Bei Gespräch mit Bezirkstagsvizepräsidentin Lebenshilfe wünscht sich Neubau

Die Förderstätte der Lebenshilfe bietet erwachsenen Menschen mit schweren oder mehrfachen Behinderungen oder erhöhtem Betreuungs- und Pflegebedarf einen strukturierten Tagesablauf. Foto: dpa/Jens Wolf

Die Leiter der Einrichtungen tragen Dagmar Keis-Lehner ihre Anliegen vor und hoffen auf Geld. Die Bezirkstagsvizepräsidentin ist eine profunde Kennerin der Materie und weiß die Arbeit wohl zu schätzen.

 
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Marktredwitz - Zu den originären Aufgaben des Bezirks Oberfranken gehört das Sozialwesen. Er ist damit wesentlicher Geldgeber für die vielfältigen Aufgaben der Lebenshilfe. Am Montag besuchte Dagmar Keis-Lechner, Vizepräsidentin des oberfränkischen Bezirkstags, wie die Lebenshilfe Fichtelgebirge berichtet, die Werkstatt in Marktredwitz.

Oberbürgermeister Oliver Weigel, der erst seit Freitag Vorsitzender der Lebenshilfe im Landkreis Wunsiedel ist, begrüßte sie: „Willkommen in Marktredwitz. Schön, dass Sie sich selbst ein Bild von unserer Lebenshilfe machen!“ Bei einem Rundgang mit Geschäftsführerin Susanne Hilpert und Andreas Weiß, dem Leiter der Werkstatt, lernte Dagmar Keis-Lechner die Besonderheiten der hiesigen Werkstatt kennen.

Gute Zusammenarbeit

Im anschließenden Sozialgespräch berichteten der Leiter und die Leiterinnen über die Zusammenarbeit ihrer Einrichtungen mit dem Bezirk. Andreas Weiß lobte im Namen der Werkstatt für behinderte Menschen das gute Miteinander in der Fachausschusssitzung. So seien kurzfristige Änderungen beim Fahrdienst unkompliziert zu vereinbaren. Sein Wunsch ist, dass die Bescheide des Bezirks schneller erstellt werden und die Hilfebedarfsgruppe (HBG) immer angegeben wird. Mit der HBG stellt der Bezirk den individuellen Hilfebedarf fest und vergütet die Leistungen.

Maria Sippl leitet die beiden Wohnheime der Lebenshilfe, die derzeit 48 erwachsenen Menschen mit Behinderung ein eigenes Zuhause bieten. Die Bewohner werden dank des medizinischen Fortschritts immer älter. Damit steigt, wie es in der Mitteilung weiter heißt, der Bedarf an nächtlicher Hilfeleistung. „Wir möchten die Menschen so lange wie möglich in ihrem gewohnten Umfeld betreuen. Momentan müssen die Bewohner jedoch in eine Senioreneinrichtung umziehen, wenn wir die Pflege in unseren Wohnheimen nicht mehr gewährleisten können.“ Maria Sippl wünscht sich daher dringend, dass der Bezirk künftig einen Nachtdienst für die Wohnheime finanziert. Sie sprach auch über den Neubau eines weiteren Wohnheimes für pflegeaufwendigere Bewohner, den sich die Lebenshilfe wünscht und bei dem ein Nachtdienst erforderlich sei.

Enger Verbund mit Schule

Maria Rupprecht berichtete, dass die Tagesstätte im pädagogischen Bereich eng mit der Schule verbunden sei. Dies sei sinnvoll, da die Kinder dann den ganzen Tag konstante Bezugspersonen und durchgehende Strukturen haben. „Die Mitarbeiter sprechen die Förderangebote und Ziele für jedes Kind ab und teilen sich die Aufgaben. Die gleichen Rahmenbedingungen vermitteln den Kindern Sicherheit und Orientierung.“ Allerdings sei dieses besondere Konzept teurer, da es einen vermehrten Einsatz von Fachpersonal erfordere. Maria Rupprecht hofft, dass der Bezirk die höheren Kosten übernimmt.

Über die Offene Behindertenarbeit und den Familienentlastenden Dienst informierte deren Leiterin Petra Burger. Bald wird, wie sie sagte, das Angebot „Ambulant unterstütztes Wohnen“ im Landkreis erweitert. Dieser Beitrag zur Selbstbestimmung und Inklusion stoße bei Menschen mit Behinderung und deren Familien auf großes Interesse. Wichtig sei eine intensive Betreuung der Menschen in der Anfangszeit. „Denn so kann der Wechsel in das wesentlich kostenintensivere stationäre Wohnen leichter vermieden werden.“ Ihre Forderung an den Bezirk ist, diese erhöhte Unterstützung zu Beginn zu finanzieren.

Positiv für die ganz Familie

Jana Heinrich von der Frühförderung sprach über die Situation, wenn ein Kind Frühförderbedarf hat. „Die heilpädagogische Unterstützung und die intensive Beratung wirken sich positiv auf die ganze Familie aus.“ Einige Kindertagesstätten beantragten beim Bezirk für das Kind eine Integrativ-Maßnahme und bekämen dafür einen erhöhten Betreuungsfaktor von 4,5 mit Fachdiensteinheiten zur Beratung der Erzieher. „Aus Sicht der Kindertagesstätten ist das verständlich. Allerdings fallen die Fachdiensteinheiten dann mit den heilpädagogischen Einheiten zusammen, sodass sich die so wichtigen Unterstützungsmöglichkeiten für Beratung und Unterstützung in den Familien deutlich reduzieren.“ Jana Heinrich machte deutlich, dass sie sich für alle Beteiligten – Bezirk, Kindergärten und die Frühförderstellen – eine gute Lösung „im Sinne unserer Kinder“ wünscht.

Über die Situation in der Förderstätte berichtete Geschäftsführerin Susanne Hilpert. Die Förderstätte bietet erwachsenen Menschen mit schweren oder mehrfachen Behinderungen oder einem erhöhten Betreuungs- und Pflegebedarf einen strukturierten Tagesablauf. Ungelöste Probleme seien dort: „Der Personalschlüssel ist nicht ausreichend, die Leitung hat kaum Freistellung vom Gruppendienst, es wird kein Fachdienst finanziert und es werden keine Einzelbetreuungen von behinderten Menschen genehmigt.“

Umfangreiche Zusatzaufgaben

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie sind, wie es weiter heißt, in den Einrichtungen in vielfältiger Weise deutlich spürbar. Gruppenübergreifende Aktivitäten und Kontakte nach außen mussten pausieren, die Elternarbeit musste weitgehend auf Telefonate reduziert werden. Das Personal hatte dabei umfangreiche Zusatzaufgaben zu bewältigen. Und ganz wichtig: „Behinderte Menschen sind oft auf gleichbleibende Abläufe und besondere Nähe angewiesen. Dies war oftmals nicht möglich.“

Dagmar Keis-Lechner war nicht nur eine aufmerksame Zuhörerin. Sie hakte auch nach, fragte nach Details und erwies sich als sehr profunde Kennerin der Materie. Ihre umfangreiche Kenntnis habe ihren Ursprung in der eigenen Familie, wie zu erfahren war, ihre erwachsene Tochter Lisa-Marie ist seit Geburt selbst schwerbehindert. Die Vizepräsidentin des Bezirkstags bedankte sich bei den Mitarbeitern der Marktredwitzer Lebenshilfe. Sie sagte: „Ihre Arbeit in der Lebenshilfe ist sehr wertvoll. Dies muss in der Gesellschaft noch stärker gewürdigt werden.“ red

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