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Das Ukraine-Tagebuch „Die Gitarristen von der Front – das war extrem berührend“

Thomas Simmler Foto: privat

Thomas Simmler schaut mit Entsetzen nach Berlin und wer dort alles im Namen des Friedens demonstriert. An seinem ukrainischen Wohnort erlebt er einen Benefizabend zugunsten der Armee.

 
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Es wird Frühling in der Ukraine. Die Wärme packt die Natur. Seit drei Tagen scheint ununterbrochen die Sonne, die Temperaturen liegen bei zehn Grad. Heute werde ich mich im Kurpark auf eine Bank setzen, das Wetter genießen und in die Karpaten hinaufblicken, auf deren Spitzen noch Schnee schimmert.

Während der erste Jahrestag des Kriegs im Westen des Landes sehr ruhig ablief, schaue ich mit Entsetzen in mein Heimatland. Genauso wie viele Ukrainer erschreckt es mich, wenn ich die selbst ernannten Friedensengel Wagenknecht und Schwarzer sehe und all die Rechten, die mit ihnen in Berlin auf die Straße gegangen sind. Gruselig. Frieden will jeder. Aber es muss realistisch sein und vor allem muss klar benannt werden, wer hier Täter ist und Kriegsverbrecher, der ein anderes Land überfallen hat und keinen Frieden will.

Dieser Tage war ich bei einem Benefizkonzert im Palast der Kultur in Truskawez. Noch ganz sozialistische Bauweise. Vorn die Bühne, dazu ein leichtansteigender Saal, so dass man gut sehen konnte. Es traten Künstler aus dem ganzen Land auf. Der Palast war mit 1000 Menschen randvoll.

Draußen spielte eine Militärkapelle, daneben standen Jeeps und SUVs mit Kennzeichen aus Holland, Estland und Polen. Das waren Geschenke dieser Länder ans ukrainische Militär. Eine Gitarristin trat auf und auf der Videowand hinter ihr wurde gezeigt, wie sie an der Front vor Soldaten spielt. Das hat das Publikum sehr berührt.

Die Karte kostete zehn Euro. Alle Einnahmen des Abends gehen an die Armee und es kam einiges zusammen. Bei einer Lotterie gewann eine Frau aus Dnipro den ersten Preis. Eine Drohne. Eigentlich zum Fotografieren, aber als der Moderator sie fragte, was sie da unten ranbasteln wird, sagte sie laut: Eine Granate!

Dann gab es da noch einen Film aus den ersten Kriegstagen vor einem Jahr. Zu sehen war, wie ein Zug im Bahnhof von Truskawez steht und von hunderten Menschen beladen wird. Die Freiwilligen hatten Kleiderspenden und alles mögliche gesammelt, was dann in den Osten des Landes geschickt wurde. So war es ein einerseits fröhlicher, aber auch nachdenklicher Abend im Kulturpalast.

Hans-Thomas Simmler aus Mainleus hält sich seit vielen Monaten in der Ukraine auf. Nach Angriffen der Russen in der Nähe des Atomkraftwerks Saporischschja ist er nun im Kurort Truskawez im Westen des Landes untergekommen.

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