Bastel-Aktion Hof: Der Junge mit dem besonderen Herzen

Caleb Ray Jakob aus Wölbattendorf ist mit einem schweren Herzfehler geboren worden, so wird sein Leben und das seiner Familie bestimmt von seiner Krankheit. Auch, wenn er am liebsten herumtobt mit seinen Brüdern.

 
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Links Ayden Lee, in der Mitte der große Bruder Damian Elias und rechts Caleb Ray zwischen erster und zweiter OP im Herzzentrum München. Die Familie lädt nun dazu ein, Herz-Wimpel zu basteln, um die längste Herzenskette der Welt aufhängen zu können – der Kindergarten der Jungs, die Arbeitgeber ihrer Eltern, viele Freunde und auch die Wölbattendorfer beteiligen sich bereits an der Aktion.. Foto: /privat

Hof - „Hör’ auf, ich hab doch ein besonderes Herz!“: Das sagt Caleb Ray, wenn es ihm zu bunt wird. Wenn seine Brüder zu stürmisch unterwegs sind, wenn es ihm zu wild zugeht – oder auch nur, wenn er droht, beim Spielen zu verlieren. „Die Jungs unter sich gehen ganz normal miteinander um, Caleb Ray zieht die Herz-Karte auch gern zu seinem Vorteil“, sagt seine Mutter Yvonne Jakob. Da schmunzelt sie, das ist selbst durchs Telefon zu hören. Auch, wenn sie da gerade eine Geschichte erzählt, die viele Tiefs hat. „Die Krankheit ist immer präsent. Wir sind uns bewusst, dass die Welt morgen ganz anders aussehen kann.“ Denn dass Caleb Ray heute rennt und spielt und die Herz-Karte zieht, das hätten ihm vor seiner Geburt nur wenige bescheinigt.

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Gut fünf Jahre ist es her, dass sich die Welt geändert hat für Yvonne Jakob, ihren Mann und ihren ältesten Sohn. „Ich war mit Zwillingen schwanger, und da ich schon 35 war, haben wir frühzeitig einen Termin für eine Feindiagnostik gemacht“, berichtet sie. Der erste Blick des Experten auf die ungeborenen Jungs hat lediglich einen Verdacht aufgeworfen, beim zweiten Termin ein paar Wochen später habe sie dann kaum mehr gewusst, wie sie nach Hause kommen soll vor Schreck: Der Arzt diagnostizierte ein hypoplastisches Linksherz-Syndrom, einen der schwersten Herzfehler, mit denen Kinder auf die Welt kommen können. „Man sagte mir, die Überlebenschancen seien sehr gering, ich solle über einen Schwangerschaftsabbruch nachdenken“, berichtet Yvonne Jakob. Das hätten sie und ihr Mann auch getan. Aber sie haben sich dafür entschieden, zu arbeiten und zu kämpfen. Das tun sie immer noch.

„Wer unsere Jungs sieht, weiß, dass sie Brüder sind – dass zwei davon Zwillinge sind, merkt nur, wer es auch weiß“, sagt Yvonne Jakob. Caleb Ray ist kleiner und zierlicher als sein Zwillingsbruder Ayden Lee, für ihn gehören Ergo- und Physiotherapie, Frühförderung, Medikamentendose und ärztliche Überwachung zum Alltag. Für ihn und für die ganze Familie: „Von Anfang an waren wir alle mit betroffen von der Situation“, erzählt Yvonne Jakob: „Unser Ältester, Damian Elias, war damals neun Jahre alt – bis dahin war er Einzelkind, und dann musste er ganz schnell erwachsen werden.“ Einfach, weil ganz viel Zeit und Energie der Eltern draufging für die Zwillinge – und für einen davon ganz besonders.

Die ersten fünf Lebensmonate hat Yvonne Jakob mit ihrem herzkranken Sohn im Deutschen Herzzentrum München verbracht – dann war die zweite von drei OPs gemacht, die dritte folgte in Caleb Rays drittem Lebensjahr. Seitdem sieht die Mutter vieles ganz anders: die Arbeit der Pflegekräfte auf der Intensivstation zum Beispiel. „Überall fehlt Pflegepersonal, gerade auf den Intensivstationen, oft genug habe ich mitbekommen, dass allein deshalb auch Operationen verschoben werden mussten.“ Welche Verantwortung und welche Belastung auf diesen Menschen liege, sei unglaublich: „Klar überbringt ein Arzt die schlechte Nachricht, aber es ist meist das Pflegepersonal, dass permanent mit den Kindern zu tun hat und dass das Leid der Eltern ertragen muss“, berichtet sie. In den Monaten in der Klinik habe sie aber auch noch andere Einrichtungen schätzen gelernt.

„Ich habe während dieser Zeit in einem der Häuser für Eltern gewohnt, die die Ronald McDonald-Stiftung überall an größeren Universitätskliniken errichtet“, erinnert sie sich. In den Filialen der Fast-Food-Kette sind die Sammelboxen allgegenwärtig, von den Spendengeldern baut die Stiftung Appartementhäuser an den Kliniken – um Eltern, deren Kinder auf der Intensivstation liegen, eine Unterkunft zu bieten. „Hätte es dieses Haus nicht gegeben, ich hätte nicht gewusst, wo ich die fünf Monate leben soll“, sagt Yvonne Jakob. Was sie – in der Unterkunft ebenso wie in der Klinik – außerdem mitnimmt, ist der Kontakt zu anderen Betroffenen und vielen Ehrenamtlichen. Der bis heute anhält.

Die Operationen, mit denen Caleb Ray ein Leben ermöglicht wurde, sind nach ihrem Erfinder Francois Fontan benannt. Sie gehören seit etwa 30 Jahren zum medizinischen Repertoire in Deutschland, und da die Erkrankung derart selten auftritt (bei etwa 0,3 Promille der Neugeborenen in Deutschland) ist sie auch vielen Medizinern nicht oder kaum bekannt. „Auch mein Mann und ich hatten uns damals selbst informiert, meine damalige Frauenärztin kannte den Eingriff nicht“, sagt Yvonne Jakob. So war die Diagnose früher ein Todesurteil: Kinder mit „halbem Herzen“ überlebten nur wenige Wochen. Auch heute zählt die OP zu den palliativen Maßnahmen, ist also nicht als lebensrettender, sondern als lebensverlängernder Eingriff eingestuft. „Die ältesten Kinder mit operiertem Fontanherz sind jetzt im Erwachsenenalter, und man weiß nie, welche Komplikationen auftreten können“, berichtet Yvonne Jakob. Sie sagt das alles wie jemand, der seine Geschichte schon oft erzählen musste, der sich immer wieder erklären muss, der viel weiß und viel weitergeben will. Die Familie ist Mitglied im deutschlandweiten Verein Fontanherzen, wo man sich dafür stark macht, die Forschung auf diesem Gebiet voranzutreiben. „Eine schwierige Sache, da die Krankheit eben so wenig verbreitet ist.“ Eine Aktion, um Aufmerksamkeit zu erregen, läuft in den nächsten Tagen und Wochen ab (siehe Info-Kasten), der andere Ansatz ist das persönliche Gespräch.

Wer die Familie Jakob kennt, weiß meist darum, dass einer der Brüder einen Herzfehler hat. Mehr aber nicht, und das ist auch gut so. „Zu viel Rücksichtnahme ist ja auch nicht gut“, sagt Yvonne Jakob. Ohne den Rückhalt in der Familie und bei Freuden, die Rücksichtnahme der Arbeitgeber bei Arztterminen und Krankenhausaufenthalten und die Unterstützung durch Ärzte und Therapeuten wäre der Weg bis hierher fast unmöglich gewesen, betont sie. Und sagt einen Satz, der aus ihrem Munde viel mehr ist als die Binsenweisheit, als der er oft verkauft wird: „Da wir wissen, wie schnell vieles ganz anders sein kann, wissen wir die kleinen Dinge viel mehr zu schätzen. Da macht die Krankheit unser Leben auch ein Stück reicher.“

Herz-Wimpel basteln

Der Verein Fontanherzen möchte im Sommer in Magdeburg die längste Kette aus Herz-Wimpeln der Welt aufhängen – der bisherige Rekord liegt bei 17,6 Kilometern. Hier gibt es die Herzwimpel zum Herunterladen,  Ausdrucken und Ausschneiden – sie können auf der Rückseite (zum Beispiel mit Wünschen) beschriftet und bemalt werden. Wer möchte, kann sie bis zum 5. Mai, dem „Tag des herzkranken Kindes“ an Familie Jakob schicken, Fudaweg 8 in Hof-Wölbattendorf, oder bis zum 10. Juni an den Verein Fontanherzen, Schillerstraße 5, in Magdeburg. Sie werden am Ende zu einer großen Kette zusammengefügt