Bayreuth „Das Kotzen kommt mir da“

Gereizt: SpVgg-Trainer Timo Rost nahm nach dem Buchbach-Spiel kein Blatt vor dem Mund. Foto: Imago // Sigl

Das Topspiel der Regionalliga Bayern zwischen der SpVgg Bayreuth und dem TSV Buchbach (1:1) war beileibe kein Langweiler – und doch bot die Pressekonferenz im Nachgang den wesentlich größeren Unterhaltungswert. Was vor allem am durchaus erfrischenden Naturell des Bayreuther Trainers lag. Timo Rost, bekannt als ein Mann, der sein Herz auf der Zunge trägt, zündete bei der Nachbetrachtung der Partie ein emotionales Feuerwerk, das ein wenig an die legendäre Wutrede von Giovanni Trapattoni während seiner Zeit als Trainer des FC Bayern München erinnerte.

 
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Bayreuth - Anders als der Grand Seigneur der italienischen Trainerzunft an diesem denkwürdigen 10. März 1998 nahm sich Rost am Nachmittag des 23. Oktober 2021 nicht seine eigenen Spieler und die Presse zur Brust. Schwach wie ein Flasche leer waren nach Ansicht des Altstädter Übungsleiters vor allem die ständigen Nörgler, die permanent Unzufriedenen. Die gibt es nach Ansicht des Ex-Profis in Bayreuth zuhauf. „Mega, mega enttäuscht“, sei er, sagte er hörbar angefressen. Er war auch im Nebenraum noch gut zu verstehen. „Es gibt Leute, die hier reden, was wir hier für eine Scheiße spielen und warum wir nur 1:1 gegen Buchbach spielen. Unfassbar.“

Mit ungerechtfertigter Kritik alleine hätte Rost vielleicht noch leben können, nicht aber auch noch mit diesem so sandigen Geläuf im Hans-Walter-Wild-Stadion, das seiner Truppe das Veredeln der spärlichen Torchancen gegen Buchbach so erschwert hatte. „Das Kotzen kommt mir da“, wurde der Altstädter Coach mindestens ebenso deutlich wie Trapattoni ehemals, als er sich einen deutschen Nationalspieler explizit zur Brust nahm. „Was erlauben Strunz?“, hatte der heute 82-Jährige vor über 23 Jahren gefragt und damit einen Satz für die Ewigkeit kreiert.

Rosts Eruption eine spontane Angelegenheit

Während der Bayern-Coach seine unfreiwillig komische Generalabrechnung auf acht eng beschrieben Seiten vorbereitet hatte, um sie voller südländischer Emotionalität in die Sportwelt hinauszutragen, war Rosts Eruption wohl eher eine spontane Angelegenheit.

Nachdem Buchbachs Trainer Andreas Bichlmaier im VIP-Raum des Stadions ganz entspannt das Bayreuther Bier gelobt, sympathisches Understatement versprüht und versprochen hatte, am darauffolgenden Wochenende auch dem FC Schweinfurt die Punkte abzuknöpfen, übergab Moderator Christian Höreth das Wort an Rost. Nicht ohne vorher noch einmal „dieses grandiose Spiel beim FC Bayern München II, ein gefühlter Sieg“, erwähnt zu haben.

In 108 Sekunden redet sich Rost den Frust von der Seele

Rost begann seine Analyse dann noch recht erwartbar. Auch er lobte zunächst die Qualitäten des Gegners, vor allem deren Defensive und die generelle Entwicklung der Oberbayern. „Ihr seid gut, und macht Euch mal nicht so klein“, schrieb der 43-Jährige seinem sechs Jahre jüngeren Trainerkollegen ins Stammbuch. Das 1:1, so befand Rost, sei aufgrund der Chancenanteile durchaus gerecht. Ohnehin steige am Ende nicht die Mannschaft auf, die mehr Spiele gegen die wenigen Spitzenmannschaften gewinne, sondern diejenige, die die größte Konstanz aufweise. „Ich hoffe, dass mich auch der letzte irgendwann versteht“, sagte Rost, um dann verbal Fahrt aufzunehmen. Immer lauter werdend machte er deutlich, wie sehr ihm die Kritik in den zurückliegenden Wochen missfallen hat. Es waren bemerkenswerte 108 Sekunden, in denen sich der Übungsleiter den Frust von der Seele redete, fast schon schrie, einiges zum Kotzen fand und manches Scheiße.

Sofort nachdem er fertig hatte, erhob er sich und verließ schnurstracks die offiziell noch nicht beendete Pressekonferenz. Er hinterließ eine teils recht verdutzte, teils auch amüsierte Schar an Gästen, zu denen auch Thomas Ebersberger zählte. Der Oberbürgermeister gab zu, „doch auch etwas überrascht“ gewesen zu sein. Rosts Kritik am Rasen nahm das Stadtoberhaupt aber überaus gelassen. „Wir haben hier sehr viel Geld in die Hand genommen“, rechtfertigte der OB die vom Coach kritisierten Rahmenbedingungen mit ruhiger Stimme. Nachtragen wird er Rost ohnehin nichts. Dafür kennt Ebersberger den Altstädter Coach nur allzu gut – viel besser als Giovanni Trapattoni.

Hören Sie hier den O-Ton des Bayreuther Trainers Timo Rost:

Timo Rosts Wutrede im Wortlaut: „Es waren einige Leute in Bayreuth hier, wo ich mich echt frage: Leck o mio. Nach einer 0:3-Niederlage gegen Schweinfurt 36 Punkte, 36 Punkte, punktgleich mit dem Tabellenführer – und hier wird alles schlecht geredet. Alles nur negativ. Ja, und. Unfassbar. Dann gewinnst du gegen Aschaffenburg, und dann höre ich Glück, dass das mehr Glück wie Verstand war. Dann spielst du in München überragend. Dann höre ich: Warum gewinnst du in München nicht? Dann spielst du gegen Buchbach 1:1, hast 41 Punkte, was der Verein hier noch nie hatte, glaube ich. Noch nie um die Meisterschaft mitgespielt. Ja? Und es gibt Leute, die hier reden, was wir hier für eine Scheiße spielen und warum wir nur 1:1 gegen Buchbach spielen. Unfassbar. Ich bin mega mega enttäuscht von einigen Leuten hier, die nicht wissen, was das für eine Arbeit ist, dass wir überhaupt hier oben mitspielen können, was wir für Rahmenbedingungen haben. Wenn ich den Platz da unten angucke, kommt mir das Kotzen. Das Kotzen kommt mir da. Wenn ich sehe, wie wir im Grünwalder Stadion Fußball spielen können. Weil da ein Teppich ist, den auch die Stadt macht. Ja? Und wir hier unten vor der Chance von Ziereis zum 2:1 der Ball verspringt, vor der Chance von Nollenberger und Danhof der Ball verspringt, aber Leute oben auf der Tribüne sitzen und alles schlecht reden. Da kommt mir das Kotzen, muss ich ehrlich sagen. Und deswegen großes Kompliment an meine Mannschaft und diese Entwicklung. Und wir sind sehr, sehr zufrieden heute mit diesem Punkt. Dankeschön!“

Nicht ganz 800 Zuschauer im Hans-Walter-Wild-Stadion hatten ein gutklassiges, aber auch chancenarmes Spiel gesehen, an dessen Ende ein gerechtes Remis stand. Obgleich sich Buchbachs auffällig spielender Kapitän Aleksandro Petrovic doch über das Ergebnis ärgerte. „Vorher ja, da hätte ich mit dem 1:1 gut leben können, jetzt bin ich ziemlich enttäuscht, weil wir durchaus die Chance hatten, hier zu gewinnen“, sagte der 33-Jährige. Der Altstädter Mittelfeldakteur Daniel Steininger hatte die gute Anfangsphase seines Teams mit dem 1:0 (24.) belohnt, ehe nur zehn Minuten später Moritz Sassmann per Kopf ausglich. In der Folgezeit lieferten sich die beiden Spitzenmannschaften ein Duell auf Augenhöhe, in dem die Altstädter zwar nicht fehlerlos, aber optisch überlegen waren, die Oberbayern durch schnelles Umschalten aber bis zum Schluss gefährlich blieben. Die beste Chance der Altstädter in Hälfte zwei vergab Markus Ziereis, der nach einem kapitalen Schnitzer in der Buchbacher Hintermannschaft alleine auf TSV-Torhüter Andreas Steer zulief, sich vom Rückhalt aber den Ball vom Fuß angeln ließ.

SpVgg-Chef Wolfgang Gruber war im Nachgang „eher enttäuscht vom Ergebnis als von der Leistung“. Man müsse auch die Qualität des Gegners anerkennen. Der Punkt war für die Altstadt zu wenig, um die Tabellenführung gegen den nun punktgleichen FC Bayern München II zu verteidigen.

SpVgg Bayreuth: Kolbe – Lippert, Kirsch, Steininger (58. Weimar), Nollenberger (69. Danhof), Ziereis (88. Chrubasik), Maderer, Eder, Götz, F. Weber (59. Schwarz), Knezevic (79. Stockinger).

TSV Buchbach: Steer – Rosenzweig, Winklbauer (46. Steinleitner), Bahar, M. Spitzer, Muteba (90. Leberfinger), Brucia (74. Winterling), Wieselsberger, A. Spitzer, Sassmann, Petrovic.

SR: Wittmann (Wendelskirchen); Zuschauer: 800.

Tore: 1:0 Steininger (24.), 1:1 Sassmann (34.).

Gelbe Karten: Knezevic, Weimar / Muteba, Bahar. wum

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