Corona-Zahlen steigen Mutation schlägt in Kulmbach schmerzhaft zu

Die Arbeit im Kulmbacher Impfzentrum (im Bild) hilft, kann aber nicht verhindern, dass der Inzidenzwert in Kulmbach wieder steigt. Foto:  

Kulmbach zählt zu den zehn deutschen Gebieten mit dem höchsten Inzidenzwert. Dabei spielt die britische Mutante des Virus eine große Rolle.

 
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Kulmbach - Die rasante Verbreitung der britischen Mutation des Coronavirus hat den Landkreis Kulmbach in eine „Spitzenposition“ der Inzidenzwerte auf der RKI-Liste gehievt. Mit der am Sonntag errechneten Inzidenz von 220,78 steht Kulmbach unter den 401 Landkreisen und kreisfreien Städten in Deutschland auf Platz 8, in Bayern auf Platz 4. Ausgerechnet an dem Tag, an dem etliche Geschäfte, wie Friseure oder auch Gärtnereien und Baumärkte wieder öffnen durften. Die hohen Zahlen haben Folgen: In etlichen Unternehmen aus dem Landkreis liefen und laufen Reihentestungen, nachdem positive Fälle festgestellt wurden. Kleinere Ausbrüche in Kindergärten haben, auch wenn das nicht behördlich angeordnet ist, dazu geführt, dass einzelne Gruppen und auch eine ganze Kita geschlossen sind.

Betroffen ist bei den Kitas unter anderem die Auferstehungskirche. Dort musste, wie Diakonie-Geschäftsführer Karl-Heinz Kuch jetzt bestätigt, eine Gruppe geschlossen werden, nachdem neun Kinder und drei Mitarbeiter positiv getestet worden sind. Die Einrichtung in der Wolfskehle in Kulmbach, die zu den kleinsten im Landkreis zählt, ist derzeit ganz zu: Dort haben sich nach Angaben von Amtsärztin Dr. Camelia Fiedler fünf Kinder und drei Erzieher angesteckt. Wie willkürlich das Virus zuschlägt, macht Karl-Heinz Kuch deutlich: Zwei Einrichtungen von „Die Kita“ haben Corona-Fälle, die restlichen 13 sind komplett negativ.

Rund 50 Prozent der aktuell festgestellten Coronafälle sind laut Oliver Hempfling vom Kulmbacher Landratsamt auf die als besonders ansteckend geltende britische Mutante des Virus zurückzuführen. Das wirkt sich konkret aus. Schon seit einiger Zeit macht das Landratsamt darauf aufmerksam, dass die Zahl der positiven Fälle aus der Testung von Kontaktpersonen in die Höhe schnellt. Wie gewaltig sich das auswirkt, erklärt Dr. Camelia Fiedler anhand der Krippe und des Kindergartens in der Kulmbacher Wolfskehle. Ein positiver Fall, der in diesem Zusammenhang entdeckt worden ist, hat sich als kleine Lawine erwiesen. Zwölf Kontaktpersonen gab es aus diesem ersten Fall. Acht dieser Kontaktpersonen haben sich angesteckt, nur fünf sind mit einem negativen Testergebnis aus dieser Überprüfung herausgekommen.

Die 48 neuen Fälle, die (wie berichtet) das Landratsamt am Sonntag melden musste, stammen aus den rund 500 PCR-Tests, die das Gesundheitsamt am Freitag gemacht hat. Der Hotspot rund um die Baustelle auf dem Spinnstuben-Areal in Mainleus habe zwar, wie Oliver Hempfling sagt, inzwischen rund 70 positive Fälle hervorgebracht. Doch das allein erkläre die derzeit erschreckend hohen Fallzahlen nicht, macht Hempfling deutlich. „Das ist inzwischen unglaublich stark in der Fläche verteilt“, sagt der Chef des Kulmbacher Krisentabs und macht kein Geheimnis daraus, dass ihm das gar nicht gefällt.

Experten haben laut Hempfling für März und April wieder Inzidenzen von 200 und mehr für ganz Deutschland prognostiziert. Hempflings Hoffnung ist, dass Kulmbach diesen weiteren Höhepunkt jetzt schon erreicht hat. Doch sicher sagen kann er das natürlich nicht. Eins ist für ihn aber gewiss: Immer neue Einschränkungen, Schließungen und Verbote können auf Dauer nicht der Weg aus der Krise sein. Vielleicht, sagt er, müsse man sich stärker damit befassen, wie die Gesellschaft mit dem Virus leben kann. Mit Spannung blickt auch Oliver Hempfling auf den Mittwoch. Dann soll es aus der großen Politik neue Entscheidungen geben.

Wie Hempfling hofft auch Landrat Klaus Peter Söllner darauf, dass irgendwann eine Regelung kommt, die sich nicht allein an den Inzidenzwerten orientiert und die vor allem die Nachteile, die kleine Regionen aus dieser Berechnungsformel erleiden, ausgleicht. „Die nackten Inzidenzwerte allein sind nicht voll aussagekräftig“, meint der Kulmbacher Landrat. Er erinnert daran, dass allein in den vergangenen Tagen in Kulmbach weit mehr als 2000 PCR-Tests und Hunderte Schnelltests gemacht wurden.

Wer viel testet, findet auch viele Fälle. So viele Tests wie nur möglich zu machen ist nach Klaus Peter Söllners Überzeugung der richtige Weg. „Viele Tests sind im Sinne der Gesundheitsvorsorge ein hohes Gut.“ Aber testen die anderen Gebietskörperschaften auch so viel wie Kulmbach? Söllner hat daran seine Zweifel und spricht die niedrigen Inzidenzzahlen in Südbayern an. Der Landrat mag nicht glauben, dass in einer Metropole wie München die Inzidenz wirklich bei unter 40 liegt: „Ich glaube nicht, dass alle Mutanten sich verabredet haben, in den Landkreis zu kommen.“

Das ist nicht das einzige Problem, das die Verantwortlichen im Kulmbacher Land derzeit haben. Zunehmend beobachten die Behörden, dass positiv Getestete angeben, keinerlei Kontaktpersonen zu haben. Es habe den Anschein, heißt es aus dem Krisenstab, als würden immer mehr Menschen vor der Verantwortung zurückschrecken, andere praktisch für zwei Wochen durch die Quarantäne außer Gefecht zu setzen. Das, macht der Landrat deutlich, sei in jedem Fall der falsche Ansatz: „Wir sind auf die Richtigkeit der Angaben angewiesen.“ Hempfling gibt den dringenden Rat, ehrlich zu sein: „Das hilft allen am meisten. Nichts ist schlimmer als unentdeckte Infektionen“, betont er und hat dabei vor allem die Mutante im Blick, die sich rasend schnell im Landkreis ausgebreitet hat.

Noch etwas macht Oliver Hempfling zu schaffen. Er erzählt, dass er am Wochenende in Kulmbach seinen Kindern ein Eis geholt hat. Bei dem wunderbaren Frühlingswetter seien trotz der geschlossenen gastronomischen Betriebe sehr viele Menschen in der Stadt unterwegs gewesen. In der Schlange vor der Eisdiele sei alles geordnet gelaufen. „Aber wenn man da so steht und sich umschaut, dann entdeckt man binnen kürzester Zeit zahlreiche Maskenverstöße.“ Genau das sollte gerade jetzt nicht passieren.

Das sagt Hempfling auch in Bezug auf die wegen der hohen Inzidenz mit Ausnahme der Notversorgung weiter geschlossenen Grundschulen und Kitas. Eltern und Kinder, das haben die Behörden in den vergangenen Tagen oft betont, warten sehnsüchtig auf die Öffnung. Doch die ist, gesetzlich geregelt und nicht in der Macht des Landratsamts, an Inzidenzen von unter 100 gekoppelt. Schnellen die Zahlen weiter nach oben, müsse man auch über die Frage reden, ob die Abschlussklassen, zum Beispiel die Abiturienten oder Realschüler weiter zum Präsenzunterricht kommen können-

Einen konkreten Wert, ab wann diese Schüler daheimbleiben müssen, gebe es zwar nicht. Das müsse im Einzelfall entschieden werden. „Wir werden den Präsenzunterricht für die Abschlussklassen so lange ermöglichen wie es nur geht“, macht Hempfling deutlich. „Schließlich schreiben am Ende alle die gleichen Abschlussprüfungen, unabhängig davon, wie lang sie sich auf die Prüfungen in der Schule vorbereiten konnten.“

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