Auch die Analogie-Szenen, die Kipphardt einbaute, um das Universale des eichmann’schen Kadavergehorsam in Bezug auf sein Heute herauszuarbeiten, wird es in Hof nicht zu sehen geben. Der Autor setzte damit die Shoah in Beziehung etwa zu den Selbstmorden der RAF-Anführer – von Kipphardt, wie in der damaligen Linken durchaus en vogue, nicht als solche anerkannt –, einem Bomberpiloten in Vietnam, dem Atombombenabwurf über Nagasaki, Israels nationalistischer Palästinenserpolitik oder den Türkenwitzen eines deutschen Moderators. Thomas Schindler empfindet das als relativierend. „Der Holocaust ist als Zivilisationsbruche singulär. Die fabrikmäßige Ermordung von Menschen, das hat es in der Menschheitsgeschichte, soweit ich sie überblicke, nicht davor und nicht danach gegeben“, betont der Regisseur. Hatte sich Kipphardts Witwe gegen Streichungen bei Inszenierungen von „Bruder Eichmann" noch lange Zeit gesträubt, sind solche inzwischen in Absprache mit dem Verlag möglich. Auf Kipphardts Analogien zu verzichten, das sei inzwischen gängige Praxis im Umgang mit seinem Stück. „Die Szenen sind ja inzwischen selbst historisch.“
Den Hofer Zuschauern sollen Eichmanns Lügen nicht entgehen. Auf einer LED-Leinwand ist, nach einer Idee von Ausstatterin Annette Mahlendorf, stets auch die vom Publikum abgewandte Seite des Befragten zu sehen – in Großaufnahme. Wer sich für „Bruder Eichmann“ in Hof entscheidet, wird zum Hinsehen gezwungen. Umso besser, mit Ralf Hocke einen Darsteller in der Hauptrolle zu haben, der zu einem sehr nuancierten, vielfarbigen Spiel in der Lage sei, lobt Schindler. So kann das Publikum den Protagonisten selbst entlarven, eigene Schlüsse ziehen, eigene Analogien finden. Und das sei ja ohnehin die Stärke von Theater – auch bei solchen Stoffen, findet Schindler: Das Auditorium mit echten, schwitzenden Menschen zu konfrontieren. Da kommt im Kopf oft mehr an als bei Guido Knopp im TV vor dem Schlafengehen.
Aufführungen:
Für die Premiere am Donnerstag, 1. Dezember, im Studio des Theaters Hof gibt es noch Karten. Weitere Vorstellungen von „Bruder Eichmann“: Freitag, 9. Dezember; Sonntag, 11. Dezember; Samstag, 7. Januar; Sonntag, 22. Januar. Beginn jeweils um 19.30 Uhr. Karten gibt es an der Theaterkasse (E-Mail:kasse@theater-hof.de; Telefon: 09281/7070-290).