Biologe zum Frühling „Jedes Jahr wieder ein Wunder“

Stefan Linß

Die Obstbäume haben sich lange zurückgehalten und starten nun mit aller Macht in den Frühling. Doch die Pracht ist von den Eisheiligen bedroht, sagt Diplom-Biologe Friedhelm Haun.

 
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Die Traubenkirsche steht am Kulmbacher Edelmann-Ringweg in voller Blüte. Wanderer können im Frühling in der Natur viel entdecken. Foto: Linß

In der Natur herrscht eine wahre Aufbruchstimmung. Für den Kulmbacher Diplom-Biologen und Baum-Experten Friedhelm Haun ist der Frühling eine ganz besondere Zeit. Der frühere Kreisfachberater für Gartenbau betreibt in seinem Ruhestand als Gutachter ein Baumbüro und schaut allein schon aus beruflichen Gründen genauer hin. Im Interview mit unserer Zeitung spricht Friedhelm Haun über die Ökologie der Obstbäume.

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Herr Haun, die Obstbäume scheinen heuer besonders prächtig zu blühen. Wie ist die Lage?

Die Natur ist heuer ein bisschen später dran als im Vergleich der letzten Jahre. Vielleicht zwei Wochen. Die Apfelblüte hat schon begonnen. Die Blüten brechen auf. Es gibt natürlich Sortenunterschiede und Äpfel, die ganz früh mit der Blüte anfangen. Zum Beispiel war der Gravensteiner schon eine Woche früher dran.

Wie ist die zweiwöchige Verzögerung zu erklären?

Wir hatten oft noch Frost. Da haben die Blüten noch gewartet. Wenn sie offen sind, sind sie sehr empfindlich gegen Spätfröste.

Das bringt uns zur Frage nach den Eisheiligen: Wie groß ist die Gefahr der Spätfröste?

Bis Mitte Mai können die Eisheiligen kommen. Das besagt die Regel. Meistens passiert das in Nächten ohne Wolken. Dann kann es sich empfindlich abkühlen und wir kommen schnell unter den Gefrierpunkt. Für die Blüten ist das gefährlich.

Das heißt, es wären dann Ernteeinbußen zu befürchten?

Ja, wenn die Blüte empfänglich ist für Bienenbesuch und die Pollenübertragung, dann ist sie am empfindlichsten. Im Winter ist die Knospe frosthart. Im Frühling, wenn sich die Blüten zeigen und offen sind, ist null Grad die Grenze.

Sollte ich meinen Apfelbaum zum Schutz vor der Kälte nachts abdecken?

Bei einem kleinen Baum oder einem Spindelbusch wäre ein Schutz in der Nacht möglich und hilfreich. Bei einem großen Baum nicht. Eine Frostberegnung wie in den Weinbergen würde auch gehen. Für einen privaten Garten wäre das aber nicht realisierbar.

Verhilft mir ein naturnaher Garten mit mehr Insekten zu einer reicheren Apfelernte?

Wer keine Honigbienen in der Nähe hat, ist auf die Wildbienen angewiesen. Deshalb ist es wichtig, einen naturnahen Garten zu haben. Die Insekten brauchen Nischen und Unterschlupf. Die Mauerbiene und die vielen anderen Arten sind jetzt unterwegs und sehr effektiv. Zwetschgen und Kirschen sind schon von ihnen bestäubt.

Gibt es auch Apfelbäume für kleinere Gärten?

Es gibt verschiedene Unterlagen. Wie groß der Baum wird, entscheidet die Wurzel. Die edle Sorte, die die guten Äpfel bringt, ist auf die Unterlage gepfropft. Der Baum mit schwächerem Wurzelwerk bleibt klein und treibt wenig. Wer einen kleinen Garten hat, kann einen Spindelbusch nehmen. Ein schwachwachsender Baum kann auch als Spalier oder Apfelhecke gezogen werden. Für etwas mehr Platz ist der Halbstamm geeignet. Er verzweigt sich auf etwa einem Meter Höhe, kann aber auch vier bis fünf Meter hoch werden, wenn man ihn wachsen lässt. Für die Flur, die Obstwiese oder an der Straße brauchen wir den Hochstamm.

Was spricht denn aus ökologischer Sicht für den Apfelbaum im Garten?

Ökologisch sind Bäume immer wertvoll. Einerseits ist da die angesprochene Beziehung zwischen Baum und Bestäubern. Dann gibt es am Baum viele andere Insekten. Die Vögel suchen die Bäume auf wegen des Nahrungsangebots und als Sitz- und Nistwarte. Flechten wachsen am Baum – Lebewesen zwischen Alge und Pilz, die dem Baum in keiner Weise schaden, aber eine Bereicherung des Lebensraums sind. Es lohnt sich, genauer hinzuschauen.

Welcher Anblick bietet sich im Frühling bei den anderen Obstbäumen?

Die Blüte geht los mit der Kirschpflaume schon Ende März, die oft in wilden Hecken wächst. Dann kommen Zwetschge und Pflaume ziemlich bald. Es folgen die Süßkirschen, die Sauerkirschen und Birnen. Dann je nach Sorte die Äpfel und ganz spät noch die Quitten. Es ist jedes Jahr ein Wunder. Innerhalb von ein paar Tagen sind die Bäume dann grün.