Kann man zuviel und zu oft boostern?
Experten wie Andreas Radbruch, Wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums Berlin, warnen vor einem Sättigung des Immunsystems, wenn man kurz hintereinander sehr oft impft: Es komme zu keiner Immunreaktion mehr. „Die Vorgänge im Körper zum Aufbau eines wirksamen Immungedächtnisses sind komplex und brauchen Zeit“, sagt Radbruch. Der Experte rechnet dafür mit mindestens sechs Monaten. Diesen Zeitraum sollten gesunde Menschen vor dem Boostern auf jeden Fall abwarten. Dafür sei das Ergebnis dann sehr nachhaltig: Ist die sogenannte Affinitätsreifung abgeschlossen, wird mit zehnmal weniger Antikörpern eine bis zu 100-fach höhere Schutzwirkung erzielt als direkt nach der Impfung. „Und diese sehr guten Antikörper werden in das immunologische Gedächtnis übernommen“, sagt Radbruch. „Die Zellen, die sie machen, wandern ins Knochenmark und überleben dort jahrzehntelang.“ Der Schutz bleibt damit dauerhaft.
Wie groß sollte der zeitliche Abstand zwischen dritter und vierter Impfung sein?
Einen optimalen zeitlichen Abstand gibt es nicht, sagt der Freiburger Experte Neumann-Haefelin. „Wichtig wäre es aber für gesunde junge Menschen, einen Mindestabstand von sechs Monaten einzuhalten.“ Wahrscheinlich halte der Impfschutz aber deutlich länger. Es reiche also, sich ab Herbst zu boostern. Bei Älteren oder Patienten, bei denen mit keiner guten Immunantwort zu rechnen ist, sollte die vierte Dosis schon früher verabreicht werden – etwa nach drei Monaten.
Mit welchem Impfstoff sollte man sich ab Herbst boostern?
Das sei im Voraus schwer zu sagen, meint der Freiburger Immunologe Neumann-Haefelin. Das hänge davon ab, welche Virusvariante zu diesem Zeitpunkt im Umlauf ist. „Man kann – glaube ich – mit keiner Variante einen großen Fehler machen.“ Zwar würde der angepasste Omikron-Impfstoff einen Vorteil in Sachen Antikörperschutz bieten – aber auch dieser würde nur wenige Wochen anhalten. „Der Schutz vor einem schweren Verlauf dagegen ist von der Impfstoffwahl unberührt.“
Für wen ist es sinnvoll, vor der Impfung die Zahl der Antikörper zu messen?
Grundsätzlich sagt ein Antikörperspiegel im Blut kaum etwas darüber aus, wie gut die Impfung wirkt. Eine Ausnahme stellen immungeschwächte Personen dar, erklärt die Immunologin Falk. In Studien mit Menschen, die eine Herz- oder Lungen-Transplantation erhalten haben, hätte sich gezeigt, dass nach einer Impfung bei 60 Prozent der Betroffenen in deren Blut keine Antikörper nachweisbar waren. Dies könne auch bei anderen immungeschwächten und auch alten, pflegebedürftigen Menschen der Fall sein. „Hier kann eine Messung angebracht sein, um herauszufinden, ob mit Hilfe der ersten drei Impfungen eine Grundimmunisierung erreicht worden ist oder ob es noch einen Booster braucht.“
Kann man mit einer vierten Impfung die Viruslast im Körper so reduzieren, dass man selbst weniger ansteckend ist?
Diese Frage ist noch nicht geklärt. Nach Angaben des Immunologen Neumann-Haeflin zeigen die Daten, dass eine neuerliche Booster-Impfung einen kleinen Abfall der Viruslast. „Die Frage ist aber, ob dies das Infektionsrisiko für andere wirklich senkt.“ Daran gebe es aber berechtigte Zweifel.