Aus der Region Coburg: Geiselnahme endet glimpflich

In Coburg rastet ein junger Mann aus. Er bedroht Angehörige mit einem Messer. Spezialeinsatzkräfte der Polizei stürmen die Wohnung.

 
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Coburg - Am Mittwoch kurz vor halb elf kommt der Befehl: Zugriff! Spezialeinsatzkräfte der Polizei sprinten zu einem Haus in der Ketschendorfer Straße in Coburg, stürmen eine Treppe hoch in den ersten Stock und durch eine Wohnungstür. Dahinter hat sich in den vergangenen zweieinhalb Stunden Dramatisches abgespielt.

Aufgaben des SEK

Das Spezialeinsatzkommando (SEK) der Polizei greift in höchst gefährlichen Situationen ein, so zum Beispiel bei Geiselnahmen, Banküberfällen, Entführungen und Erpressungen. Auch für die Observierung von verdächtigen und gefährlichen Personen ist das SEK verantwortlich, heißt es in einem Informationsportal der Polizei. Zu den typischen Aufgaben eines Polizisten beim SEK gehört der Einsatz in Bedrohungslagen, die sich ergeben, wenn Personen, wie am Mittwoch in Coburg, in psychischer Ausnahmesituation sich bewaffnen und andere Menschen als Geiseln nehmen. In solchen Fällen greift das Spezialeinsatzkommando ein und versucht, die Lage unter Kontrolle zu bringen, um zu vermeiden, dass Menschen verletzt werden.

Gegen 8.15 Uhr ist bei der Integrierten Leitstelle in Ebersdorf bei Coburg ein Notruf eingegangen. Angehörige eines Mannes, der in der Vergangenheit schon mit psychischen Problemen aufgefallen ist, werden in einer Wohnung in der Coburger Südstadt festgehalten. Die Nachricht war, dass der Mann "drei Familienangehörige mit einem Messer bedroht und gleichzeitig Geld von ihnen fordert", wird Alexander Czech, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Coburg, später mitteilen.

Ein Großaufgebot an Einsatzkräften wird alarmiert: Polizei, Rotes Kreuz, Arbeiter-Samariter-Bund, Notarzt. Und weil die Einsatzleitung von einer Bedrohungslage mit einem unberechenbaren, psychisch kranken und bewaffneten Täter ausgeht, wird auch ein Spezialeinsatzkommando (SEK) angefordert. Rund um die alte Dreifachsporthalle am Ketschenanger in der Coburger Südstadt, wo im Sommer das traditionsreiche Schützenfest "Vogelschießen" stattfindet, blinken immer mehr Blaulichter. Alle Zugänge zur Ketschendorfer Straße werden abgeriegelt, der Verkehr umgeleitet. Der Coburger Rundfunksender "Radio Eins" schickt kurz nach neun die Whats-app-Nachricht eines Hörers in den Äther. Der Mann sagt, am Ketschenanger sei alles voller Rettungs- und Polizeifahrzeuge, er wisse aber nicht, was dort los ist.

Jetzt beginnen in sozialen Netzwerken die Spekulationen. Das Wort von einer Geiselnahme in der Angerturnhalle macht die Runde. Dort sollen Kinder turnen. Das stellt sich allerdings rasch als falsch heraus. Von Einsatzkräften ist wenig bis nichts zu erfahren. Nur so viel: Es werden Menschen in einem Haus festgehalten, das einen Steinwurf von der Sporthalle entfernt liegt. Das war es dann auch schon. Die Polizei hat eine Informationssperre verhängt. Und die wird von den Einsatzkräften eisern befolgt.

Gegen 10.30 Uhr wird es hektisch in der Ketschendorfer Straße. Der Einsatz zur Erstürmung der Wohnung läuft an. Spezialeinsatzkräfte dringen in das Haus ein und überwältigen den 22-jährigen Geiselnehmer. Die Familienangehörigen, die er bedroht hat, können die Wohnung verlassen. Polizeisprecher Alexander Czech, der hinter einem Absperrband erste Informationen gibt, nennt keine Zahl, wie viele Menschen im Haus waren. Auch am Nachmittag, in der gemeinsamen Presseerklärung des Polizeipräsidiums Oberfranken und der Staatsanwaltschaft Coburg, ist lediglich von "mehreren Personen" die Rede.

Sie werden von den Besatzungen zweier Rettungswagen medizinisch betreut. Nach den ersten Untersuchungen steht fest: Der 22 Jahre alte "Randalierer" - so bezeichnen ihn Polizei und Staatsanwaltschaft - und ein 45-jähriges Familienmitglied sind leicht verletzt. Ob es sich um einen Mann handelt? Auch diese Frage bleibt unbeantwortet.

Was den 22-Jährigen dazu getrieben hat, seine eigene Familie zu bedrohen, bleibt am Mittwoch unklar. Kriminalbeamte ermitteln "in enger Absprache mit der Staatsanwaltschaft" und prüfen die Hintergründe der Tat, heißt es in der Pressemitteilung. Die Entscheidung, ob der junge Mann inhaftiert wird oder "aufgrund seines Gesundheitszustandes in ein Bezirkskrankenhaus eingewiesen werden soll", werde "spätestens am Donnerstag fallen", so Staatsanwalt Johannes Tränkle am Nachmittag.

Gegen 10.30 Uhr stürmt das SEK die Wohnung, überwältigt den 22-Jährigen und nimmt ihn fest. Die anwesenden Familienangehörigen konnten die Wohnung daraufhin verlassen. Sie wurden anschließend ärztlich betreut. Der 22 Jahre alte Randalierer sowie ein 45-jähriges Familienmitglied erlitten leichte Verletzungen, berichtet die Polizei.

Unmittelbar nach dem Ende des Einsatzes hatte die Polizei von einem 45-jährigen Tatverdächtigen gesprochen.

Kriminalbeamte haben in enger Absprache mit der Staatsanwaltschaft die weiteren Ermittlungen übernommen und beleuchten derzeit die Hintergründe für das Verhalten des Mannes. Gleichzeitig prüft die Staatsanwaltschaft ob gegen den Mann ein Haftgrund vorliegt oder ob er aufgrund seines Gesundheitszustandes in ein Bezirkskrankenhaus eingewiesen werden soll.

Coburgs Oberbürgermeister Norbert Tessmer, der den Einsatz in der Ketschendorfer Straße von Anfang an verfolgte, zeigte sich beeindruckt von der schnellen Einsatzbereitschaft und Professionalität aller Einsatzkräfte von Polizei, Arbeiter-Samariter-Bund, Rotem Kreuz und Freiwilliger Feuerwehr. „Bei aller Betroffenheit - und das so kurz vor Weihnachten - bin ich sehr froh, dass niemand verletzt wurde und unsere Bevölkerung zu keinem Zeitpunkt gefährdet war“, sagte der Oberbürgermeister der Neuen Presse. Norbert Tessmer: „Der Dank der Stadt Coburg und mein persönlicher geht an alle Einsatzkräfte vor Ort.“

Ein psychisch auffälliger Mann bedroht seine Familie mit einem Messer. Das löst einen Großeinsatz von Polizei und Rettungskräften aus. OB Norbert Tessmer lobt ihre professionelle Arbeit.

Schwerbewaffnete Spezialeinsatzkräfte der Polizei, die Sturmhauben unter ihren Helmen tragen, schusssichere Westen umlegen und Schutzschilde in ihren Händen halten, hat man in Coburg schon öfter gesehen. Zum Beispiel bei Demonstrationen politisch rechts- und linksgerichteter Organisationen. Aber nicht bei einem so dramatischen Einsatz wie am Mittwochmorgen in der Ketschendorfer Straße in Coburg.

Gegen 8.15 Uhr war ein Notruf in der Integrierten Leitstelle in Ebersdorf eingegangen. Ein junger Mann halte Familienangehörige in einer Wohnung fest, bedrohe sie mit einem Messer und fordere Geld, teilt ein Anrufer mit. Sofort wird ein Großaufgebot an Polizeibeamten und Rettungskräften von Rotem Kreuz, Arbeiter-Samariter-Bund und Feuerwehr alarmiert. "Die Polizeiinspektion Coburg sowie die umliegenden Dienststellen rückten mit allen zur Verfügung stehenden Streifenbesatzungen an", erläutert Alexander Czech, Sprecher des Polizeipräsidiums Oberfranken, am Nachmittag. Auch Spezialeinsatzkräfte der Polizei werden angefordert.

Coburgs Oberbürgermeister Norbert Tessmer informiert sich an der Sammelstelle vor der alten Dreifachsporthalle am Ketschenanger über das Geschehen. Und er hält sich, wie alle Polizisten, eisern an die Nachrichtensperre, die die Einsatzleitung verordnet hat. Tessmer kennt das Szenario. Als Hundertschaftsführer, der er beim Bundesgrenzschutz war, musste er sich mit einer Situation, wie sie sich an diesem Mittwochmorgen in der Ketschendorfer Straße abspielt, vertraut machen.

Bis 10.30 Uhr tut sich wenig. Schaulustige halten sich wohltuend zurück, respektieren die Absperrungen der Polizei. Sie hat alle Zugänge zum Wohnhaus mit Flatterband und Posten abgeriegelt. Es gibt kein Durchkommen. Auch nicht für einen Rollstuhlfahrer, der in die Südstadt will. Er muss abdrehen und den Umweg über die Alexandrinenstraße nehmen.

Dann geht alles blitzschnell. Spezialeinsatzkräfte sprinten zum Haus, stürmen in den ersten Stock, dringen in die Wohnung ein und überwältigen den Geiselnehmer. Gegen 10.35 Uhr fahren zwei Rettungswagen in die Ketschendorfer Straße. Die Besatzungen nehmen die Familienangehörigen in Empfang, versorgen sie. Körperlich verletzt sind lediglich der 22-jährige Täter und ein 45 Jahre alter Familienangehöriger. Die Polizei spricht von einem "psychisch auffälligen Mann", der "randaliert" habe. Ob er in Haft kommt oder in eine psychiatrische Klinik, soll spätestens heute entschieden werden.

Oberbürgermeister Tessmer ist über den glimpflichen Ausgang der Geiselnahme sichtlich erleichtert. Er zeigt sich beeindruckt von der "schnellen Einsatzbereitschaft und Professionalität aller Einsatzkräfte". Er sei froh, "dass niemand ernsthaft verletzt wurde und unsere Bevölkerung zu keinem Zeitpunkt gefährdet war". Der Dank der Stadt Coburg "und mein persönlicher geht an alle Einsatzkräfte vor Ort", so der OB.

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