Baleareninsel früher besiedelt als gedacht? Versunkene steinzeitliche Brücke enthüllt Mallorcas Vergangenheit

Markus Brauer/

Heute ist Mallorca ein beliebtes Urlaubsziel. Doch wann ließen sich die ersten Siedler auf der Baleareninsel nieder? Antworten auf diese Frage soll eine steinzeitliche Brücke unter Wasser liefern.

 
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Die Brücke wurde laut Studie vor fast 6000 Jahren erbaut und damit etwa 2000 Jahre früher als bisher angenommen. Foto: R. Landreth

Die westlichen Mittelmeerinseln wurden vermutlich bereits wesentlich früher besiedelt als bisher angenommen. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie eines internationales Forscherteams nach der Untersuchung einer im Wasser versunkenen, gut siebeneinhalb Meter langen Brücke vor der Küste Mallorcas. Über die Analyse wird im Fachblatt „Communications Earth & Environment“ berichtet.

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Besiedlung schon vor 9000 Jahren?

Für unsere Vorfahren lag die Baleareninsel abseits der etablierten Routen. Im Vergleich zu Kreta oder Zypern wurde sie erst sehr spät von Menschen besiedelt. Wann genau dies geschah, war jedoch bisher strittig. Zwar ergaben einige Datierungen menschlicher Knochen, die auf Mallorca gefunden worden waren, ein Alter von rund 9000 Jahren, spätere Analysen widerlegten dies jedoch.

Die Brücke wurde laut Studie vor fast 6000 Jahren erbaut und damit etwa 2000 Jahre früher als bisher angenommen. Foto: dpa/R. Landreth

Als gesichert gilt die Besiedlung Mallorcas daher erst ab der Zeit vor rund 4400 Jahren. Ob Menschen die Inselgruppe erreichten, zu der Mallorca, Menorca, Ibiza und Formentera gehören, vielleicht doch schon früher erreichten, blieb aber unklar.

Versunkene Brücke in der Höhle Cova de Genovesa

Die Studie einer Forschergruppe um Bogdan Onac von der University of South Florida verlegt diesen Zeitpunkt nun ein gutes Stück in die Vergangenheit. Basis dafür ist die Untersuchung einer versunkenen steinernen Brücke. Sie liegt in der Höhle Cova de Genovesa an der Ostküste der Insel, deren bemalte Wände davon zeugen, dass Menschen sie schon früh besuchten und nutzten.

Die beiden luftgefüllten Kammern der Höhle sind durch einen flachen Höhlensee getrennt. In diesem See liegt die rund 8,60 Meter lange und 50 Zentimeter hohe Passage aus großen Steinblöcken – Relikte einer steinzeitliche Brücke.

Überflutete Gänge

Die Höhle verfüge über Gänge, die aufgrund des steigenden Meeresspiegels überflutet sind und in denen sich in Zeiten hohen Meeresspiegels deutliche Krusten des Minerals Kalzit bildeten, erläutern die Wissenschaftler.

Die Analyse dieser Mineralüberwucherungen sowie eines hellen Farbstreifens auf der 7,67 Meter langen Konstruktion nutzte die Gruppe, um historische Veränderungen des Meeresspiegels zu rekonstruieren und den Bau der Brücke zu datieren.

Forscher untersuchten die Mineralüberwucherungen in der Genovesa-Höhle. Foto: M.À. Perelló

Strategische Infrastruktur

Auf diese Weise kam das Forscherteam zu dem Schluss, dass die Brücke vor fast 6000 Jahren erbaut wurde und damit etwa 2000 Jahre früher, als bisher angenommen. Die Menschen dieser Gegend müssen die Passage gebaut haben, um sich Zugang zum hinteren Teil der Höhle zu verschaffen. „Zur Zeit der Konstruktion dieser Brücke diente sie als Überweg in die einzige andere trockene Kammer der Höhle“, erklären Bogdan Onac und seine Kollegen.

Seither ist der Meeresspiegel jedoch angestiegen, so dass die Steine heute rund einen Meter unter der Wasseroberfläche des Höhlensees liegen.„Der spätere Anstieg des Meeresspiegels überflutete das archäologische Bauwerk, was ein späteres Baudatum ausschließt.“ Dies sei ein Beweis für die frühe Anwesenheit von Menschen auf der Insel, die mindestens 5600 Jahre und möglicherweise mehr als 6000 Jahre zurückliege.

Calcitkruste zeigt, wo einst der Seepegel lag

An den Seiten der Steinblöcke ist noch ein Kalkrand zu erkennen, der den ursprünglichen Wasserspiegel markiert. „Dieses helle, rund 15 Zentimeter breite Band ist entlang der gesamten Brücke deutlich zu erkennen“, berichten die Experten. Es ähnelt dem Kalkrand in einer Badewanne.“

Querschnitt der Höhle Cova de Genovesa an der Ostküste Mallorcas. Foto: © Onac et al./Communications Earth & Environment/CC-by-nc-nd 4.0

Die Calcitkruste muss sich dort gebildet haben, wo einst der Pegel des Sees stand. „Damit spielt dieses Band eine entscheidende Rolle, um zu ermitteln, wann diese Brücke gebaut wurde“, so die Forscher.

„Der rekonstruierte Meeresspiegel für Mallorca legt nahe, dass die Oberseite der Brücke zuletzt vor rund 5600 Jahren aus dem See ragte“, schreiben die Forscher. Auch die genaueren Isochron-Datierungen von weiteren Wasserrändern in der Höhle ergaben ähnliche Werte: „Sie legen nahe, dass der Wasserspiegel in der Höhle vor 5964 bis 5359 Jahre einige hundert Jahre lang relativ konstant blieb“, so das Team.

Steinweg zwischen dem Eingang der Genovesa-Höhle und dem unterirdischen See, über den die Brücke gebaut wurde. Foto: B. Onac

Warum wurde dieser Übergang gebaut?

Paläoklimatologe Onac vermutet, dass frühe Siedler die Wasserressourcen der Höhle erkannten und eine strategische Infrastruktur bauten, um sie zu nutzen. Es gebe Hinweise darauf, dass Menschen einen mit Steinen gepflasterten Weg zum Wasserbecken der Höhle und eine robuste Brücke gebaut hätten, die den Zugang zum einzigen anderen trockenen Teil der Höhle erleichtert hätten. Die genauen Gründe für den Bau dieser Strukturen in der Genovesa-Höhle seien indes nach wie vor unklar.