgensatelliten Rosat im Jahr 2011, sagt Wörner. „Rosat bestand im Unterschied zu den Batterien auch aus Glas und Keramik, das beides nicht völlig verglüht.“ Als damaliger Chef des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) habe er „wirklich geschwitzt“, so der 69-Jährige. „Zum Glück fielen die Trümmer in den Golf von Bengalen.“
Für Wörner steht fest: Solche Abstürze sollten Anlass sein, endlich Schritte gegen Gefahren aus dem All zu unternehmen. „Das Batteriepaket ist von der Größe her nichts im Vergleich zu dem, was unkontrolliert im Weltraum herumfliegt. Wir brauchen endlich ein Frühwarnsystem zum Schutz der Erde.“
Der deutsche Astronaut Alexander Gerst verteidigt den Wiedereintritt von Trümmerteilen aus dem Weltraum in die Erdatmosphäre als sinnvoll. „Das ist die beste Art und Weise, um Weltraumschrott zu vermeiden. Das ist im Prinzip eine positive Sache.“ Die Gefahr, dass Teile auf Deutschland niedergehen, sei sehr gering. „Das sind sowieso nur ganz kleine Bruchstücke, die da, wenn überhaupt, den Erdboden noch treffen.“
Sei Kollege Matthias Maurer betont: „Wir müssen den Weltraum sauber halten.“ Der Weltraum müsse nachhaltig betrieben werden. „Wie wir auch die Hochsee nicht mit Müll verschmutzen sollten, sollten wir auch den Weltraum nicht zumüllen. Irgendwann stößt dieser Müll aneinander und erzeugt dann Weltraumschrott.“ Dann sei der Raum nicht mehr nutzbar. Es gebe momentan etwa 10 000 aktive Satelliten im All, diese Zahl solle noch enorm steigen.
Es handelt sich um einen unkontrollierten Wiedereintritt, deswegen sind genaue Vorhersagen sehr schwer. „Das Objekt wird allmählich durch die Atmosphäre abgebremst und verliert damit an Bahnhöhe“, erläutert der Leiter des Esa-Programms für Weltraumsicherheit, Holger Krag.
„Die großen Unsicherheiten kommen daher, dass wir nicht genau voraussagen können, wie dicht die Atmosphäre sein wird“, unterstreicht Karg. „Es hängt von vielen Faktoren ab und bleibt zu einem großen Teil dem Zufall überlassen. Insofern kann man selbst einige Stunden vorher den Ort noch nicht genau benennen. Man kann vielleicht einige Kontinente ausschließen, aber man kann die Vorhersage auf keinen Fall auf ein Land oder eine Stadt herunterbrechen.“
„Das geht sehr schnell“, sagt Krag über den Eintritt in die Atmosphäre. „Von einer Höhe von 100 Kilometer, in der der Wiedereintritt stattfindet, wenn das Objekt anfängt sich zu zerlegen, bis zum Boden sind es nur zehn Minuten. Der Batterieblock wird aber nicht als kompaktes Einzelteil auf ein ganz eng begrenztes Gebiet fallen, sondern das verteilt sich eher in einer längeren Trümmerschleppe. Man wird in dem betroffenen Gebiet eher alle 10 oder 20 Kilometer ein kleineres Teil erwarten.“
Die Experten können mit Radaren feststellen, dass das Objekt nicht mehr im Weltraum unterwegs ist. Zudem ist es möglich, dass Lichtspuren am Himmel beobachtet und vielleicht auch per Foto oder Video festgehalten werden.
Dass Weltraumschrott in die Atmosphäre eintritt und dort verglüht, ist gängiges Prozedere. So fand erst vor wenigen Wochen der vor fast 30 Jahren gestartete europäische Satellit „ERS-2“ ein solches Ende und wurde planmäßig zerstört.
Auch dass kleinere Trümmer die Erdoberfläche erreichen, kommt immer wieder vor. Meist gehen sie über dem Ozean oder unbewohntem Gebiet nieder. Nach Angaben der US-Raumfahrtbehörde Nasa ist in den vergangenen 50 Jahren durchschnittlich ein bekanntes Stück pro Tag auf die Erde gefallen. Bislang sei dadurch keine ernsthafte Verletzung oder bedeutender Sachschaden bekannt.
Nach Angaben der US-Raumfahrtbehörde Nasa sind derzeit mehr als 25 000 Objekte mit einem Umfang von mehr als zehn Zentimetern im Weltraum unterwegs, etwa 500 000 mit einem Umfang zwischen einem und zehn Zentimetern sowie mehr als 100 Millionen Partikel, die größer als ein Millimeter sind. Insgesamt seien es mehr als 9000 Tonnen. Ursprung seien vor allem Satellitenexplosionen und Kollisionen (mit dpa-Agenturmaterial).
ISS
Die Internationale Raumstation ist die größte und langlebigste Raumstation. Zunächst als militärische Station von den USA geplant, wird sie seit Beginn ihres Aufbaus im Jahr 1998 in internationaler Kooperation von 16 Staaten sowie fünf Raumfahrtagenturen betrieben und weiterentwickelt. Sie ist der größte Satellit im Erdorbit und das größte menschengemachte Objekt im Weltall. Die Kosten für Bau und Betrieb beliefen sich bis 2018 auf mehr als 100 Milliarden Euro.
Betrieb
Ursprünglich war ein Betrieb der ISS bis 2020 geplant. 2014 gab die US-Raumfahrtbehörde Nasa bekannt, dass die Station bis mindestens 2024 weiterbetrieben werden solle. 2023 beschlossen die beteiligten Weltraumorganisationen eine Betriebsverlängerung bis mindestens 2028. Die Nasa, CSA (Canadian Space Agcy) und Esa (European Space Agency) wollen die ISS bis 2030 nutzen.