Was Arbeitsminister Heil unternimmt
Auch die SPD im Bundestag machte sich für ein neues Gesetz stark – denn Überstunden würden heute oft nicht erfasst und vergütet. Wirtschaftsverbände und FDP sehen das "Stechuhr-Urteil" allerdings im Widerspruch zu einer modernen, flexiblen Arbeitswelt.
Zuständig in der Bundesregierung ist Arbeitsminister Hubertus Heil. Der SPD-Politiker hatte zwar eine zügige Lösung angekündigt – und legte vor gut einem Jahr auch einen ersten Gesetzentwurf vor. Auf dem Arbeitgebertag im Herbst beteuerte der Minister noch, er wolle nicht die Stechuhr wieder einführen.
Noch immer hat die Regierung das Thema nicht abgearbeitet. "Zur gesetzlichen Ausgestaltung der Aufzeichnungspflicht finden derzeit regierungsinterne Gespräche statt", bekundet eine Sprecherin des Heil-Ministeriums. Auch aus Ampel-Fraktionskreisen heißt es: "Da gibt es keinen neuen Stand." Verwiesen wird im Arbeitsministerium auf das Bundesarbeitsgericht - denn: "Die Frage des "Ob" einer Aufzeichnungspflicht ist damit geklärt", so auch die Heil-Sprecherin.
FDP: Acht-Stunden-Tag "altes Dogma"
Warum sich die Ampel schwertut mit Neuerungen in dem Bereich, zeigen auch die Debatten nach dem jüngsten Wachstumspaket, das die Regierung mit dem Haushalt 2025 festgezurrt hat. Die Partner sind bei dem Thema uneins wie in vielen sozialen Fragen. Prompt nach der Rettung der Koalition per Haushaltseinigung macht sich die FDP im Bundestag für ein Ende des Acht-Stunden-Tags für Deutschlands Beschäftigte in heutiger Form stark.
Das Wachstumspaket sei "ein wichtiger erster Schritt in die richtige Richtung, dem perspektivisch die vollständige Umstellung von der Tages- auf eine Wochenhöchstarbeitszeit folgen sollte", sagt FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler. Heute darf die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer acht Stunden in der Regel nicht überschreiten - für Köhler ein "altes Dogma".
Die Koalitionsspitzen hatten sich in der Nacht zu Freitag auf Steuer- und Beitragsfreiheit für Zuschläge für Überstunden geeinigt, die bei Tarif-Beschäftigen eine Wochenarbeitszeit von 34 Stunden überschreiten, bei anderen von 40 Stunden.
Bei acht von zehn wird Arbeitszeit erfasst
Nach Einschätzung von Gallner hat sich die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung durchgesetzt. Betroffen sind die 35 Millionen sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die es laut Statistischem Bundesamt in Deutschland gibt. Gallner meint, es fehle zwar noch immer eine Anpassung des Arbeitszeitgesetzes. "Aber in den Unternehmen haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer oft maßgeschneiderte Lösungen gefunden, die Arbeitszeit und damit auch mögliche Überstunden zu erfassen", so die BAG-Präsidentin.
80 Prozent der Beschäftigten sagten, dass ihre Arbeitszeit betrieblich erfasst oder sie von ihnen selbst dokumentiert wird. Gallner verweist dabei auf Angaben der Bundesanstalt für Arbeitsschutz. Zahlen von 2023 deuteten darauf hin, "dass die Erfassung der Arbeitszeit etwas stärker verbreitet ist als noch 2021 und 2019", so die Bundesanstalt in einem Bericht.
Was aus Homeoffice und Vertrauensarbeitszeit wird
Flexible Modelle wie mobiles Arbeiten, Homeoffice oder Kernarbeitszeiten seien durch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts nicht eingeschränkt, so Gallner. "Das geht doch alles. Vertrauensarbeitszeitmodelle sind nicht in Gefahr, im Gegenteil." Auch dafür würden schließlich die gesetzlichen Regelungen gelten wie eine elfstündige Ruhezeit pro Tag oder eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden. Sie reagierte damit auf Befürchtungen einiger Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände.
Wie Deutschland auf die "Sünderliste" der EU kam
Nach Angaben von Fachpolitikern und Arbeitsrechtlern stand Deutschland wegen der fehlenden Umsetzung der Zeiterfassungspflicht kurz vor einem Vertragsverletzungsverfahren der EU - als einziger großer Mitgliedsstaat. Nach ihrem Wissen stehe die Bundesrepublik inzwischen nicht mehr auf der "Sünderliste", sagt Gallner.