Auch rund um die berühmten Felsen, wo einst Raubritter ihr Unwesen trieben und später die Romantiker ihre Motive fanden, brummt es. Von der 76,5 Meter langen Brücke geht der Blick auf ein einmaliges Panorama, im Rücken drängen sich Menschen durch die mittelalterliche Felsenburg Neurathen. Die Hüter des Nationalparks Sächsische Schweiz sehen die Massen mit Sorge. Schon Pfingsten war die Region fast überrannt worden, dabei hatte sich die Natur gerade etwas erholt.
"Im Lockdown war Ruhe", sagt Jörg Weber als Sprecher der Nationalparkverwaltung. Wanderfalken konnten dort wieder ihren Horst bauen, wo sonst zu viel Lärm ist. Neben Wildparkern und -campern ist der Individualverkehr ein Problem für Flora und Fauna. "Dabei gibt es sehr gut ausgebauten Nahverkehr", sagt Weber. Aber die Züge seien zu Hochzeiten voll. "Es ist halt zu viel Gast in zu wenig Landschaft."
Kirsten und ihr Mann Werner aus Lübeck sitzen elbabwärts in Obervogelgesang entspannt vor ihrem Caravan in der Sonne. "Eigentlich wollten wir nach Frankreich", sagt die 59-Jährige. Wegen Corona haben sie und ihr Mann sich für Ostdeutschland entschieden. "Ostseeküste, Spreewald, Neiße und jetzt dieses wunderbare Fleckchen." Selbst bei Eyserts auf der Hochebene in Gohrisch ist mehr als sonst los. Das ehemalige Gewächshaus am Forststeig, einem 110 Kilometer langen Wanderweg bis in die benachbarte Böhmische Schweiz ist ebenso gefragt wie die alten Schäferwagen direkt im Ort. Die Schlaf-Strandkörbe im Schatten der berühmten Festung Königstein sind ebenso belegt wie die Safari-Zelte am Treidlerweg, wo einst sogenannte Treidler die Segelschiffe elbaufwärts zogen.
"Wir sind in vielen Bereichen ausgebucht und können nur noch Restplätze anbieten", heißt es beim Tourismusverband der Region. Im Juni gingen nur 20 Prozent der Betriebe davon aus, das coronabedingte Minus aufholen zu können. Wichtig seien jetzt Ferien-Tagesgäste, sagt Verbandsgeschäftsführer Tino Richter. Hotels und Pensionen hofften auf eine Saisonverlängerung und Belebung in den Wintermonaten.
Auch das Erzgebirge will mit kühlen Wäldern, erfrischenden Gebirgsbächen und etwa 5500 Kilometer markierten Wanderwegen sowie 800-jähriger Bergbaugeschichte und einzigartiger Kulturlandschaft aus Kunstgräben und Teichen, Pingen oder Mundlöchern punkten. Der Tourismusverein der Welterbe-Region verzeichnet seit Mitte Mai viel Nachfrage und Buchungen - wenn auch sehr kurzfristig. "Menschen wollen Ausflüge in die Natur machen, sich frei und ungezwungen bewegen", sagt Chefin Ines Hanisch-Lupaschkosie einen Trend. Vor allem Wandern ohne Gepäck auf dem Kammweg oder die Mountainebike-Tour Stoneman Miriquidi stünden hoch im Kurs. Das merkt auch das Hotel "Fichtelberghaus" auf der mit 1215 Metern höchsten Erhebung des Landes. "Sonst herrscht unter der Woche Flaute bei uns, jetzt sind wir da wesentlich besser gebucht", sagt Geschäftsführerin Isa Meinel. Es kämen sehr viele Sachsen, aber auch Gäste aus anderen Bundesländern. Locken doch um den Luftkurort Oberwiesenthal am Fuß des Berges Wanderwege und Bikerrouten bis ins Tschechische - und mit der Flyline ein vier Kilometer-Flug" über den Skihang durch die Baumwipfel.
"Urlaub im eigenen Land liegt gerade im Trend", sagt Veronika Hiebl, Geschäftsführerin der Tourismus Marketing Gesellschaft Sachsen (TMGS). Sachsen werde profitieren, die Verluste der vergangenen Monate könne aber auch ein sehr guter Sommer nicht wettmachen. Nach einer Berechnung des Landestourismusverbandes summierten sich die Umsatzeinbußen allein für März bis Mai auf über 1,8 Milliarden Euro. Für das Erzgebirge ruht die Hoffnung auch auf dem Advent mit Weihnachtsmärkten, Mettenschichten, Bergparaden, sagt Hiebl. "Grundsätzlich hängt alles davon ab, ob die Infektionslage stabil bleibt."