Keine Ausrede mehr gelten lassen! Endlich das Kinderzimmer ausmisten! Vielleicht, wenn die Kinder in der Kita sind, denn Kinder sind Sammler und geben ihre Schätze nur ungern wieder her.
Kronkorken, Steine, Dinosaurier: Kinder sammeln gern und sortieren nur ungern etwas aus. Ein Erziehungswissenschaftler und eine Aufräumexpertin erklären, wie sich das Chaos beherrschen lässt.
Keine Ausrede mehr gelten lassen! Endlich das Kinderzimmer ausmisten! Vielleicht, wenn die Kinder in der Kita sind, denn Kinder sind Sammler und geben ihre Schätze nur ungern wieder her.
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Etwa im Alter von anderthalb Jahren fangen die meisten Kinder an, eigene Besitztümer anzuhäufen. „Dahinter steckt oft ihr Wunsch, sich mit schönen Dingen zu umgeben“, sagt Erziehungswissenschaftler Ludwig Duncker. Bereits Babys interessieren sich für Gegenstände, erkunden sie mit den Händen oder stecken sie aus Neugier in den Mund. „Es ist ein entdeckendes Lernen, ein ästhetisches Interesse an den Dingen“, sagt Duncker.
Wenn Kinder im Wald nicht nur geradeaus laufen, sondern Steine und Kiefernzapfen aufheben, dann nehmen sie ihre Umwelt intensiv wahr. Im Grundschulalter legen manche gezielt Sammlungen an. Servietten, abgebrochene Buntstiftspitzen oder sogar Tierknochen. Die Sammlung bietet Anlass für Gespräche und macht sie für andere Kinder interessant. Indem sie sich mit einer Sache beschäftigen, erwerben Kinder Wissen darüber. Sie fühlen sich als Experten auf ihrem Gebiet.
„Anders als Erwachsene haben Kinder noch kein Verständnis vom ökonomischen Wert eines Gegenstands“, sagt Erziehungswissenschaftler Duncker. Sie messen Dingen ihren eigenen Wert bei: „Der ramponierte Teddy ist für ein Kind viel wichtiger als das neue, perfekte Spielzeug.“ Erwachsene könnten dadurch lernen, den Zauber der kleinen Dinge zu sehen.
Erst ab dem Grundschulalter fangen Kinder an, Dinge wie Fußball-Sammelkarten mit ihren Freunden zu tauschen oder ihr altes Spielzeug auf dem Flohmarkt zu verkaufen. Und beginnen dann langsam auch, den ökonomischen Wert von Dingen zu begreifen.
Muscheln rufen Assoziationen an einen Strandurlaub hervor, die Porzellankatze war ein Geschenk der verstorbenen Oma. „Für Kinder sind ihre Sammlungen wie ein Text ohne Buchstaben, den nur sie lesen können“, sagt Duncker. Ein Mittel, sich an schöne Erlebnisse von früher zu erinnern. Doch nicht jeder kaputte Plastikdino im Kinderzimmer hat eine solch tiefe Bedeutung. Manchmal möchten Kinder bloß nicht, dass Eltern über sie bestimmen. Mit dem Satz „Das ist meins“ ziehen Kinder Grenzen – Ausdruck ihrer Autonomie. Und die sollten Eltern bitte respektieren.
So schön die Erinnerungsstücke für Kinder auch sind: Spätestens wenn Regale und Schubläden überquellen, wollen die meisten Eltern das Kinderzimmer entrümpeln. Auch wenn die Verlockung groß sein mag: Heimlich sollte man das nicht machen. „Bei Kindern unter drei Jahren darf man die Stöckesammlung vom letzten Waldspaziergang zur Not auch mal ohne Absprache auflösen“, sagt Aufräumexpertin Denise Colquhoun.
Doch spätestens ab dem Kindergartenalter sollten Eltern ihre Kinder beim Aussortieren miteinbeziehen. Erst recht, wenn es um persönliche Dinge wie Puppen und Kuscheltiere geht. „Mit drei Jahren sind die meisten Kinder in der Lage, Kisten einzuräumen und Dinge auszusortieren“, sagt Aufräumexpertin Colquhoun.
Wichtig sei, dass Kinder das Ausmisten regelmäßig üben, damit es selbstverständlich wird – „wie Zähneputzen“. Eltern können ihren Kindern etwa eine Flohmarktkiste bereitstellen, so Colquhoun, damit sie regelmäßig alte Spielsachen entsorgen. Und bei kaputten Dingen fragen: „Kann das weg?“
Damit sich gar nicht erst so viele Dinge anhäufen, sortiert man am besten regelmäßig aus. Colquhoun rät zu einmal im Monat, damit Kinder das Ausmisten als Ritual verinnerlichen und lernen, sich selbst zu fragen: Was brauche ich wirklich? Bei Kindern im Grundschulalter könnten Eltern als Anreiz vorschlagen, das alte Spielzeug auf dem Flohmarkt zu verkaufen, um Geld für neues zu haben.
„Bei Kleinteilen, die im Kinderzimmer oft herumfliegen, kann man das Aussortieren gut als Spiel gestalten“, sagt Denise Colquhoun. „Eltern packen alles in einen Schuhkarton – die Kastanien, die kleinen Plastikfiguren – und stellen eine Eieruhr daneben. Auf ,Los!‘ wird der Karton auf den Fußboden ausgekippt. Die Kinder haben eine Minute Zeit zu entscheiden, welche Teile sie behalten möchten. Was dann noch übrig bleibt, kommt in den Müll oder wird verschenkt.“
„Lego, Puppen, Holzeisenbahn: Im Kinderzimmer hat idealerweise jede Sache ihren festen Platz“, sagt Colquhoun. Am besten in Kisten, die mit Bildern gekennzeichnet sind. Dann können schon Kindergartenkinder erkennen, wofür die Kisten da sind. Für kleine Dinge wie Muscheln oder Knöpfe können Eltern ihren Kindern eine Extra-Schatzkiste geben. Der Trick: Ist die Kiste voll, müssen die Kinder aussortieren, um wieder Platz für Neues zu schaffen.
Auch beim Thema Ordnung gilt: Eltern sind Vorbilder. Wer selbst jeden kaputten Kugelschreiber aufbewahrt, kann seinen Kindern schwer vermitteln, wie wichtig Aussortieren ist. „Es muss zu Hause nicht wie im Möbelhaus aussehen“, sagt die Aufräumexpertin.
Eine immer minimalistisch reine Wohnung sei mit kleinen Kindern gar nicht möglich – und auch nicht das Ziel. Es gehe vielmehr darum, dass jedes Teil einen Platz hat, damit man nicht erst stundenlang aufräumen muss, wenn man Besuch bekommt.