Buchbinder mit Lehrbrief und Armutszeugnis Buchbinder mit Lehrbrief und Armutszeugnis

Werner Bergmann
Sein Handwerk hat Buchbinder Mainer zwar gelernt, aber das reichte trotzdem nicht aus, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Foto: /Stadtarchiv Kirchenlamitz

Handwerk hat nicht immer goldenen Boden. Für Buchbinder im 19. Jahrhundert gab es nicht genug zu tun. Einer von ihnen, Friedrich Mainer, wurde deswegen sogar kriminell. Der Kirchenlamitzer Stadtarchivar Werner Bergmann hat seine tragische Lebensgeschichte aus historischen Dokumenten recherchiert.

 
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Kirchenlamitz - Friedrich Carl August Mainer (1816-1862) war eines von sieben Kindern des aus Hohenberg an der Eger stammenden Webermeisters Johann Georg Nikolaus Mainer (1787-1825) und seiner Kirchenlamitzer Ehefrau, der Schwarz- und Schönfärbertochter Susanna Margaretha Clarner (1784-1862). Das Buchbinderhandwerk erlernte er bei Richard Weber in Fürth und begab sich anschließend auf Wanderschaft, auf der er drei Jahre in Münchberg verbrachte. 1844 bewarb er sich um die Buchbinderkonzession in Kirchenlamitz. Die Prüfung hatte er zuvor bei der Distrikts-Prüfungs-Commission in Wunsiedel abgelegt.

Einspruch des Kollegen

Gegen die Zulassung des neuen Kollegen erhob der örtliche Buchbindermeister Gottlieb Raeithel Einspruch: „1.) Die Buchbinder- und Papp-Arbeiten sind […] nicht nur solche wenig, sondern bestehen auch meistens blos aus Reparaturen, welche schlecht bezahlt werden; Ja, ich kann behaupten, daß ein einziger Arbeiter, wenn er auch alle Arbeiten hier bekäme, nicht das ganze Jahr hindurch zu tun hätte. 2.) Was die Märkte anbetrifft so ist die Concurrenz auf denselben so groß, daß man nicht nur sehr wenig verkauft, sondern auch noch auch das noch zu Preisen, wo kaum ein geringer Arbeitslohn übrigbleibt, um nur die nöthigen Unkosten decken zu können. 3.) Ist es schon daraus ersichtlich, daß die Buchbinder-Profession ein florierendes Geschäft nicht ist, weil selbst die Buchbinder in Städten, wo Buchhandlungen und andere dem Buchbinderfach Arbeit liefernde Geschäfte in größerer Zahl bestehen, die hiesigen, ja selbst die kleinsten Märkte mit ihren Waren besuchen und somit den Einheimischen die Arbeit schmälern […]“

Über hundert Gulden Schulden

Zwei Tage später kamen die Gemeindebevollmächtigen dem Wunsch von Friedrich Carl August Mainer nach, der Magistrat befürwortete diesen vier Wochen später und verwarf den Einspruch des Buchbindermeisters Raeithel. Dass dieser nicht ganz Unrecht hatte, machte sich schon nach kurzer Zeit bemerkbar. Mainer blieb dem Buchhändler Friedrich Bartolomaeus in Erfurt die stolze Summe von 105 Gulden und 38 Kreuzer schuldig, was sich in längeren Rechtsstreitigkeiten niederschlug.

Mainer arbeitete, wenn überhaupt, nur etwa ein Jahr als Buchbinder in Kirchenlamitz, verzog dann mit seiner verwitweten Mutter nach Schwarzenbach a. d. Saale und bald darauf nach Marktleuthen. Weil er in Kirchenlamitz mit Heimatrecht versehen war, mussten sich das Landgericht und der Magistrat nun ständig mit Anschuldigungen gegen Mainer befassen. Dieser war inzwischen als unkonzessionierter Hausierer unterwegs und einige Male wegen Betrügereien bestraft worden. Schließlich wurde er in die Zwangsarbeitsanstalt Ebrach eingeliefert, wo er als Buchbinder fleißig arbeitete und bald als „für das Handwerk brauchbar“ wieder entlassen wurde.

Im Wald herumgetrieben

Sobald er auf freiem Fuße war, begann das Dilemma von neuem und die Arrestierungen häuften sich. Der Kirchenlamitzer Magistrat bemühte sich erfolglos, ihn in der Färberei Clarner unterzubringen. Bei dem Fabrikanten Köppel fand er schließlich Arbeit, bezahlte aber seine Miete bei dem Seifensieder Bauer nicht, schlief tagsüber und hielt sich nachts in den Wirtshäusern auf. 1860 verlor er seine Wohnung und trieb sich nun im Wald herum.

Nach seiner Ergreifung folgte wieder die Einweisung in die Zwangsarbeitsanstalt in Ebrach, wo er 1862 verstarb. Sein Leichnam wurde nach der Einsegnung durch den Hausgeistlichen in die Anatomie der Universität Würzburg abgeliefert.

Das Buchbinder-Handwerk
Das Handwerk des Buchbinders entstand erst im späten Mittelalter. Lose Blätter oder gefaltete Druckbögen wurden zunächst zu einem Buch gebunden und mit einem Umschlag versehen. Später besaßen die aus der Druckerei in den Handel gelieferten Bücher häufig nur einen Interimsumschlag aus dünnem Papier und mussten, wenn gewünscht, neu mit einem festen Buchdeckel gebunden werden. Dies führte bisweilen zu erstaunlichen Ergebnissen hinsichtlich der Ästhetik und formalen Gestaltung des Umschlags. Im 19. Jahrhundert begann die industrielle Bindung der Bücher, so dass das Handwerk des Buchbinders sich mehr und mehr auf die Anfertigung von Einzelexemplaren oder hin zu Restaurierungsaufträgen wandelte.

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