Das Ukraine-Tagebuch „Wer kann zwei jungen Frauen helfen?“

Hans-Thomas Simmler aus Mainleus ist seit Wochen bei seiner Tochter Sofia und der deren Mutter in der Ukraine. Von dort schildert schildert er uns regelmäßig, wie sich das Leben im Krieg täglich verändert.

 
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Thomas Simmler.Foto:privat Foto:  

„Seit das Atomkraftwerk in der Hand der Russen ist, hab ich mich nicht mehr in diese Richtung bewegt. Das ist mir zu gefährlich. Zwar finden bei uns noch keine Kämpfe statt, aber als ich in der Nacht zum Samstag vor der Haustür eine Zigarette geraucht habe, hab ich plötzlich Feuer am Himmel gesehen. Dann knallte es fürchterlich und Rauch stieg auf. Scheinbar haben die Ukrainer mit ihren Abwehrraketen Erfolg gehabt. Seitdem macht mir jeder Krach sofort Angst, selbst wenn er nur aus dem Fernseher kommt. Da sieht man, wie sehr so ein Krieg die Psyche der Menschen erreicht.

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Ich hatte überlegt, ob wir nicht zu dritt in Richtung Westen fliehen soll. Unsere Tochter Sofia, ihre Mutter Irina und ich. Für 1200 Euro hätte uns ein Taxifahrer mitgenommen. Er hat sofort gesagt: „Ohne Garantie“. Freunde und Verwandte haben uns abgeraten. Der Weg ist zum Teil gefährlich. Man hört, dass es Mienen geben soll. Ob das stimmt, weiß niemand.

Heute sind mehrere Flüchtlingskinder aus Osten in unserer Stadt angekommen. Irgendwie haben sie sie es aus Charkiw oder Mariupol raus- und bis hierher geschafft. Jetzt kümmert man sich hier mit viel Liebe um sie. Sofia versteht noch nicht genau, was hier passiert. Zum Glück. Sie fragt immer, wann sie wieder in die Schule kann. Sonst spielt sie viel mit ihren Freundinnen aus der Nachbarschaft.

Nicht weit von uns ist Dnipro, mit einer Million Einwohnern die viertgrößte Stadt des Landes. Dort gibt es noch keine Angriffe und die Menschen sind sicher. Weiter in Richtung Westen geht es kaum noch. Wir haben versucht, Verbandssachen in einer Apotheke zu besorgen. Aber die sind leer. Die Nachbarin wollte Beruhigungsmittel – alles ausverkauft. Immerhin: Die Lager der Versorgungsunternehmen sind noch unversehrt. Lebensmittel zu bekommen, ist kein Problem. Außerdem gibt es in unserer Gegend viel Landwirtschaft und viele Menschen halten sich Hühner, Schweine zu Hause oder bauen Gemüse im Garten an. Das gibt etwas Sicherheit.“

Hans-Thomas Simmler aus Mainleus hält sich seit mehreren Wochen in der Südost-Ukraine auf. Das Atomkraftwerk Saporischschja, das größte Europas, ist keine zehn Kilometer entfernt. Es ist inzwischen unter Kontrolle der Russen.