Er habe bereits bei rund 40 Veranstaltungen Experimente gemacht, berichtet der Physiker aus Goslar, zuletzt bei der Pokal-Endrunde der Handballer in Hamburg vor jeweils 2000 Zuschauern. Wenn Hallen voll besetzt seien, könne dies sogar einen positiven Effekt haben: „Die Wärme, die Menschen abstrahlen, unterstützt den Abtransport der Aerosole in Richtung Abzug der Lüftungsanlage.“ Dies wolle er genauer untersuchen.
Maßnahmen gegen Virus-Varianten
Wissenschaftler halten das Risiko, sich bei Großveranstaltungen anzustecken, bei der jetzigen Infektionslage generell für gering - besonders wenn Corona-Testungen vorab verpflichtend sind. Draußen stellten Festivals und Konzerte auch ohne feste Sitzplätze keine große Gefahr dar, sagt Aerosolforscher Gerhard Scheuch aus dem nordhessischen Gemünden. Drinnen müsse man jedoch eine sehr effektive Lüftung haben.
Angesichts neuer Virus-Varianten plädiert der Göttinger Physiker Eberhard Bodenschatz für das Tragen von Masken auch am Sitzplatz. Dann könne man Säle sogar mit mehr als der Hälfte der Besucher besetzen. „Bei den neuen Varianten hilft Lüftung leider weniger als bei den alten. Masken sind unschlagbar“, sagt der Direktor am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation. In der direkten Nähe einer hochansteckenden Person liege die Ansteckungswahrscheinlichkeit bei der zuerst in Großbritannien aufgetretenen Alpha-Variante ohne Maske bereits nach wenigen Minuten bei 100 Prozent. „Was wirklich hilft, ist das Testen. Aus meiner Sicht schützen uns die vielen Tests im Moment.“
Anlass zur Hoffnung
Die Auswertung eines Test-Konzertes Ende März in Barcelona gibt Anlass zur Hoffnung. Die knapp 4600 Gäste hatten einen Schnelltest gemacht und FFP2-Masken getragen. Zudem wurde für eine starke Belüftung gesorgt. Wie die spanischen Behörden einen Monat später mitteilten, wurden in den Wochen nach dem Konzert nur sechs der Besucher positiv auf Corona getestet. In vier Fällen steckten sich die Betroffenen nachweislich nicht bei dem Konzert an.
Dass die Lüftung ein entscheidender Faktor ist, hatte bereits ein Konzert-Experiment mit Popstar Tim Bendzko im August ergeben. „Nach unserer Studie ist das Infektionsrisiko bei schlechter Belüftung bis zu 70 Mal größer“, sagt Studienleiter Stefan Moritz von der Universitätsmedizin Halle. Er empfiehlt weitere Modellprojekte zur Öffnung von Kultur- sowie Sportveranstaltungen für Zuschauer. „Wir müssen Schritt für Schritt gehen“, sagt Moritz. Die derzeit niedrigen Werte ermöglichten es, Konzepte zu testen.
Entscheidend werde sein, die 18- bis 40-Jährigen, die viele soziale Kontakte haben, in diesem Sommer zum Impfen zu motivieren, betont der Infektiologe. „Meine größte Sorge ist, dass sich in der jungen Generation weniger Menschen impfen lassen, wenn die Inzidenz runtergeht.“