Aus der Region Toter in Coburg: Vier Personen in Haft

Nach einem Streit im "Chicas" verstirbt ein 35-Jähriger. Die Umstände sind völlig unklar. Die Inhaberin der Bar spricht von fünf Videos, die alles festgehalten haben. Die Polizei hält sich bedeckt.

 
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Coburg - Nicole App sitzt auf dem Sofa der Rockbar, auf dem Tisch ein Aschenbecher - voll bis zum Rand, daneben das Handy. Während des rund 45 minütigen Gesprächs mit Journalisten piepst es gefühlt zwei Dutzend Mal. Immer wieder blinken Nachrichten von Freunden, Bekannten, Kolleginnen und Kollegen auf, die Anteil nehmen. Neugierige sind natürlich auch darunter. Und solche, die es schon immer gewusst haben. Der Steinweg. Mal wieder. Und jetzt sogar: ein Toter.

Nicole App ist die Inhaberin der Rockbar im unteren Steinweg und des Chicas direkt gegenüber. In der Nacht zum Sonntag ist dort ein 35-Jähriger nach einer Auseinandersetzung verstorbenen. Wenig später wurden vier Tatverdächtige festgenommen. Viel mehr über die Hintergründe ist von der Polizei nicht zu erfahren.

Die Schilderungen von Nicole App sind allenfalls eine Annäherung an das, was geschehen ist. Denn auch sie war nicht dabei, sondern ist von ihren Angestellten erst unmittelbar nach dem wie auch immer ausgeuferten Streit im Chicas telefonisch informiert worden. Außerdem hat sie, das sagt sie selber, seit 36 Stunden nicht geschlafen, und findet die Worte unter dem Eindruck der "entsetzlichen Geschichte" nur schwer.

Sie spricht von einem Mann, der irgendwann weit nach Mitternacht in die Bar gekommen sei. Nach Auskunft ihrer beiden Bedienungen hätte er nichts getrunken - zumindest nicht im Chicas - und habe sich an einen Tisch mit etwa sechs Männern und Frauen gesetzt. Was dann geschah, ist völlig unklar. Angeblich soll der Mann zunächst mit einer Frau in Streit geraten sein. Dann habe er plötzlich angefangen "wie ein Psychopath" zu randalieren und sei mit Barhockern auf die Gäste losgegangen. "Er ist total ausgerastete", erzählt Nicole App, die angeblich zwischen 2.30 und 2.45 Uhr von ihren Angestellten angerufen worden und sofort in die Bar gegenüber geeilt sei. Zwei Security-Leute aus dem Steinweg hätten den Mann auf dem Boden fixiert. Da habe er noch gelebt. "Das ganze Geschehen ist von fünf Videokameras aufgezeichnet worden", betont App. Angeblich hätten sich die Angegriffenen nicht gewehrt als der 35-Jährige auf sie los ging.

Ob das stimmt und ob einige oder mehrere Gäste als Zeugen oder Beschuldigte befragt oder vernommen wurden, wollten Polizei und Staatsanwaltschaft am Sonntag auch auf mehrfache Nachfrage nicht mitteilen. In einer gemeinsamen Pressemitteilung heißt es jedoch, die Polizei sei erst kurz nach 4.30 Uhr zu der Bar gerufen worden, nachdem es dort zu einer Auseinandersetzung gekommen war. Bei der Neuen Presse meldete sich am Sonntagnachmittag ein Zeuge, der von einer Schlägerei in dem Lokal berichtetet. Allerdings hätte der später Verstorbene danach nicht den Eindruck gemacht, als sei er lebensgefährlich verletzt.

Laut Anne Höfer, Pressesprecherin des Polizeipräsidiums Oberfranken, hätten die Beamten vor Ort einen verletzten und nicht mehr ansprechbaren Mann aufgefunden. Trotz sofort eingeleiteter Reanimationsmaßnahmen sei der 35-Jährige aus Coburg verstorben. Wenig später nahmen Streifenbesatzungen im Stadtgebiet vier Tatverdächtige fest.

Zu der Frage, ob es sich dabei um einen Teil der Gäste handelte, die zuvor mit dem Opfer in der Bar in Streit geraten waren und ob auch Frauen dabei waren, äußerte sich Höfer nicht. "Es ist viel zu früh diesbezüglich etwas zu sagen, weil viel zu viele Details und Zusammenhänge noch offen sind", betonte Höfer. Allerdings werde eine möglich Beteiligung weitererer zur Tatzeit anwesender Personen von Beamten des Fachkommissariats der Kripo Coburg und der Staatsanwaltschaft geprüft. Bei dem Opfer werden eine Obduktion und weitere rechtsmedizinische Untersuchungen durchgeführt. Die Bar bleibt nach Angaben der Inhaberin mit Rücksicht auf ihre Angestellten bis auf weiteres geschlossen.

Oberbürgermeister Norbert Tessmer äußerte sich "tief betroffen, dass wir an einem Wochenende zwei Tote in der Stadt zu beklagen haben" (siehe auch "62-Jähriger stirbt bei Wohnungsbrand" auf Seite 9). Tessmer appelliert jedoch eindringlich an alle, die von den Problemen im Steinweg betroffen sind, diesen "entsetzlichen und tragischen Fall" jetzt nicht zum Anlass zu nehmen, die Diskussion um die Sicherheit im Steinweg noch weiter anzuheizen. "Das Thema ist besprochen. Wir werden uns alle an einen gemeinsamen Tisch setzen." Jetzt gehe es allerdings zunächst einzig und allein darum, Polizei und Staatsanwaltschaft ihre Arbeit machen zu lassen.

Nicole App sagt zu dem Thema: "Es geht mir sehr zu Herzen. Nicht weil es mein Laden war, sondern weil ein Mensch gestorben ist. Es ist eine fürchterliche Tragödie, die aber nichts mit dem Steinweg zu tun hat."

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