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Booster gegen das Coronavirus Welcher Impfstoff für wen am besten geeignet ist

Werner Ludwig
An die Omikron-Variante angepasste Impfstoffe sind bereits zugelassen – aber nicht für alle bringen sie echte Vorteile. Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Wer sich mit einer Auffrischungsimpfung auf Herbst und Winter vorbereiten will, hat die Auswahl zwischen mehreren Impfstoffversionen. Doch welche ist für wen am besten geeignet? Die Antwort hängt von mehreren Faktoren ab. Ein Überblick.

 
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In der kühleren Jahreszeit erwarten Experten wieder einen deutlichen Anstieg der Corona-Infektionszahlen. Mit einer weiteren Boosterimpfung lässt sich der Schutz gegen das Virus verbessern. Wir beantworten wichtige Fragen dazu.

Welche Impfstoffe kommen infrage? Für Boosterimpfungen werden mRNA-Impfstoffe empfohlen. Diese gibt es in mehreren Versionen: Neben den ursprünglichen Vakzinen, die auf dem zuerst aufgetretenen Wildtyp des Coronavirus beruhten, stehen auch an neuere Virusvarianten angepasste Präparate zur Verfügung oder werden in Kürze ausgeliefert. Anfang September hat die europäische Arzneimittelagentur EMA sogenannte bivalente Impfstoffe von Biontech und Moderna zugelassen, die sich gegen die Omikron-Untervariante BA.1 sowie gegen den Wildtyp des Virus richten. Anfang der Woche folgte die Freigabe eines bivalenten Biontech-Vakzins gegen den Wildtyp und die neueren Omikron-Subtypen BA.4 und BA.5.

Wer sollte sich womit boostern lassen? „Menschen ab 60 oder Jüngere mit geschwächter Immunabwehr sollten idealerweise bald eine Auffrischungsimpfung mit einem an Omikron angepassten Vakzin erhalten. Wenn ein Arzt aktuell nur den ursprünglichen Impfstoff vorrätig hat, kann man aber problemlos auch den nehmen“, sagt Christine Falk, Professorin an der Medizinischen Hochschule Hannover und Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie. Die für den Wildtyp des Virus entwickelten Vakzine böten weiterhin einen guten Schutz vor schweren Krankheitsverläufen. „Risikopatienten sollten daher im Zweifel nicht auf einen der angepassten Impfstoffe warten.“ Gesunde Menschen unter 60, die dreimal geimpft seien und vielleicht auch schon eine Omikron-Infektion durchlaufen haben, bräuchten keinen weiteren Booster, so Falk.

Welcher angepasste Impfstoff ist besser? Im Vergleich zu den bisherigen Impfstoffen führten die an BA.1-angepassten Vakzine in klinischen Studien zu einer stärkeren Bildung von Antikörpern gegen Omikron BA.1. Auch gegen die mittlerweile dominierende Variante BA.5 böten sie im Tiermodell einen besseren Schutz, sagt Falk. Große, aussagekräftige Studien mit menschlichen Probanden lägen dazu aber noch nicht vor. Die EMA geht davon aus, dass die neueren BA.4/BA.5-Vakzine noch etwas besser gegen BA.5 wirken. Doch auch hier stehen noch die Ergebnisse klinischer Studien bei Menschen aus. Falk erwartet keinen großen Unterschied zwischen beiden Impfstoffversionen und verweist auf die ähnliche Struktur. „Bei BA.1 wurden gegenüber dem Wildtyp 40 der 1273 Aminosäuren (Eiweißbausteine, Anm.) des Spike-Proteins ausgetauscht, bei BA.4/BA.5 gibt es zusätzlich nur drei weitere veränderte Aminosäuren.“ Anders gesagt: Der Sprung vom Wildtyp-Impfstoff zum BA.1-Vakzin ist viel größer als der von BA.1 zu BA.4/BA.5. Deshalb sei es nicht nötig, die neueste Impfstoffversion zu nehmen. Das Immunsystem profitiere generell, wenn es erneut stimuliert werde – auch wenn das Vakzin nicht perfekt an die kursierenden Varianten angepasst ist.

Wann und wo sind die angepassten Vakzine erhältlich? Bei den BA.1-Impfstoffen hat die Auslieferung bereits begonnen. Vom BA.5-Vakzin könnten laut Gesundheitsminister Karl Lauterbach bereits in der kommenden Woche die ersten Dosen zur Verfügung stehen. Die Impfungen sollen vor allem in Arztpraxen, in Apotheken und teilweise auch in Zahnarztpraxen verabreicht werden. Mediziner empfehlen dabei in der Regel einen Abstand von sechs Monaten zur letzten Impfung oder Infektion. Mit Blick auf Impfrisiken erwarten Fachleute keinen Unterschied zu den bisherigen Impfstoffen, die bis auf normale Impfreaktionen – Schmerzen an der Einstichstelle, Schwächegefühl, Kopfschmerzen – in den allermeisten Fällen gut vertragen werden.

Wie steht es um Universalimpfstoffe, die gegen mehrere Varianten wirken sollen? Solche Impfstoffe enthalten den genetischen Bauplan für das Spike-Protein mehrerer Virusvarianten und sollen eine breitere Immunantwort auslösen. In Tierversuchen wurden bereits vielversprechende Ergebnisse erzielt. Christine Falk meint, dass so ein Vakzin bei Menschen mit intaktem Immunsystem womöglich keinen großen Vorteil bringt. Bei Menschen mit geschwächter Immunabwehr könnte ein Universalimpfstoff dagegen einen besseren Schutz vor künftigen Varianten bieten, meint die Immunologin. Interessant seien auch nasale Impfstoffe, die das Virus direkt auf der Nasenschleimhaut abwehren, bevor es weiter in den Körper eindringen kann. Doch auch hier sei noch einige Studienarbeit zu leisten. In diesem Jahr rechnet Falk nicht mit solchen Vakzinen.

Wie oft muss künftig geimpft werden? Die EMA-Experten können sich vorstellen, dass in der Regel eine jährliche Auffrischungsimpfung reichen könnte, die sich etwa mit der Grippe-Impfung kombinieren ließe. Falk sieht das ähnlich. Sie hält es auch für möglich, dass zumindest Menschen unter 60, bei denen keine Risikofaktoren vorliegen, mittelfristig gar keine Auffrischungsimpfungen benötigen könnten. „Das hängt natürlich davon ab, mit welchen Virusvarianten wir es noch zu tun bekommen.“

Die Stiko braucht noch

Empfehlung
 Die Ständige Impfkommission (Stiko) hat bislang keine Empfehlung für die angepassten Corona-Impfstoffe ausgesprochen. Gesundheitsminister Karl Lauterbach erwartet diesen Schritt aber in Kürze.

Wirkung
Als Kriterium für die Wirksamkeit der angepassten Vakzine dient bislang vor allem die im Labor bestimmte Menge an neutralisierenden Antikörpern. Die Ermittlung der Schutzwirkung vor Ansteckung und schwerer Krankheit in der Praxis ist mittlerweile schwieriger als in früheren Phasen der Pandemie. Denn es gibt kaum noch Menschen, die noch nicht geimpft sind oder keine natürliche Infektion hinter sich haben. Dadurch gehen auch die allermeisten Studienteilnehmer, die der Placebogruppe zugeordnet sind und keinen Impfstoff erhalten, mit einer bereits bestehenden Immunität an den Start.

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